Eine bundesweite Studie zur Nutzung von Familienbildungsangeboten zeigt, dass sich die Nutzergruppen von Familienbildung in den letzten Jahren zunehmend erweitert haben (vgl. Juncke et. al 2021). Der Anteil sozial benachteiligter Familien, die Familienbildung und -beratung wahrnehmen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen von 15 % im Jahr 2006 auf 42 % im Jahr 2019. Jeweils gut zwei Drittel der befragten Alleinerziehenden (66 %) und Paarfamilien (64 %) gaben im Jahr 2019 an, Angebote der Familienbildung und Familienberatung zu nutzen.
In Nürnberg gibt es neun Familienbildungsstellen, darunter sowohl klassische Familienbildungsstätten als auch Beratungsstellen, die Familien bei der Erziehung und Förderung ihrer Kinder begleiten und unterstützen.
Mit der Praxisforschung Familienbildung wollte das Bildungsbüro in Abstimmung mit dem Jugendamt den Fokus auf die derzeitigen Herausforderungen der Familienbildung – insbesondere im Kontext der Corona-Pandemie – richten und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen.
Qualitative Praxisforschung im Feld der Familienbildung
Anfang des Jahres 2022 wurden acht leitfadengestützte Video-Interviews mit Leitungskräften von Familienbildungsstellen, ein Interview mit den Koordinatorinnen der Stabstelle Familienbildung im Jugendamt sowie ein Interview mit einer Mitarbeiterin aus einer Stadtteilkoordination durchgeführt. Die Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Zusätzlich fand im Frühjahr 2022 eine Gruppendiskussion mit weiteren Fachkräften aus Einrichtungen der Familienbildung in Präsenz statt.
Bei der Interpretation der Ergebnisse gilt es den Zeitpunkt der Befragungen zu berücksichtigen: nach der langen Phase der pandemiebedingten Einschränkungen war die Arbeit in den Familienbildungsstellen sehr von der Aufarbeitung dieser Erfahrungen und von einem „Neustart“ geprägt.
Ergebnisse der Praxisforschung
In den durchgeführten Interviews der Praxisforschung wird deutlich, dass es in Nürnberg eine vielfältige Trägerlandschaft gibt, deren Einrichtungen der Familienbildung ein großesAngebotsspektrum in vielen Themenbereichen abdecken. Die Zielgruppen unterscheiden sich nach Familienform (z.B. Paare mit Kindern, Alleinerziehende) und Lebenslage (z.B. Familien in finanziellen Notlagen) und dementsprechend vielfältig sind auch die Angebotsformen und -themen.
Als Zugangshürden für die Nutzung der Angebote nennen die befragten Einrichtungsleitungen unter anderem sprachliche Barrieren. Als direkte Folge der pandemiebedingten Einschränkungen wird auch der (zeitweise) fehlende Kontakt zu den Eltern und Familien, aber auch zu den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den Einrichtungen, thematisiert.
Flexibilität und Kreativität werden von den interviewten Fachkräften als zentrale Stärken der Familienbildung wahrgenommen. Durch diese Kompetenzen konnte auch in Zeiten der Corona-Pandemie der Kontakt zu Familien aufrechterhalten werden. Bildungs- und Beratungsangebote wurden je nach Bedarf angepasst und in neuen Formaten durchgeführt.
Beispielhaftes Zitat aus den Interviews:
„Das sind so wichtige Sachen. Sie können flexibel reagieren. Es braucht eine Vorlaufzeit, aber sie können flexibel reagieren, im Sinne von: ‚das ist was, das überall oder an verschiedenen Stellen aufploppt, na dann lasst uns da ein Angebot entwickeln‘.“
Während familienbildende Angebote pandemiebedingt ausfallen mussten, versuchten die Familienbildungsstellen, den Kontakt zu den Familien aufrechtzuerhalten. Eine Umstellung bzw. die Erweiterung der Angebote ins Digitale ermöglichte es den Akteuren der Familienbildung, auch während der Pandemie Familien Bildungs- und Beratungsangebote zu machen: so fanden beispielsweise Paarberatungen per E-Mail oder Elternabende sowie digitale Messen unter dem Einsatz von Videokonferenztools statt und auch der jährliche Familienbildungstag in Nürnberg wurde 2021 und 2022 online durchgeführt. Auch wenn mittlerweile der Wunsch nach Angeboten in Präsenz bei den Familien überwiegt, werden bei Bedarf digitale Angebote, wie einzelne digitale Elternabende, fortgeführt.
Beispielhaftes Zitat aus den Interviews:
„Speziell auf Corona, die letzten Jahre war Bedarf da, aber die Eltern waren vorsichtig. Da lief ein Kurs, dann haben wir auf Online umgestellt, ist aber nicht dasselbe wie im Raum sitzen. Wir wollten aber die Eltern bis zum Ende begleiten und das hat gut funktioniert. Und letztes Jahr haben wir zwei Kurse weniger gehabt als sonst üblich, weil wir nicht von Anfang an Online anbieten wollten, wir sind andere Wege gegangen. Also Bedarf an Information und Austausch haben wir den Eltern geboten.“
Kooperation und Vernetzung sowohl untereinander als auch mit anderen Bildungs- und Beratungsangeboten sind für die Familienbildung wichtige Faktoren, die den Erfolg der Angebote beeinflussen. Diese sollten weiter ausgebaut werden, um „Angebotsketten“ herstellen zu können, die Zielgruppen hinsichtlich der differenzierten Bedarfe und Lebenslagen erreichen.
Die Befragten teilten das Ziel, durch ein umfassendes gemeinsames Monitoring eine bessere Grundlage für die Darstellung des nachhaltigen Erfolgs der Familienbildungsmaßnahmen zu erstellen. Damit die Familienbildung in der Öffentlichkeit mit ihren Stärken, wie der unbedingten Zielgruppenorientierung und großer Flexibilität wahrgenommen werden kann, wünschen sich die befragten Fachkräfte Planbarkeit und ausreichende finanzielle Grundlagen.
Bildungsbüro der Stadt Nürnberg, Praxisforschung Familienbildung, 2022.
Köller, Hasselhorn, Hesse, Maaz, Schrader, Solga, Spieß, Zimmer (Hrsg.), 2021: Das Bildungswesen in Deutschland. Bestand und Potenziale. Bildungsort Familie (Sabine Walper und Mariana Grgic).
Die Familie ist sowohl der früheste Bildungsort als auch derjenige, der Kinder und Jugendliche am längsten und umfassendsten beeinflusst (Walper/Grgic 2019). Gleichzeitig zeigt sich in der Praxis, dass viele Eltern bei Fragen der Erziehung verunsichert darüber sind, was für ihr Kind richtig und gut ist oder welche Rolle sie im Bildungs- und Erziehungsgeschehen haben. An dieser Stelle setzt die Familienbildung an und bietet niedrigschwellige Angebote für Eltern und Familien, unabhängig von ihrer Herkunft und sozialen Zugehörigkeit.
Was kann die Familienbildung tun, um Familien in Nürnberg zu begleiten und zu unterstützen?
Bildungsangebote, die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz fördern, ihnen Sicherheit im Umgang mit ihren Kindern geben, eine stabile Eltern-Kind-Beziehung fördern und Eltern in praktischen Fragen anleiten, sind wichtig für die Familien und werden nachgefragt. In Nürnberg gibt es eine vielfältige Trägerlandschaft, deren Einrichtungen der Familienbildung ein großes Angebotsspektrum in vielen Themenbereichen abdecken. Neun Familienbildungsstellen bieten im Stadtgebiet Informationen, Beratungen, Kurse und Familienaktionen an. Sie sind Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Familienbildung nach § 78 SGB VIII und arbeiten eng mit dem Stab Familienbildung im Jugendamt zusammen.
Sieben der Familienbildungsstellen in Nürnberg sind zudem als Familienstützpunkte vom Freistaat Bayern bezuschusste, niedrigschwellige und wohnortnahe Kontakt- und Anlaufstellen für Familien. In Nürnberg wurden im Jahr 2022 insgesamt 15.955 Anfragen von den Familienstützpunkten bearbeitet und damit 3.149 Anfragen mehr als im Vorjahr. Das angefragte Themenspektrum ist sehr breit und umfasst zum Beispiel die Bereiche Schwangerschaft/Geburt, Kindliche Entwicklung, Erziehung, Partnerschaft oder Problem-/Konfliktbewältigung. Die meisten Anfragen (3.876) erreichten die Familienstützpunkte im Jahr 2022 – wie auch schon in den Vorjahren – zum Thema „Angebote und Einrichtungen“, was verdeutlicht, wie bedeutsam die Vermittlungs- und Lotsenfunktion der Familienbildungsstützpunkte für die Familien ist.
Abb. 1: Anfragen von Familien an Familienstützpunkte in Nürnberg nach Themenbereichen und Art der Kontaktaufnahme, 2022
Quelle: Amt für Kinder, Jugendliche und Familien – Jugendamt; eigene Darstellung des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg.
Digitale Angebote und Kommunikationsformen
Die Corona-Pandemie führte in den vergangenen Jahren zu deutlichen Einschränkungen in der Bildungspraxis – nicht zuletzt in den Einrichtungen der Familienbildung. Ab März 2020 wurde in mehreren Lockdown-Phasen der reguläre Betrieb der Familienbildungsstellen unterbrochen. Während familienbildende Angebote ausfallen mussten, versuchten die Familienbildungsstellen, Kontakt zu den Familien aufrechtzuerhalten.
Digitale Angebote in der Familienbildung nahmen in Zeiten, in denen Präsenzangebote nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich waren, stark zu. Die Umstellung beziehungsweise die Erweiterung der Angebote ins Digitale ermöglichte es den Akteuren der Familienbildung, auch während der Pandemie Familien Bildungs- und Beratungsangebote zu machen. Das digitale Angebot wurde an vielen Stellen erweitert und so wurden beispielsweise Paarberatungen, Elternabende, Kurse oder digitale Messen, u.a. unter Einsatz Videokonferenztools oder Tools wie digitalen Pinnwänden durchgeführt (vgl. Praxisforschung Familienbildung 2022).
Abb. 2: Anfragen von Familien anFamilienstützpunktein Nürnberg nach Kontaktart, 2019 bis 2022
Quelle: Amt für Kinder, Jugendliche und Familien – Jugendamt; eigene Darstellung des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg.
Der Anteil an Anfragen, die über digitale Medien wie E-Mail oder Social Media an die Familienstützpunkte in Nürnberg gestellt wurden, stieg zwischen 2019 und 2021 von 17,1 % auf 30,2 %, während die Anfragen im persönlichen Gespräch – nicht zuletzt aufgrund der pandemiebedingten Regelungen – von 59,9 % auf 33,6% zurückgingen. 2022 wurden wieder mehr persönliche Anfragen an die Familienstützpunkte gestellt, der Anteil lag um 15,7 Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Gleichzeitig blieb die Anzahl der Anfragen über Telefon (n=4.627) und digitale Medien (n=3.455) im Jahr 2022 etwa gleich im Vergleich zum Vorjahr, jedoch um gut die Hälfte höher als vor der Pandemie (2019: 3.122 telefonische Anfragen: 2.332 Anfragen über digitale Medien). Das heißt, dass die neuen (digitalen) Beratungszugänge für viele Ratsuchende der passende, in der Pandemie neu entstandene Zugangsweg ist, diese Anfragen aber zusätzlich zu den persönlichen Anfragen gestellt werden.
Über die Ergebnisse der Studie „Praxisforschung Familienbildung“ berichten wir hier im BildungsBlog.
Im „BildungsDate“, das am 28. Juni 2023 stattfand, sprachen Hilde Kugler und Paula Herrera von Treffpunkt e.V. sowie Hilde Nägele von der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Nürnberg e.V. über Entwicklungen der Familienbildung in den vergangenen Jahren und über Befunde aus der vom Bildungsbüro durchgeführten „Praxisforschung Familienbildung“. Nähere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier: 4. BildungsDate zur Familienbildung am 28.6.2023
Quellen:
Köller, Hasselhorn, Hesse, Maaz, Schrader, Solga, Spieß, Zimmer (Hrsg.): Das Bildungswesen in Deutschland. Bestand und Potenziale. Bildungsort Familie (Sabine Walper und Mariana Grgic).
Stadt Nürnberg, Bildungsbüro, Praxisforschung Familienbildung, 2022.
Lavinia Schörk ist seit 2019 in der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) tätig, zunächst als freie Mitarbeiterin im Bereich der politischen Jugendbildung. Seit 2022 koordiniert sie das Projekt „RespACT – Vielfalt leben. Haltung zeigen“. Im Interview mit dem Nürnberger Bildungsbüro berichtet sie über die Ziele und den Aufbau des Projekts und geht auf die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern ein.
Frau Schörk, Sie arbeiten im Projekt RespACT, welche Bedeutung steckt denn hinter dem Wortspiel?
Den Namen RespACT gibt es tatsächlich erst seit 2022, zuvor lief das Projekt unter der Bezeichnung „Religionssensible politische Bildungsarbeit“. Die Änderung kam, weil sich die Ausrichtung des Projekts gewandelt hat. RespACT ist ja ein bundesweites Projekt und seit 2018 lag der Fokus unserer Jugendbildungsarbeit an Schulen noch auf der Prävention gegen religiös motivierten Extremismus. Es wurde dann innerhalb der letzten Projektjahre doch sehr deutlich, dass dieser Schwerpunkt nicht ausreichend ist. Daher befasst sich das Projekt nun mit den unterschiedlichen Formen des Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Da passt „RespACT“ sehr gut und ist auch eine Zielbeschreibung: gemeinsam mit Jugendlichen eine respektvolle Haltung gegenüber anderen zu entwickeln und der Anspruch, etwas in Bewegung bringen zu wollen.
Wie ist das Projekt RespACT genau aufgebaut?
Bei RespACT sind bundesweit an verschiedenen Standorten politische Bildner/-innen tätig. Wir arbeiten mit pädagogischen Fachkräften des Jugendmigrationsdiensts zusammen, die wiederum in einem anderen Bundesprogramm als sogenannte „Respekt Coaches“ direkt an den Schulen arbeiten – immer mit dem Hauptziel der Primärprävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Extremismus. Die Respekt Coaches betreuen ungefähr ein bis drei Kooperationsschulen. Wenn sie in ihrer pädagogischen Arbeit mitbekommen, dass an den Schulen ein bestimmter Bedarf vorhanden ist, kontaktieren sie uns. Eigenständig oder auch gemeinsam arbeiten wir dann ein Bildungsmodul aus. Die Zusammenarbeit mit den Schulen läuft daher hauptsächlich über die Respekt Coaches, die uns unter anderem deren Feedback übermitteln.
Können Sie uns mehr über die Bildungsinhalte und -formate erzählen? Welche Modulthemen werden besonders nachgefragt?
Thematisch hat jeder Standort eigene Schwerpunkte. Wir im CPH haben mehrere kleinere Schwerpunkte. Seit Herbst fokussieren wir uns auf das Thema geschlechtliche Vielfalt, weil wir gemerkt haben, dass es in diesem Bereich noch zu wenig Angebote gibt und gleichzeitig die Schulklassen viele offene Fragen dazu haben. Weitere Bildungsmodule bieten wir zu den Themen Zivilcourage und Rassismus an. Die Schulen fragen besonders häufig ein Sozialkompetenz-Training an, da geht es darum, wie man respektvoll und solidarisch miteinander umgeht. Vor allem seit der Corona-Pandemie wird dieses Modul oft nachgefragt. Je nach Bedarf sind diese Module miteinander kombinierbar. Und auch bei der organisatorischen Ausgestaltung sind wir ganz frei. Die Bildungsmodule können im Rahmen eines kurzen Workshops stattfinden, aber auch ein Projekttag oder mehrtägige Formate, wie Klassenfahrten, sind möglich. Dazu kommen die Schulklassen entweder zu uns ins CPH oder wir kommen in die Schule.
Welche Methoden helfen Ihnen dabei, die Schulklassen mit diesen Themen zu erreichen?
Wir nehmen uns viel Zeit, um uns gegenseitig kennenzulernen. Wir duzen uns und sprechen zum Beispiel beim „Kennenlern-Bingo“ einzelne Schülerinnen und Schüler direkt an. Wir legen auch jedes Mal dar, dass alle Fragen gestellt werden dürfen und wir uns über Diskussionen freuen, aber immer so, dass niemand verletzt wird. Daran wurde sich bisher immer gut gehalten. Es soll eine entspannte Atmosphäre entstehen. Damit die Schülerinnen und Schüler merken, dass es kein normales Schulsetting ist. Bei manchen Methoden haben wir die Erfahrung gemacht, dass es ohne eine beteiligte Lehrkraft besser läuft. Wenn die Lehrkräfte teilnehmen, ist uns wichtig, dass sie eine passive Rolle einnehmen. Die Teilnehmenden sollen keine Angst haben, bewertet zu werden. Zu Beginn machen wir oft die Methode „Meinungsbarometer“. Wir lesen dabei in Kleingruppen Aussagen zu einem Thema vor, die sich häufig auf die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler beziehen, und zu denen sie sich positionieren. Beim Thema Zivilcourage fange ich zum Beispiel gerne mit der Aussage an „In meiner Schule gibt es viele Konflikte“. Ich habe fast bei jeder Klasse erlebt, dass sie einen großen Redebedarf haben. Es folgt eine gemeinsame, moderierte Diskussion. Die weiteren Methoden variieren je nach Thema. Ein Teil der Module ist jedoch immer auch die Wissensvermittlung. Zudem ist uns wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler Handlungsmöglichkeiten erkennen und erkennen lernen. Am Schluss bauen wir immer eine Feedbackrunde ein.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Projekt RespACT
Wen erreichen Sie konkret mit Ihrem Bildungsangebot?
Die Respekt Coaches gibt es deutschlandweit fast in jeder (mittel-)größeren Stadt. Als politische Bildnerinnen und Bildner im Projekt RespACT sind es weitaus weniger, nur eine Person pro Bundesland und auch jeweils nur mit einer halben Stelle. Daher arbeite ich hauptsächlich mit Nürnberger Schulen und aus der näheren Umgebung, wie Erlangen und Fürth. Dabei erreichen wir überwiegend die Schülerinnen und Schüler von der 5. bis zur 10. Klasse. In den letzten eineinhalb Jahren habe ich mit zehn Schulen zusammengearbeitet, davon sind die meisten in Nürnberg. Insgesamt laufen die meisten Kooperationen mit Mittelschulen.
Wie verhalten sich die Schülerinnen und Schüler bei der Auseinandersetzung mit den Themen?
Insgesamt gibt es ganz unterschiedliche Erfahrungen, das ist sehr abhängig von Thema und der Schülerschaft. Schülerinnen und Schüler mit Diskriminierungserfahrungen sind in aller Regel leichter aufzuschließen und zugänglicher für unsere Arbeit zum Thema Diskriminierung und Rassismus. In Schulklassen mit Jugendlichen ohne solche negativen Erfahrungen stoßen wir dagegen seltener auf Neugier und offene Ohren. Beim Modul zur geschlechtlichen Vielfalt gibt es eigentlich bei allen Schülerinnen und Schülern ganz viele Fragezeichen. Sie haben eine gemischte Haltung zwischen Neugier, Interesse und anfänglicher Ablehnung, weil es etwas Neues ist und zunächst befremdlich wirkt. Dadurch, dass aber Neugierde da ist, können wir dort gut anknüpfen.
Wie ist Ihr Eindruck, inwiefern im Rahmen der Bildungsmodule die gewünschte Reflexion der Schülerinnen und Schüler angestoßen wird?
In den Modulen schaffen wir es Raum zu bieten, um über diese Themen nachzudenken und Fragen zu stellen. In Hinblick auf das Bildungsprogramm im Ganzen glaube ich, dass nachhaltige Veränderungen angestoßen werden können, weil die Respekt Coaches in Ergänzung zu unseren Modulen weiterhin mit denselben Schulen Maßnahmen durchführen.
Die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg (so die derzeitige Verwaltungsbezeichnung) feierte vor drei Jahren ihr 650-jähriges Bestehen und zählt damit zu den ältesten Bibliotheken in durchgehend kommunaler Trägerschaft im deutschen Sprachraum. Sie hat sich fortwährend weiterentwickelt und – nicht zuletzt während der Corona-Pandemie – den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst.
Die Stadtbibliothek Nürnberg zählte zwischen 2011 und 2019 jährlich im Schnitt mehr als 900.000 Besuche. Im gleichen Zeitraum wurden jährlich durchschnittlich 2,1 Millionen Medien entliehen. Zwischen 2019 und 2020 sank die Anzahl der Besucherinnen und Besucher aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen um nahezu die Hälfte (- 49,4 %) und die Entleihungszahlen um etwa ein Viertel (-25,9 %) (Abbildung 1). Im Jahr 2022 haben sich die Entleihungen der physischen Medien sowie die Besucherzahlen gut erholt und erreichen an einigen Standorten sowie in den Bücherbussen bereits das Vor-Corona-Niveau.
Abbildung 1: Besuche, Entleihungen und Medienbestand in der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, 2012 bis 2022
Quelle: Stadt Nürnberg, Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg.
Steigende Nachfrage nach virtuellen Medien ist ungebrochen
Die Nachfrage nach virtuellen Medien nimmt von Jahr zu Jahr zu. Seit Einführung der Onleihe im Jahr 2013 hat sich die Anzahl der Entleihungen mehr als vervierfacht. Während der Corona-Pandemie waren digitale Angebote von der Bibliotheksschließung nicht betroffen. Während die Anzahl der Entleihungen physischer Medien zwischen 2019 und 2020 um ein Viertel abnahm (s.o.), stiegen die Entleihungen elektronisch lesbarer Medien im gleichen Zeitraum um 21,9% und 2021 noch einmal um 4,9 %. Die Onleihe stagniert seit 2022 auf gleichbleibend hohem Niveau.
Das digitale Angebotsspektrum der Bibliothek wurde in den letzten Jahren stetig erweitert. Neben der Onleihe – aktuell ca. 30.000 Medien – ergänzen digitale Angebote wie Musikstreaming, Presse- und Datenbankdienste die physischen Bestände. Auch hier setzt sich der Ausbau fort und die Stadtbibliothek reagiert mit Angeboten wie Filmstreaming oder digitalen Noten auf den Medienwandel und geänderte Kundeninteressen. In der Vermittlungsarbeit werden ebenfalls zunehmend digitale Formate eingesetzt, beginnend mit QR-Code-Rallyes, die Klassen mit der Bibliothek vertraut machen, bis hin zu Sprechstunden für die Beratung und Hilfestellung bei der Nutzung digitaler Bibliotheksangebote.
Bibliothekspädagogische Angebote: Lesespaß und Vorleseaktivitäten
Als außerschulische Bildungseinrichtung ist die Stadtbibliothek mit systematisch aufeinander aufbauenden Angeboten im BereichLeseförderung aktiv und kooperiert mit Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und weiterführenden Schulen. Die Angebote richten sich dabei an Kinder und Jugendliche sowie Eltern, Lehrkräfte und pädagogisches Personal in Kindertageseinrichtungen. Neben den vielfältigen Angeboten zur Leseförderung verschiedener Altersstufen in den ortsfesten Bibliotheken, sind die Bücherbusse zentrales Leseförderungsinstrument. Mit der Fahrbibliothek erreicht die Stadtbibliothek Nürnberg über die Schulen systematisch Kinder aus bildungsfernen Familien und trägt deshalb mit dazu bei, die Chancengleichheit im Bildungsbereich zu erhöhen. Die Leseförderung stellt eine wichtige Kernaufgabe der Stadtbibliothek dar; besonders vor dem Hintergrund der alarmierenden Ergebnisse der jüngsten Bildungsstudien, z.B. der aktuellen IGLU-Studie, die im Mai 2023 veröffentlicht wurde. Bei den Schülerinnen und Schülern der vierten Klasse herrschen teilweise erhebliche Defizite beim Lesen, Hörverständnis und der Orthografie. Von der konzentrierten Leseförderung durch die Bücherbusse profitieren aktuell siebzehn Grundschulen; 2022 haben ca. 280 Klassen im Rahmen der Partnerschaft Schule und Bibliothek Medien ausgeliehen.
Bibliothek als Dritter Ort wichtiger denn je
Die Stadtbibliothek im Zentrum und die Stadtteilbibliotheken waren 2020 und 2021 aufgrund der Lockdowns während der Pandemie insgesamt 24 Wochen geschlossen. In weiteren 18 Wochen schränkten staatliche Vorgaben die Zugänglichkeit zur Bibliothek stark ein. Zu Beginn des Jahres 2021 richtete die Stadtbibliothek während der Schließung einen Medien-Lieferdienst und später einen Abholservice ein, der gut angenommen wurde. Insgesamt verschickte die Stadtbibliothek 1.000 individuell zusammengestellte Pakete und knapp 4.000 individuelle Bestellungen wurden dort abgeholt. Die Funktion der Bibliothek als sogenannter 3. Ort – als Aufenthaltsort und Treffpunkt ohne Konsumzwang – konnte unter diesen Bedingungen allerdings kaum erfüllt werden.
Neben der Ausleihe physischer Medien stellt die Stadtbibliothek für Besucherinnen und Besucher einen wichtigen Ort als Lern- und Erfahrungsraum für verschiedene Nutzergruppen dar. Sie entwickelt sich zu einer „Hybriden Bibliothek“, d.h. sie hält sowohl konventionelle, gedruckte als auch digitale Publikationen und Informationsquellen bereit und bietet vielfältige Angebote sowohl im physischen als auch im digitalen Raum an (vgl. Gantert 2016). Als Beispiel ist hier die Musikbibliothek zu nennen, die jüngst einen Wandel zur „Klingenden Etage“ durchlaufen hat. Instrumente zum Ausprobieren, eine Digitalisierungsstation und Übungsräume ergänzen den üblichen Bibliotheksservice. Im Jahr 2022 startete die Ausleihe von Musikinstrumenten als erster Schritt in Richtung einer „Bibliothek der Dinge“.
Weitere Informationen und datengestützte Angaben zur non-formalen Bildung in Nürnberg und weiteren Bildungsbereichen finden sich im neuen Bildungsbericht.
Quellen:
Stadt Nürnberg, Bürgermeisteramt/Bildungsbüro (2022): Bildung in Nürnberg. Sechster Bildungsbericht der Stadt Nürnberg.
Gantert, Klaus (2016): Bibliothekarisches Grundwissen, De Gruyter.
McElvany, N., Lorenz, R., Frey, A., Goldhammer, F., Schilcher, A., Stubbe, T. (2023): IGLU 2021 – Lesekompetenz von Grundschulkindern im internationalen Vergleich und im Trend über 20 Jahre. Waxmann.
Der Bedarf an Unterstützung für Familien im Schulbereich ist vorhanden. In der Stadt Nürnberg bestehen zahlreiche Angebote. Speziell für Familien mit Migrationsgeschichte und ihre schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen gibt es bereits seit 2009 das Nürnberger Elternbüro Schulerfolg und Teilhabe (NEST). Verfolgt wird dabei ein Peer-to-Peer-Ansatz: Ehrenamtliche Elternlotsinnen und Elternlotsen mit eigener Migrationsgeschichte helfen den ratsuchenden Eltern und Erziehungsberechtigten bei allen Fragen rund um die Schule. Sie geben Informationen zum Schulsystem in Bayern, unterstützen bei Eltern–Lehrkräfte- und Lernentwicklungsgesprächen sowie bei Elternabenden. Auch begleiten sie Familien bei Schulanmeldungen und Schulamtsterminen. Sie führen Elterncafés und NEST-Sprechstunden an Partnerschulen durch. Zu den Partnerschulen zählen überwiegend Grundschulen und Mittelschulen, aber auch andere Schularten – Förderzentrum, Realschule, Gymnasium und Berufsschule. Die Beratung und Begleitung der Elternlots/-innen kann in Deutsch oder in den Familiensprachen erfolgen.
Inhaltlich geht es unter anderem um Fragen zum bayerischen Schulsystem, Lernförderung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT), Unterstützungsmöglichkeiten beim Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs, spezielle Schulangebote bei mangelnden Deutschkenntnissen oder um Missverständnisse in der Kommunikation mit Lehrkräften. Gegebenenfalls wird an Beratungslehrkräfte, die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) oder Fachberatungsstellen verwiesen.
Für die Koordination, Planung, inhaltliche Gestaltung und die Kontakte zu den Schulen und anderen Einrichtungen sind Alina Frei und Magdalena Musial als pädagogische Mitarbeiterinnen zuständig. Angesiedelt ist das Elternbüro als regulärer Arbeitsbereich am städtischen Institut für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg (IPSN).
Um ein hohes Maß an Unterstützungsqualität zu gewährleisten, organisieren sie die Erstqualifizierungen und regelmäßige Fortbildungen der Elternlotsinnen und -lotsen. Diese thematischen Fortbildungen werden in Kooperation mit staatlichen, privaten und anderen kommunalen Einrichtungen angeboten. Auch nahmen einige Elternlotsinnen und -lotsen an der Ausbildung zum „Digi-Coach“ im Projekt „Digital Immigrants“ von Bildungsbüro und Medienzentrum Parabol teil und qualifizierten sich so im Bereich der digitalen Grundbildung.
Der hohe Bedarf an Unterstützung im Schulbereich zeigt sich an den rund 1.500 Einsätzen der Elternlotsinnen und Elternlotsen im Schuljahr 2021/22. Diese wurden von 33 ehrenamtlich tätigen Personen in insgesamt 30 Sprachen an 34 Partnerschulen und an anderen Schulen in Nürnberg durchgeführt. Im gleichen Schuljahr bearbeiteten die NEST-Koordinatorinnen knapp 350 Anfragen von Eltern, Schulen und anderen Einzelpersonen oder Einrichtungen. Mit über 200 Anfragen kommen die meisten aus den Schulen, beispielsweise von Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen oder auch Schulleitungen. Im aktuellen Schuljahr 2022/23 hat sich die Anzahl der aktiven Elternlotsinnen und Elternlotsen auf 50 erhöht.
Im BildungsDate des Bildungsbüros am 26. April 2023 berichteten die beiden NEST-Koordinatorinnen Alina Frei und Magdalena Musial von den Herausforderungen, denen sich das Programm stellen muss. Beispielsweise der erschwerten Kommunikation mit den Elternhäusern während der pandemiebedingten Schulschließung. Oder wie der Lehrkräftemangel an den Schulen dazu führt, dass die Elternarbeit teilweise eine abnehmende Rolle spielt und NEST häufig erst um Hilfe gebeten wird, wenn sich problematische Situationen bereits verfestigt haben. Die Elternlotsinnen Olha Kobzar und Aynur Kurhan gaben einen konkreten Einblick in ihre Arbeit und wie sich Konflikte durch ihren Einsatz auflösen. So ließen sich Missverständnisse zwischen Lehrkräften und Elternhäusern bereits relativ einfach klären durch das Aufzeigen von Unterschieden zwischen dem Schulsystem des Herkunftslands mancher Eltern und dem bayerischen Schulsystem. Auch zeigt sich immer wieder, dass durch den Peer-Ansatz eine Kommunikation auf Augenhöhe mit den Familien stattfindet, die die Erreichbarkeit durch andere Unterstützungsangebote, wie etwa der Schulpsychologie, deutlich erhöht.
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