Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

Bildungsblog » Archive für bibue_01
„Das ist ein guter Schritt auf einem langen Weg.“

„Das ist ein guter Schritt auf einem langen Weg.“

Ein Portrait über Siamak Arabkhani und sein Engagement als Mitforschender beim Cirizen-Science-Projekt Nürnberg forscht.

Siamak Arabkhani lebt seit 2015 in Deutschland. In Zanjan, seinem Geburtsort im Nordwesten des Irans, hat er Architektur studiert und seinen Master begonnen, als er das Land verlassen musste. Er stammt aus einer Künstlerfamilie. Sein Vater ist Schauspieler und Theaterdirektor, seine Mutter Schauspielerin und Dichterin, sein Bruder Musiker und Komponist. Er selbst liebt Poesie und Theater, zeichnet und fotografiert in seiner Freizeit Seine Kohlezeichnungen waren Teil mehrerer Ausstellungen in Nürnbergs Kulturläden.

Auf „Nürnberg forscht“ ist er im Sommer 2023 über den Verein MOIN e.V. Aufmerksam geworden. Der herkunfts- und kulturübergreifender Verbund von Migrantenvereinen bietet Zugewanderten Rat und Hilfe beim Ankommen in der Stadt. Die auf Anhieb offene Atmosphäre beim ersten Treffen von Nürnberg forscht gaben ihm den Impuls, sich an der Citizen-Science-Forschung über Integration in Nürnberg zu beteiligen.

Langwierige Bürokratie, Diskriminierung im Job

Als er in Deutschland ankam, war es zunächst schwer für ihn. Die ersten acht Monate musste er um ein Asylverfahren kämpfen. Bis er eine Wohnung fand, lebte er vier Jahre in wechselnden Einrichtungen für Asylbewerber*innen, die meiste Zeit davon in Nürnberg. Seinen Wunschberuf Architekt kann er aufgrund der fehlenden Anerkennung seines Studiums und bürokratischer Hürden nicht ausüben. „Es ist wirklich schwierig in Deutschland Fuß zu fassen. Vieles dauert so unglaublich lange und ist sehr kompliziert“ erzählt er. „Schon alleine die Übersetzung sämtlicher akademischer Dokumente, dann die Anerkennung zu bekommen und dann noch einen Job und eine Wohnung zu finden.“ Siamak hatte zunächst sogar in einem Architekturbüro gearbeitet, dort aber keine guten Erfahrungen gemacht. „Ich bekam einen befristeten Vertrag. Als mein Projekt schon vor Ablauf der Frist zu Ende war, wurde mir mit der Begründung gekündigt, dass ich die Sprache zu schlecht sprechen würde.“ Schließlich fand er eine unbefristete Stelle als Bauzeichner bei einer Mobilfunkfirma – für seine Niederlassungserlaubnis eine wichtige Voraussetzung.

Durch Ehrenamt Hilfe zur Selbsthilfe

Um mit Rückschlägen und Niederlagen zurecht zu kommen, half sich Siamak mit Beschäftigungen im Ehrenamt. Er trat dem iranischen Kulturverein Khayam bei, wo er mittlerweile Vorstand ist, moderierte und produzierte eine persische-deutsche Sendung auf Radio Z und engagiert sich bis heute bei MOIN e.V. „Ich habe dort viel gelernt und viel Hilfe bekommen, und jetzt helfe ich anderen, da ich ja auch Türkisch und Kurdisch kann. Daraus sind viele gute Beziehungen entstanden, ein sehr wertvolles Netzwerk, eine unheimliche Bereicherung für mich.“

Die Sache mit der deutschen Sprache

Siamaks Muttersprache ist Aserbaidschanisch, seine „Vatersprache“ Kurdisch. Daneben spricht er persisch, die offizielle Sprache im Iran. „Türkisch habe ich über das Satellitenfernsehen gelernt, als ich ein Kind war. Und Englisch habe ich in der Schule und Universität gelernt und Arabisch auch in der Schule“ erläutert er. Deutsch ist seine siebte Sprache, die er lerne und nicht mit anderen Sprachen zu vergleichen. „Sie ist sehr präzise, mit ihren vielen Regeln, den Artikeln und Präpositionen und es gibt sehr viele fachspezifische Abkürzungen – für viele Fachbereiche, Ämter oder Gerichte ist das natürlich gut, aber für Menschen, die die Sprache erst lernen müssen…“ grübelt Siamak. Er weiß Deutschlands Vorteile trotz seiner eigenen Startschwierigkeiten und der ausufernden Bürokratie gerade für Migrantin*innen dennoch zu schätzen: die Meinungs- und Religionsfreiheit, die Achtung der Menschenrechte, die Vielfalt der Kulturen, auch wenn ihn diese anfangs etwas überfordert habe, gibt er zu. Auch die Wirtschaft oder das Sozial- und Gesundheitssystem seien um so vieles besser als in seiner Heimat oder in vielen anderen Ländern, merkt er an.

Motivation für Nürnberg forscht

Seine eher schlechten Erfahrungen mit der deutschen Bürokratie haben ihn letztendlich auch dazu motiviert, sich dem Projekt anzuschließen und als Mitforschender beim Forschungsthema „Verhalten bei Rassismus“ mitzuarbeiten.

Viele Menschen kommen nach Deutschland, weil es in ihrer Heimat keine Menschenrechte gibt. Sie kommen nach Deutschland und hoffen auf Achtung ihrer Menschrechte. Und viele werden enttäuscht, denn sie sehen rassistische Dinge oder erleben selbst welche. Aber ihr Hunger, dieses starke Bedürfnis nach der Achtung der Menschrechte, bleibt bestehen.

Siamak Arabkhani

Das habe Siamak bei sich, aber auch bei den anderen Mitforschenden deutlich wahrgenommen. Und auch die Lust darauf, etwas zum Positiven zu verändern. Durch den intensiven Erfahrungsaustausch in der Gruppe habe er viel lernen und im weiteren Verlauf auch viel über die deutsche Forschungsarbeit erfahren können, so sein Fazit.  „Ich finde, es ist ein guter Schritt auf dem doch sehr langen Weg, die Bedingungen für die Einwanderung zu verbessern.“

Siamak Arabkhani engagiert sich in der aktuellen Forschungsgruppe wieder als Mitforschender. Die mittlerweile dritte Forschung des Projekts, das insgesamt vier Citizen-Science-Untersuchungen vorsieht, dreht sich dieses Mal um die politische Teilhabe zugewanderter Nürnberger*innen. Sie läuft von November 2024 bis Juni 2025.


Als gemeinsame Initiative des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg und der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus wird das Projekt „Nürnberg forscht – Bürgerwissenschaften in der vielfältigen Stadtgesellschaft“ von 2023 bis 2025 von der Europäischen Union kofinanziert.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

Projektseite „Nürnberg forscht


Titelbild: ©  Stadt Nürnberg, Bildungsbüro.

Inklusion in der frühkindlichen Bildung in Nürnberg

Inklusion in der frühkindlichen Bildung in Nürnberg

Der Bedarf für ein inklusives frühkindliches Bildungssystem hat sich in den letzten Jahren in besonderer Weise erhöht. Dies zeigt sich deutlich im Bericht „Inklusion in der frühkindlichen Bildung“, den das Bildungsbüro im November 2024 veröffentlicht hat. Anhand verschiedener Daten zur Inklusion von Kindern bis zum Einschulungsalter in formalen und non-formalen Bildungsangeboten werden die Entwicklungen für Nürnberg beschrieben.

Abbildung 1: Kinder im Vorschulalter mit bestehender oder drohender Behinderung in Kindertageseinrichtungen, 2018 bis 2023

Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien – Jugendamt.

Im Jahr 2023 besuchten insgesamt 755 Kinder im Alter von 0 Jahren bis zum Schuleintrittsalter mit einer (drohenden) Behinderung eine Kindertageseinrichtung in Nürnberg. Davon waren 50 Kinder im Alter unter drei Jahren und 705 Kinder zwischen drei und sechs Jahren (Abb. 1). Die Zahl der Kinder mit (drohender) Behinderung hat sich dabei von 2015 bis 2023 sukzessive erhöht. Insgesamt hat die Anzahl der betreuten Kinder mit (drohender) Behinderung den Kindertageseinrichtungen um 443 Kinder (142 %) zugenommen. Gleichzeitig hat sich auch der Anteil an allen betreuten Kindern von 1,8 % im Jahr 2015 auf 3,9 % im Jahr 2023 erhöht und so mehr als verdoppelt. Immer mehr Kinder in den Kindertageseinrichtungen in Nürnberg haben eine (drohende) Behinderung.

Abb. 2: Kindertageseinrichtungen mit Einzelintegration und integrative Kindertageseinrichtungen in Nürnberg, Betriebsjahre 2015, 2019 und 2023; Summe der Kitas mit Einzelintegration und der integrativen Kitas sowie Anteil an allen Kindertageseinrichtungen

Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien – Jugendamt; eigene Berechnungen.

Entsprechend des Anstiegs der Kinder mit (drohender) Behinderung stieg die Anzahl der integrativen Einrichtungen sowie der Einrichtungen, in denen Kinder im Rahmen einer Einzelintegration betreut werden (Abb. 2). Integrative Kindertageseinrichtungen werden von bis zu einem Drittel, mindestens aber von drei Kindern mit (drohender) Behinderung besucht. Ihre Zahl ist von 41 Einrichtungen im Jahr 2015 auf 73 im Jahr 2023 (+32) gestiegen. Die Anzahl der Einrichtungen mit Einzelintegration, d.h. mit regelhafter Betreuung von bis zu zwei Kindern mit (drohender) Behinderung, hat in diesem Zeitraum von 88 auf 144 Einrichtungen (+56) zugenommen (Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien – Jugendamt).

Der Anteil aller Einrichtungen in Nürnberg, die Kinder mit (drohender) Behinderung betreuen und in diesem Sinne integrativ arbeiten, lag 2015 bei 33 Prozent. Bis 2023 hat sich dieser Anteil auf 54 Prozent (+88 Einrichtungen) gesteigert. Damit betreuten mehr als die Hälfte aller 402 Kindertageseinrichtungen in Nürnberg Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung.

Blick in die Praxis: Erfahrungen zur Inklusion in der frühkindlichen Bildung

In der Online-Veranstaltung „BildungsDate“ am 28. November 2024 wurden die aktuellen Daten zur Inklusion in Kindertageseinrichtungen in den Blick genommen. Alice Götz und Sebahat Cankural, Leiterin und stellvertretende Leiterin des Familienzentrums und Kindergartens Vordere Bleiweißstraße 2, berichteten dazu über ihre vielfältigen Erfahrungen zur Inklusion im Kita-Alltag. Michaela Pohl, eine der Leiterinnen des Fachdienst Inklusion der Stadt Nürnberg, spiegelte ebenfalls ihre Erfahrungen aus der Arbeit mit den Kindertageseinrichtungen in Nürnberg.

Alice Götz und Sebahat Cankural berichteten auch für ihren Kindergarten von einer spürbaren Zunahme an Kindern mit (drohenden) Behinderungen und Entwicklungsauffälligkeiten. In der Einrichtung werden aktuell 75 Kinder betreut. Um den verschiedenen Bedarfen der Kinder nachzukommen, hat sich im Familienzentrum und Kindergarten ein breites Netzwerk an Unterstützungsstrukturen gebildet. Einen Tag in der Woche unterstützt eine Heilpädagogin vor Ort. Hinzu kommen Logopädie, Ergotherapie und die Frühförderung, welche ebenfalls in der Einrichtung mit den betreffenden Kindern stattfinden.

Aufgrund des gestiegenen Bedarfs von Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten in Kindertageseinrichtungen hat die Stadt Nürnberg im Jahr 2020 den Fachdienst Inklusion eingerichtet. Michaela Pohl erklärte, dass es darum ginge, die Einrichtungen und die Eltern zu unterstützen, um zu verhindern, dass Kindern der Besuch der Kindertageseinrichtung verwehrt wird. In der Regel meldeten sich die Kitas, wenn sie Schwierigkeiten im Umgang mit sozial-emotional auffälligen Kindern feststellten und nicht mehr weiterkämen. Der Fachdienst betreute in den Jahren 2020 bis 2023 rund 40 Kinder. Die Begleitung der Einrichtungen und Familien sei sehr zeitintensiv und dauere mehrere Monate.

Positive Grundhaltung zum Thema Inklusion

Für eine integrative Arbeitsweise komme es aus Sicht von Alice Götz und Sebahat Cankural in erster Linie auf eine positive Grundhaltung zum Thema Inklusion an. Dies bedeute, jeden Menschen in der Einrichtung willkommen zu heißen, auf Augenhöhe zu begegnen und zu respektieren. Sebahat Cankural, die angehende Inklusionsfachkraft im Kindergarten ist, schilderte, dass Inklusion eine fortwährende Anpassung des Kita-Alltags bedeute. Konkret heißt dies z.B. Räumlichkeiten umzugestalten, geeignetes Fördermaterial zu beschaffen, sich fortzubilden und viel Austausch und Reflexion mit allen Beteiligten des Teams und externen Fachkräften und Institutionen zu betreiben. Durch das angelagerte Familienzentrum ergeben sich für das Thema Inklusion weitere Spielräume, erklärte Alice Götz. Sie führte einen höheren Anstellungsschlüssel und mehr zusätzliche Unterstützung an, auf die zurückgegriffen werden könne. Für eine integrative Arbeitsweise brauche es neben der Haltung vor allem mehr Zeit, um der dahinterliegenden Organisation (z.B. von Testungen, externen Fachkräften, Elternberatungen) gerecht zu werden.

Aus Sicht von Michaela Pohl vom Fachdienst Inklusion sei es am wichtigsten, sich als Einrichtung auf die Bedürfnisse der Kinder einzustellen. Eine positive Grundhaltung zur Inklusion und ein stärkerer Wille, dass jedes Kind in den Einrichtungen gut zurechtkommt, sei mehr und mehr spürbar.

Michaela Pohl sieht ebenfalls, dass es mehr Ressourcen sowie auch Wertschätzung für die Arbeit in den Einrichtungen brauche. Es gebe gute Ansätze, aber das Ziel der Inklusion in der frühkindlichen Bildung sei noch nicht überall erreicht. Inklusion müsse dazu aus ihrer Sicht vor allem stärker in der Ausbildung verankert werden und entsprechende Fortbildungen, insbesondere für Quereinsteiger/-innen, ermöglicht werden. Die Teams in den Kindertageseinrichtungen brauchten zudem genügend Zeit, um sich weiterentwickeln und dem Anspruch auf Inklusion bedarfsgerecht nachkommen zu können.


Weitere Informationen zum Thema „Inklusion in der frühkindlichen Bildung“ finden Sie im Bericht „Inklusion in der frühkindlichen Bildung“.


Titelbild: © AdobeStock, 63615993.

Seelische Gesundheit zugewanderter Frauen erforscht

Seelische Gesundheit zugewanderter Frauen erforscht

Nach rund acht Monaten präsentierten die Mitforschenden im Projekt Nürnberg forscht im Oktober 2024 die Ergebnisse ihrer Citizen-Science-Studie „Seelische Gesundheit von zugewanderten Frauen in Nürnberg“.

Das Projekt Nürnberg forscht beteiligt Stadtbewohner*innen mit Zuwanderungsgeschichte an der Forschung über das Integrationsgeschehen in Nürnberg. In der Rolle als (ehrenamtliche) Wissenschaftlerìnnen untersuchen sie zum Teil selbst gestellte Fragestellungen und bringen ihre Lebens- und Zuwanderungserfahrungen in den gesamten Forschungsprozess mit ein. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen die Perspektiven Zugewanderter sichtbar machen, Vorurteile abbauen, Anregungen für die städtische Integrationspolitik geben und zu einer offenen sowie akzeptierenden Zuwanderungsgesellschaft beitragen.

Im Zeitraum von Februar bis Oktober untersuchten 18 Frauen unterschiedlicher Herkunft und Altersgruppen, welche Faktoren die seelische Gesundheit von zugewanderten Frauen beeinflussen, welche Bewältigungsstrategien sie nutzen und welche lokalen Gesundheitsangebote dabei relevant sind. Dabei arbeiteten sie mit qualitativen Methoden aus den Sozialwissenschaften wie Community-Mapping, Fokusgruppen und Expert*innen-Interview. Die Ergebnisse wurden qualitativ ausgewertet und praxisnahe Empfehlungen für kommunale Akteure abgeleitet.

Die an der Forschung beteiligten Frauen erläutern die wichtigsten Ergebnisse – zusammengefasst in einem übersichtlichen Schaubild, das während der Nürnberger Woche der seelischen Gesundheit in der Stadtbibliothek und im Caritas-Pirckheimer-Haus ausgestellt war.

Wesentliche Ergebnisse

Einflussfaktoren
Aus den Schilderungen der Frauen geht hervor, dass die seelische Gesundheit von Migrationserfahrungen, Integrationsschwierigkeiten und der Rolle der Frau im Familienleben stark beeinflusst wurde. Gerade integrationsbedingte Faktoren wie Sprachbarrieren, Diskriminierung und fehlende Anerkennung ihrer Qualifikationen können oft zu Stress und Isolation führen.

Bewältigungsstrategien
Um seelischen Stress zu bewältigen, nutzen die befragten Frauen sowohl problemorientierte Ansätze wie Informationsbeschaffung und soziale Unterstützung sowie emotionsorientierte Strategien wie aktives Verarbeiten und körperliche Aktivitäten. Soziale Treffpunkte wie migrantische Vereine oder Frauentreffen bieten nicht nur wichtige Informationen, sondern auch emotionale Unterstützung. Meist ist es eine Kombination verschiedener konstruktiver Strategien zur Stressbewältigung, die eine selbstermächtigende Wirkung haben und die seelische Gesundheit positiv beeinflussen.

Besondere Rolle des Ehrenamts
Ehrenamtliches Engagement wird als wertvolle Ressource für Stressbewältigung und seelisches Wohlbefinden gesehen. Es stärkt das Selbstvertrauen, ermöglicht soziale Vernetzung und vermittelt den Frauen neben neuen Kompetenzen auch ein Gefühl von Sinn und Zugehörigkeit. Beispiele für genannte ehrenamtliche Tätigkeiten sind Sprachmittlung, Begleitung zu Terminen sowie die Organisation von Frauentreffen. Das Ehrenamt erlaubt es den Frauen, ihre eigenen Erfahrungen zu nutzen, um anderen zu helfen und gleichzeitig ihre eigene Integration zu fördern.

Orte der Gesundheit
Die befragten Frauen bevorzugen Angebote in der Nähe ihres Wohnorts, z.B. sportliche Aktivitäten wie Schwimmen, Fahrradfahren und Yoga. Besonders migrantisch geführte Vereine oder interkulturelle Angebote in den städtischen Kulturläden, die Vertrauen schaffen und muttersprachliche Unterstützung bieten, sind zentrale Anlaufstellen.

Empfehlungen
Es besteht ein großer Bedarf an kultursensiblen, niedrigschwelligen und wohnortnahen Gesundheitsangeboten, die besser auf die Bedürfnisse von Frauen mit Zuwanderungsgeschichte zugeschnitten sind.

Besonders wichtig sind dabei flexible Angebotszeiten, da viele Frauen durch familiäre Verpflichtungen vor allem nachmittags eingeschränkt sind. Zum Beispiel könnten Abend- oder Wochenendkurse die Teilnahme erleichtern. Schließlich sollte auch eine bessere Abstimmung zwischen Vereinen und öffentlichen Institutionen erfolgen, um Überschneidungen in der Programmplanung zu vermeiden und ganzheitliche, koordinierte Angebote anzubieten.

Eine angebotene Kinderbetreuung, z.B. bei Sprach- und Gesundheitskursen oder Frauentreffen, wurde mehrfach als Voraussetzung für eine bessere Teilhabe genannt. Auch besteht der Wunsch nach speziellen Schwimm- oder Fahrradkursen für Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, die in geschützten Räumen stattfinden, wie etwa Frauenbadetage. Diese Kurse fördern sowohl die physische als auch die seelische Gesundheit und bieten gleichzeitig Raum für soziale Interaktion.

Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Vereinen von großer Bedeutung, da sie das Vertrauen der Zielgruppe genießen und kultursensible Angebote besser gestalten können. Ehrenamtliches Engagement sollte aufgrund seiner positiven Wirkungsweise ebenso gefördert werden wie Workshops zur mentalen Gesundheit, z.B. Stressbewältigung oder Achtsamkeit, um den besonderen Herausforderungen dieser Zielgruppe gerecht zu werden. Der Einsatz von interkulturellen Gesundheitslotsinnen könnte helfen, die Kluft zwischen Frauen mit Zuwanderungsgeschichte und dem Gesundheitssystem zu überbrücken.


Als gemeinsame Initiative des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg und der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus wird das Projekt „Nürnberg forscht – Bürgerwissenschaften in der vielfältigen Stadtgesellschaft“ von 2023 bis 2025 von der Europäischen Union kofinanziert.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

Projektseite „Nürnberg forscht“

Ergebnisbericht


Titelbild und Beitragsbild: © Stadt Nürnberg, Bildungsbüro.

Politische Bildung in Nürnberg im Fokus – DoKuPäd und laut!

Politische Bildung in Nürnberg im Fokus – DoKuPäd und laut!

Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Spaltungs- und politischer Radikalisierungstendenzen kommt der politischen Bildung eine hohe Bedeutung zu. Die Geschichte der Stadt Nürnberg, als Stadt der Reichsparteitage während des Nationalsozialismus, aber auch das aktuelle Verständnis als Stadt des Friedens und der Menschenrechte schaffen passende Bezüge für historische und politische Bildung in Nürnberg.

In der Online-Veranstaltung „BildungsDate“ am 21.10.2024 wurden zwei Beispiele etablierter Praxis der politischen Bildung in Nürnberg vorgestellt. Dr. Anja Prölß-Kammerer leitet mit DoKuPäd („Pädagogik rund um das Dokumentationszentrum“) eine der wichtigsten Einrichtungen der historisch-politischen Bildung. Yasmin Lemmermeier vertritt vonseiten des Jugendamts das Projekt laut!, das über die Jahre immer wieder neue Möglichkeiten der Jugendbeteiligung in der Stadtpolitik und -öffentlichkeit entwickelt hat. Sowohl DoKuPäd als auch laut! richten sich an junge Menschen, verfolgen in ihren Arbeitsweisen jedoch unterschiedliche Ansätze.

DoKuPäd – Historisch-politische Bildungsangebote speziell für junge Menschen

Als Einrichtung des Kreisjugendrings Nürnberg-Stadt macht DoKuPäd historisch-politische Bildungsangebote. Das Reichsparteitagsgelände und das Dokumentationszentrum dienen dabei als Grundlage und Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit. Zudem spielt der Gegenwartsbezug eine herausgehobene Rolle, wie sich z.B. an Workshops zum Thema Fake News zeigt. Die Zahl der Gesamtteilnahmen hat sich von 2003 bis 2023 mehr als verdoppelt (Abb. 1). Ein deutlicher Einbruch zeigte sich in den Jahren 2020 und 2021. Das Corona-Loch sei inzwischen aber im Wesentlichen überwunden, so Prölß-Kammerer.  Wichtig sei es, dass Schülerinnen und Schüler aller Schularten mit dem Angebot erreicht werden. Dies zeigt ein Blick in die Statistik: Mit 29,7 Prozent ist ein größerer Teil der Teilnehmenden an Haupt- und Mittelschulen als an Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen.

Abb. 1: Teilnehmende an Veranstaltungen politischer Bildung von DoKuPäd, 2003 bis 2023

Quelle: Kreisjugendring Nürnberg-Stadt; DoKuPäd.

Partizipationsmodell „laut!“ – Diskurs und Beteiligung für Jugendliche

Das Partizipationsmodell „laut!“ (Jugendamt Nürnberg, KJR Nürnberg-Stadt, Medienzentrum Parabol) bietet Diskursplattformen und Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche im kommunalpolitischen Kontext. Seit 2012 werden in diesem Rahmen immer neue Dialog- und Engagement-Formate entwickelt und erprobt, wie beispielsweise die stadtweite Jugendversammlung laut! Forum Live, bei der junge Menschen aus ganz Nürnberg mit dem Oberbürgermeister über ihre Anliegen und Ideen für die Stadt diskutieren. Durch die unterschiedlichen Formate, persönlichen Kontakte und vielfältigen Methoden wir den Jugendlichen mehr Mitsprache ermöglicht, so Lemmermeier. Auch laut! kann sich über steigende Teilnahmezahlen in den letzten Jahren freuen (Abb. 2). Während Corona gab es in erster Linie Sonderformate, wie die Corona-Impfkampagne, Politik-Talks, die live gestreamt wurden oder das gestreamte laut! Forum live. Wegen den Kontaktbeschränkungen fanden viel Einzeltermine statt.

Abb. 2: Teilnehmende an Veranstaltungen und Maßnahmen von laut!, 2015 bis 2023

Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, Projekt laut!
Anmerkungen: laut! Vor Ort: Forum 2016 auf 2017 verschoben, seitdem neuer Turnus; Corona-bedingte Auswirkungen: 2020 hybrid, 2021 hybrid und 14 Tage Stream aktiv; Sonstige Veranstaltungen und Maßnahmen: 2021 und 2022 inkl. laut! Forum live

Herausforderungen in der politischen Bildung

Seit der Pandemie habe sich einiges verändert, wie Frau Dr. Prölß-Kammerer und Frau Lemmermeier  betonten. Streaming- und Onlineformate, wie sie damals oft notgedrungen entwickelt wurden, werden nicht mehr nachgefragt. Gleichzeitig macht sich politische Polarisierung in der Arbeit mit den jungen Menschen immer stärker bemerkbar – beispielsweise in Form von verschwörungstheoretischen Aussagen. Dem versuchen beide mit neuen Angeboten zu begegnen, teils in Kooperation.

Dazu gehören zum Beispiel Workshops zu Fake News sowie zum Thema Games & Rechtsextremismus. Beim Workshop „Lernort Rathaus“ wird Jugendlichen das Rathaus und der Stadtrat durch eine Führung sowie durch Videos nahegebracht. Darauf aufbauend sind die Gruppen angehalten, eigene Ideen zur Verbesserung ihres Lebens in Nürnberg zu entwickeln und zu diskutieren. Für die Umsetzung ist eine Förderung im Rahmen von „laut!cash“ bis zu 400€ möglich.

Angesichts des Drucks, unter dem die Demokratie zunehmend stehe, beschwerten sich beide Diskussionsteilnehmerinnen nicht über zu geringe Aufmerksamkeit für die politische Jugendbildung. Beide freuen sich über den hohen Stellenwert der politischen Bildung in Nürnberg. Prölß-Kammerer gab jedoch zu bedenken, dass es sich hier um eine Aufgabe handele, die dauerhaft zu leisten und zu fördern sei.


Titelbild: © Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, Projekt laut!

Werkstattgespräch „Politische Bildung & KI“ mit Isa Jahnke

Werkstattgespräch „Politische Bildung & KI“ mit Isa Jahnke

Prof. Dr. Isa Jahnke ist Gründungsvizepräsidentin für Studium, Lehre und Internationales und Professorin für Information Science and Learning Technologies an der Technischen Universität Nürnberg. Sie diskutiert bei der 15. Nürnberger Bildungskonferenz mit Dr. Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank und Martin Fehrensen, Gründer des Social Media Watchblogs, über politische Bildung in der digitalisierten Gesellschaft.

Auf dem Podium der Bildungskonferenz vertritt Jahnke die am 1. Januar 2021 gegründete University of Technology in Nuremberg (UTN). Mit der UTN hat es die erste Neugründung einer staatlichen Universität in Bayern seit 1978 gegeben. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Universität und das entwickelte Studienkonzept von anderen Hochschuleinrichtungen. Einen besonderen Modellcharakter erhält die neue Bildungsinstitution unter anderem durch ihre intensive interdisziplinäre Ausrichtung. Nach internationalem Vorbild wurden an der UTN anstelle von Fakultäten zunächst zwei Seed-Departments eingerichtet. Sie bilden unterschiedliche Forschungsfelder ab und stehen in enger Verbindung, um technologische, naturwissenschaftliche, geistes- und sozialwissenschaftliche Themen fächerübergreifend zu untersuchen. Die digitale Transformation wird in Lehre und Forschung im Hinblick auf gesellschaftliche Zukunftsfragen ganzheitlich betrachtet.

Jahnke nimmt als Gründungsvizepräsidentin und Professorin für Learning Technologies entscheidende Rollen bei der Entwicklung der UTN ein. Als interdisziplinäre Forscherin im Bereich Educational Technology liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf der Entwicklung und Erforschung von digitalen Lernumgebungen und der Integration von Technologie in den Bildungsprozess. Sie war u.a. in den USA als Professorin und Direktorin des Information Experience Labs an der University of Missouri (2015-2021) und in Schweden als Leiterin der Forschungsgruppe Interactive Media and Learning an der Umeå Universität (2011-2015) an vielen Forschungsarbeiten beteiligt. Zuvor war sie von 2008 bis 2011 Juniorprofessorin an der TU Dortmund.

Die Wissenschaftlerin hat das Konzept der „Digital Didactical Designs“ (DDD) entwickelt, das technologische, pädagogische und soziale Dimensionen integriert, um zu effektiven digitalen Lehr-Lernsettings und innovativen Lernumgebungen zu gelangen. An der UTN gestaltet sie einen kollaborativen und digital-aktivierenden Lernort, in dem Studierende individuell angepasste und damit effektive Lernerfahrungen sammeln können. Selbstgesteuertes Lernen wird angeregt, durch die Lehrenden begleitet, und durch entsprechende digitale Tools und Konzepte unterstützt. So wird auch der generativen künstlichen Intelligenz nicht nur in den Studieninhalten der UTN, sondern auch im Lernprozess eine wesentliche Rolle zugeschrieben.

Beim Werkstattgespräch der Bildungskonferenz liefert Prof. Dr. Isa Jahnke Ansätze, wie Digitalisierung und KI an der UTN in den Dienst der Bildung gestellt werden können. Digitalisierung zu verstehen und zu nutzen, um gesellschaftliche Themen innovativ zu bearbeiten, sind dabei wesentliche Ziele.


Titelbild: © Eye-D Fotodesign.