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Von Zivilcourage bis geschlechtliche Vielfalt – Hohe Nachfrage nach bedarfsorientierten Bildungsangeboten an Nürnberger Schulen

Beitrag vom 29. Jun. 2023

Lavinia Schörk ist seit 2019 in der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) tätig, zunächst als freie Mitarbeiterin im Bereich der politischen Jugendbildung. Seit 2022 koordiniert sie das Projekt “RespACT Vielfalt leben. Haltung zeigen”. Im Interview mit dem Nürnberger Bildungsbüro berichtet sie über die Ziele und den Aufbau des Projekts und geht auf die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern ein.

Frau Schörk, Sie arbeiten im Projekt RespACT, welche Bedeutung steckt denn hinter dem Wortspiel?

Den Namen RespACT gibt es tatsächlich erst seit 2022, zuvor lief das Projekt unter der Bezeichnung „Religionssensible politische Bildungsarbeit“. Die Änderung kam, weil sich die Ausrichtung des Projekts gewandelt hat. RespACT ist ja ein bundesweites Projekt und seit 2018 lag der Fokus unserer Jugendbildungsarbeit an Schulen noch auf der Prävention gegen religiös motivierten Extremismus. Es wurde dann innerhalb der letzten Projektjahre doch sehr deutlich, dass dieser Schwerpunkt nicht ausreichend ist. Daher befasst sich das Projekt nun mit den unterschiedlichen Formen des Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Da passt „RespACT“ sehr gut und ist auch eine Zielbeschreibung: gemeinsam mit Jugendlichen eine respektvolle Haltung gegenüber anderen zu entwickeln und der Anspruch, etwas in Bewegung bringen zu wollen. 

Wie ist das Projekt RespACT genau aufgebaut?

Bei RespACT sind bundesweit an verschiedenen Standorten politische Bildner/-innen tätig. Wir arbeiten mit pädagogischen Fachkräften des Jugendmigrationsdiensts zusammen, die wiederum in einem anderen Bundesprogramm als sogenannte „Respekt Coaches“ direkt an den Schulen arbeiten – immer mit dem Hauptziel der Primärprävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Extremismus. Die Respekt Coaches betreuen ungefähr ein bis drei Kooperationsschulen. Wenn sie in ihrer pädagogischen Arbeit mitbekommen, dass an den Schulen ein bestimmter Bedarf vorhanden ist, kontaktieren sie uns. Eigenständig oder auch gemeinsam arbeiten wir dann ein Bildungsmodul aus. Die Zusammenarbeit mit den Schulen läuft daher hauptsächlich über die Respekt Coaches, die uns unter anderem deren Feedback übermitteln.

Können Sie uns mehr über die Bildungsinhalte und -formate erzählen?
Welche Modulthemen werden besonders nachgefragt?

Thematisch hat jeder Standort eigene Schwerpunkte. Wir im CPH haben mehrere kleinere Schwerpunkte. Seit Herbst fokussieren wir uns auf das Thema geschlechtliche Vielfalt, weil wir gemerkt haben, dass es in diesem Bereich noch zu wenig Angebote gibt und gleichzeitig die Schulklassen viele offene Fragen dazu haben. Weitere Bildungsmodule bieten wir zu den Themen Zivilcourage und Rassismus an. Die Schulen fragen besonders häufig ein Sozialkompetenz-Training an, da geht es darum, wie man respektvoll und solidarisch miteinander umgeht. Vor allem seit der Corona-Pandemie wird dieses Modul oft nachgefragt. Je nach Bedarf sind diese Module miteinander kombinierbar. Und auch bei der organisatorischen Ausgestaltung sind wir ganz frei. Die Bildungsmodule können im Rahmen eines kurzen Workshops stattfinden, aber auch ein Projekttag oder mehrtägige Formate, wie Klassenfahrten, sind möglich. Dazu kommen die Schulklassen entweder zu uns ins CPH oder wir kommen in die Schule.

Welche Methoden helfen Ihnen dabei, die Schulklassen mit diesen Themen zu erreichen?

Wir nehmen uns viel Zeit, um uns gegenseitig kennenzulernen. Wir duzen uns und sprechen zum Beispiel beim „Kennenlern-Bingo“ einzelne Schülerinnen und Schüler direkt an. Wir legen auch jedes Mal dar, dass alle Fragen gestellt werden dürfen und wir uns über Diskussionen freuen, aber immer so, dass niemand verletzt wird. Daran wurde sich bisher immer gut gehalten. Es soll eine entspannte Atmosphäre entstehen. Damit die Schülerinnen und Schüler merken, dass es kein normales Schulsetting ist. Bei manchen Methoden haben wir die Erfahrung gemacht, dass es ohne eine beteiligte Lehrkraft besser läuft. Wenn die Lehrkräfte teilnehmen, ist uns wichtig, dass sie eine passive Rolle einnehmen. Die Teilnehmenden sollen keine Angst haben, bewertet zu werden. Zu Beginn machen wir oft die Methode „Meinungsbarometer“. Wir lesen dabei in Kleingruppen Aussagen zu einem Thema vor, die sich häufig auf die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler beziehen, und zu denen sie sich positionieren. Beim Thema Zivilcourage fange ich zum Beispiel gerne mit der Aussage an „In meiner Schule gibt es viele Konflikte“. Ich habe fast bei jeder Klasse erlebt, dass sie einen großen Redebedarf haben. Es folgt eine gemeinsame, moderierte Diskussion. Die weiteren Methoden variieren je nach Thema. Ein Teil der Module ist jedoch immer auch die Wissensvermittlung. Zudem ist uns wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler Handlungsmöglichkeiten erkennen und erkennen lernen. Am Schluss bauen wir immer eine Feedbackrunde ein.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Projekt RespACT

Wen erreichen Sie konkret mit Ihrem Bildungsangebot?

Die Respekt Coaches gibt es deutschlandweit fast in jeder (mittel-)größeren Stadt. Als politische Bildnerinnen und Bildner im Projekt RespACT sind es weitaus weniger, nur eine Person pro Bundesland und auch jeweils nur mit einer halben Stelle. Daher arbeite ich hauptsächlich mit Nürnberger Schulen und aus der näheren Umgebung, wie Erlangen und Fürth. Dabei erreichen wir überwiegend die Schülerinnen und Schüler von der 5. bis zur 10. Klasse. In den letzten eineinhalb Jahren habe ich mit zehn Schulen zusammengearbeitet, davon sind die meisten in Nürnberg. Insgesamt laufen die meisten Kooperationen mit Mittelschulen.

Wie verhalten sich die Schülerinnen und Schüler bei der Auseinandersetzung mit den Themen?

Insgesamt gibt es ganz unterschiedliche Erfahrungen, das ist sehr abhängig von Thema und der Schülerschaft. Schülerinnen und Schüler mit Diskriminierungserfahrungen sind in aller Regel leichter aufzuschließen und zugänglicher für unsere Arbeit zum Thema Diskriminierung und Rassismus. In Schulklassen mit Jugendlichen ohne solche negativen Erfahrungen stoßen wir dagegen seltener auf Neugier und offene Ohren. Beim Modul zur geschlechtlichen Vielfalt gibt es eigentlich bei allen Schülerinnen und Schülern ganz viele Fragezeichen. Sie haben eine gemischte Haltung zwischen Neugier, Interesse und anfänglicher Ablehnung, weil es etwas Neues ist und zunächst befremdlich wirkt.  Dadurch, dass aber Neugierde da ist, können wir dort gut anknüpfen.

Wie ist Ihr Eindruck, inwiefern im Rahmen der Bildungsmodule die gewünschte Reflexion der Schülerinnen und Schüler angestoßen wird?

In den Modulen schaffen wir es Raum zu bieten, um über diese Themen nachzudenken und Fragen zu stellen. In Hinblick auf das Bildungsprogramm im Ganzen glaube ich, dass nachhaltige Veränderungen angestoßen werden können, weil die Respekt Coaches in Ergänzung zu unseren Modulen weiterhin mit denselben Schulen Maßnahmen durchführen.


Titelbild, Beitragsbild: © Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus.

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