Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

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PISA 2022 – Studienergebnisse und Empfehlungen für die kommunale Bildungsarbeit

PISA 2022 – Studienergebnisse und Empfehlungen für die kommunale Bildungsarbeit

Die Bildungsforscherin Prof. Dr. Doris Lewalter von der TU München stellte bei der 27. Sitzung des Nürnberger Bildungsbeirats am 12. März 2023 in der Stadtbibliothek Nürnberg die wichtigsten Befunde der aktuellen PISA-Studie vor, welche aufgrund der gemessenen Kompetenzverschlechterungen derzeit für bildungspolitische Diskussionen sorgt. In ihrem Vortrag machte Lewalter deutlich, dass es sich bei PISA um keine lehrplanorientierte Studie handele. Vielmehr sollte untersucht werden, inwieweit die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, ihr Wissen aus verschiedenen Schulfächern auf neue alltagsbezogene Kontexte und Problemstellungen anzuwenden.

Deutliche Abnahme in den Kompetenzen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen bei den 15-Jährigen

Die schulischen Leistungen der 15-Jährigen in Deutschland sind in den Bereichen Mathematik und Lesen internationalen Kontext seit der vorherigen Studie 2018 vergleichsweise stark gesunken und befinden sich nun im OECD-Vergleich auf durchschnittlichem Niveau. In den Naturwissenschaften liegen die Kompetenzen der deutschen Schülerinnen und Schüler weiterhin über dem OECD-Durchschnitt.

Die mittlere mathematische Kompetenz lag bei den Jungen in Deutschland – und in fast allen anderen OECD-Staaten – höher als bei den Mädchen. Gleichzeitig erreichten Mädchen hierzulande und in fast allen teilnehmenden OECD-Ländern höhere Mittelwerte in der Lesekompetenz als Jungen. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede zeigen sich schon lange, so Lewalter.

Der Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler steigt

Mittels der PISA-Studie wird auch untersucht, inwieweit sich der Anteil sogenannter leistungsschwacher sowie leistungsstarker Schülerinnen und Schüler im Zeitvergleich verändert hat. Der Anteil der leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler ist in Deutschland im Vergleich zur PISA-Studie 2018 in den drei Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften seit 2018 merklich gestiegen und beträgt in Mathematik rund 30 Prozent, im Lesen rund 26 Prozent und in den Naturwissenschaften rund 23 Prozent. Für die betreffenden Schülerinnen und Schüler wird davon ausgegangen, dass weitere Bildungsabschnitte nicht mehr ohne Unterstützung erfolgreich absolviert werden können, so Lewalter. Vor allem der Anteil der Leistungsschwachen nahm an nicht-gymnasialen Schularten zu (+12 Prozent), wie Lewalter ausführte.

Gleichzeitig sank der Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler in der mathematischen Kompetenz und in der Lesekompetenz in Deutschland im Zeitvergleich – in Mathematik auf knapp neun Prozent und im Lesen auf knapp acht Prozent. Im naturwissenschaftlichen Bereich blieb der Anteil leistungsstarker Jugendlicher mit zehn Prozent in etwa gleich groß.

Instrumentelle Motivation im Kompetenzbereich Mathematik nimmt ab

„Es gibt nicht den einen Problempunkt“, merkte Lewalter an, und fasste im folgenden wesentliche Befunde im Bereich der mathematischen Kompetenz zusammen. So habe die instrumentelle Motivation („Ich sehe, dass es mal gebraucht wird“) für Mathematik fortlaufend abgenommen, viele Schüler/-innen empfänden im Vergleich zu früheren PISA-Studien weniger Freude und Interesse an Mathematik. Außerdem habe die Ängstlichkeit gegenüber dem Fach Mathematik zugenommen. Die Schülerinnen und Schüler fühlten sich deutlich weniger von den Lehrkräften unterstützt und sähen einen geringeren Lebensweltbezug, so die Bildungsforscherin.

In Deutschland gibt es bei den Jugendlichen nach wie vor große Ungleichheiten im Kompetenzbereich Mathematik aufgrund von zuwanderungsbezogener und sozialer Herkunft. Wie die PISA-Studie belegt, hängt die mathematische Kompetenz der 15-Jährigen hierzulande deutlich mit dem sozio-ökonomischen beruflichen Status der Eltern zusammen. Im Hinblick auf den Zuwanderungshintergrund weisen vor allem zugewanderte Jugendliche der ersten Generation im Durchschnitt deutlich niedrigere Kompetenzen in Mathematik auf als Jugendliche ohne Zuwanderungshintergrund (PISA 2022 Zusammenfassung, S. 24). Allerdings benannte Lewalter auch den Befund, dass die Leitungen Jugendlicher aus der zweiten Generation von Zuwandererfamilien weniger abgesunken seien als die von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Empfehlungen für die kommunale Bildungsarbeit

Wie kann es gelingen, dem deutlichen Rückgang in der Kompetenzentwicklung bei vielen Schülerinnen und Schüler entgegen zu wirken und bestehende Ungleichheiten zu verringern? Lewalter benannte hierbei eine bedarfsorientierte Ressourcenzuwendung als wichtige Maßnahme und hob eine systematische bedarfsorientierte Förderung von Sprach- und Lesekompetenz von der frühkindlichen Bildung bis hin zum Sekundarbereich hervor. Wichtig sei vor allem eine bedarfsorientierte Ressourcenzuwendung für Schulen, die viele Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien unterrichten. Als Beispiel wurde das geplante Startchancen-Programm benannt, welches gezielt Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler unterstützt und den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppeln soll. „Schulen in schwieriger Situation müssen so unterstützt werden, dass sie attraktive Orte für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler werden“, betonte Lewalter. Weiterhin müsse sich Unterricht und Lehre weiterentwickeln: „Unterricht, der vor 10 Jahren super war, ist es heute vielleicht nicht mehr.“ Digitale Medien könnten dabei helfen, Schülerinnen und Schüler auch differenziert zu unterstützen.

In der sich anschließenden Diskussion mit den anwesenden Mitgliedern des Bildungsbeirats wurde mehrfach die zentrale Rolle der Sprachbildung, insbesondere die Förderung der Sprachkompetenz bereits vor dem Schuleintritt genannt. Auch der non-formale Bildungsbereich könnte hier stärker einbezogen werden. Kooperationen mit außerschulischen Partnern könnten positive Bildungserlebnisse ermöglichen und so auch der nachlassenden Motivation entgegensteuern.


Quellen:

Lewalter, Doris [Hrsg.]; Diedrich, Jennifer [Hrsg.]; Goldhammer, Frank [Hrsg.]; Köller, Olaf [Hrsg.]; Reiss, Kristina [Hrsg.]: PISA 2022. Analyse der Bildungsergebnisse in Deutschland. Münster ; New York: Waxmann 2023.

Bundesministerium für Bildung und Forschung, Pressemitteilung vom 5.12.2023,84/2023, PISA 2022-Ergebnisse vorgestellt, online abrufbar unter: www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/2023/12/051223-PISA.html

Bundesministerium für Bildung und Forschung, Startchancen-Programm, online abrufbar unter: www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/startchancen/startchancen-programm.html


Bildnachweis: © Rudi Ott.

Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Städtischen und Staatlichen Wirtschaftsschule in Nürnberg

Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Städtischen und Staatlichen Wirtschaftsschule in Nürnberg

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist an allen Schularten ein Thema. So auch an den Wirtschaftsschulen. Das sind in Bayern berufliche Schulen, die neben Allgemeinbildung eine berufliche Grundbildung aus dem Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung vermitteln. In Nürnberg gibt es neben einer privaten Wirtschaftsschule eine öffentliche Wirtschaftsschule. Sie wird in Trägerschaft durch die Stadt Nürnberg geführt, einige staatliche Klassen sind dort angeschlossen. Im Schuljahr 2023/24 besuchen 670 Schülerinnen und Schüler 29 Klassen (Quelle: Wirtschaftsschule Nürnberg).

Die Städtische und Staatliche Wirtschaftsschule in Nürnberg beschäftigt sich seit einiger Zeit intensiver mit dem Thema BNE* und zählt nun zu den Modellschulen in diesem Bereich in Bayern. Wir sprachen mit der Schulleiterin, Uschi Trappe-Ruff, dem stellvertretenden Schulleiter, Christian Traub, sowie der für BNE verantwortlichen Lehrkraft, Theresa Hühnlein, und berichten im Folgenden über konkrete Projekte und die Rolle von BNE in der Schulentwicklung.

Wie die Wirtschaftsschule Modellschule für Bildung und nachhaltige Entwicklung wurde

Im Lehrerkollegium der Schule wurde vor einigen Jahren festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler immer weniger Bezug zur Natur zeigten. Einige engagierte Lehrkräfte planten im Rahmen des Projekts „Campus-N“ der Stiftung Bildungspakt Bayern daher mit  einer Ganztagsklasse der 8. Jahrgangsstufe Hochbeete auf dem Schulgelände und bepflanzten sie mit Obstbäumen und Gemüsepflanzen. Das Projekt wurde von der Schulfamilie so gut angenommen, dass durch eine Kooperation mit dem Bildungsprogramm GemüseAckerdemie von Acker e.V. und mithilfe einer Förderung durch die AOK Gesundheitskasse ein Schulgarten eingerichtet werden konnte. Das Gärtnern erreichte die breitere Schülerschaft, sorgte für Spaß und (teilweise erste) Naturerfahrungen.

Um sich langfristig in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln, bewarb sich die Wirtschaftsschule in der Folge als Modellschule für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Projekt „Innolab-N“ der Stiftung Bildungspakt Bayern. Aus dem Kreis der Lehrkräfte fand sich dafür in kurzer Zeit ein engagiertes Team zusammen. Auch das Amt für Berufliche Schulen in Nürnberg befürwortete die Teilnahme am Schulversuch. Seit dem Schuljahr 2022/23 nimmt die Wirtschaftsschule als eine von zwölf Schulen in Bayern an dem auf drei Jahre ausgelegten Modellversuch teil und erhält z.B. Anrechnungsstunden und Fortbildungen für die Lehrkräfte. Die Schulleiterin Uschi Trappe-Ruff hält dies für den Weg in die richtige Richtung: „Das Thema Nachhaltigkeit ist einfach zu wichtig, als dass man es nicht angeht. Wir müssen es in die Schülerschaft hineinbringen, weil junge Menschen etwas verändern können“.

Wie Aktivitäten und Projekte im Rahmen des Modellversuchs entstehen und umgesetzt werden

Die befragten Lehrkräfte der Wirtschaftsschule schilderten verschiedene an der Schule verfolgte BNE-Aktivitäten. Die Ideen dafür stammen aus der Lehrerschaft, der Schülerschaft und aus dem Austausch mit anderen Modellschulen. Auch außerschulische Kooperationspartner z.B. aus der Sozialwirtschaft sind beteiligt. In einem Projekt mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) etwa engagieren sich Jugendliche der 9. Jahrgangsstufe für ältere Menschen aus einem Seniorenheim, indem sie ihnen beim Umgang mit dem Smartphone helfen. Gleichzeitig wird versucht, im Unterricht und im Schulalltag das Thema des respektvollen und nachhaltigen Umgangs mit Mensch und Natur einfließen zu lassen, etwa durch einen Besuch auf einem Bauernhof.

Die Mitarbeit von Schülerinnen und Schülern in der Schulcaféteria sorgt dafür, dass sie stärker für ihren Konsum sensibilisiert werden. Gleichzeitig ergeben sich daraus Impulse für Veränderungen in Richtung ökologischer, ökonomischer oder sozialer Nachhaltigkeit. Zur Einstimmung auf die Weihnachtszeit entwickelten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise unter Beteiligung von Personen aus Politik und Wirtschaft einen digitalen Adventskalender, der auch Bezug auf die 17 Sustainability Development Goals (SDGs) nahm. Sie haben dafür Inhalte u.a. zum Thema nachhaltiger Kleidungskonsum erarbeitet und sind auf die Spendenaktion „Weihnachten im Schuhkarton“ des Samaritans’s Purse e.V. eingegangen. Für die Umsetzung von BNE kommt es aus Sicht der Lehrkräfte vor allem darauf an, das Interesse der jungen Menschen zu wecken. So berichtet Theresa Hühnlein: „Wenn Interesse bei den Schülerinnen und Schülern besteht, dann kriegt man sie automatisch dazu [mitzumachen]. Also da muss man nicht sagen, »wir bilden jetzt ein extra Projekt«“.

Wie ein ganzheitlicher Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit gelebt wird

Abgesehen von Aktivitäten und Lerngelegenheiten spielt bei der BNE das Vorleben der verschiedenen Prinzipien in den unterschiedlichsten Bereichen einer Institution eine große Rolle. Im Bereich der Schulen hat sich hier der Begriff des Whole school approach etabliert. Der Impuls, sich verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, bezog sich an der Wirtschaftsschule zunächst auf den Bereich der Umweltbildung. In der Zwischenzeit, und insbesondere mit dem Antrag als Modellschule, werden die wirtschaftliche und die soziale Dimension ebenfalls berücksichtigt. Man versucht eine ganzheitliche Umsetzung durch unterschiedliche Aktivitäten in möglichst allen Fächern und den Einbezug der gesamten Schulfamilie zu erreichen. Hierfür unterstützend wurde für das gesamte Kollegium ein pädagogischer Tag zur thematischen Qualifizierung für BNE mit einer externen Referentin durchgeführt.

Lehrkräfte der Wirtschaftsschule setzen sich im Rahmen des pädagogischen Tages mit den SDGs auseinander.

Die Partizipation aller Beteiligten spielt bei BNE insgesamt eine große Rolle. An der Schule gibt es daher zum Beispiel einen Mensa-Rat, in dem die Schülerschaft, die Eltern und die Lehrkräfte das Angebot der Mensa evaluieren und Veränderungsmöglichkeiten anregen, wie die Verwendung von mehr saisonalen, regionalen Produkten. Hier werden auch wirtschaftliche und soziale Punkte, wie etwa die Bezahlbarkeit, berücksichtigt. Für die Schülerinnen und Schüler besteht daneben noch die Mitwirkung in der Schülermitverantwortung (SMV) vor allem in den 8. und 9. Jahrgangsstufen.

Verändertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Schülerschaft

Aus Sicht der beteiligten Lehrkräfte erleben die Schülerinnen und Schüler durch ihr eigenes Tun wie z.B. gärtnern, eigenes Brot backen und anderen Menschen helfen, dass sie etwas bewirken können. So berichtet Christian Traub, Fachlehrkraft für Betriebswirtschaftliche Steuerung und Kontrolle (BSK), im Interview: „Wir [Anm.: die Lehrkräfte] waren am Mittwoch eingeladen und haben eine selbstgemachte Kürbissuppe bekommen. Das machte die Schülerinnen und Schüler wahnsinnig stolz“.

Verkostung von selbst angebautem Gemüse und Kräutern beim Erntefest 2023

An verschiedenen Stellen bemerken die interviewten Lehrkräfte außerdem, dass die Schülerinnen und Schüler stärker über das Thema Nachhaltigkeit nachdenken und das Interesse daran gestiegen ist. Im Unterrichtsfach BSK werden zum Beispiel bei Übungen zum Einholen von Angeboten und Dienstleistungen explizit Gütesiegel, die auf Nachhaltigkeit schließen lassen, angefragt. Im Geografieunterricht interessieren sich Schülerinnen und Schüler besonders dafür, wo und unter welchen Bedingungen die für sie wichtigen Konsumgüter, z.B. Jeans, produziert werden. Dennoch begreift Theresa Hühnlein den Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Leben der Schülerinnen und Schüler eher als langfristige Entwicklung: „Ich glaube, man kann nicht einfach von einer Sekunde auf die nächste sagen: »Ich ändere jetzt meinen Charakter und ich ändere meine Handlungsweisen«. In manchen Punkten bestimmt, aber das dauert, glaube ich, auch einfach eine gewisse Zeit.“

Wie das Thema Nachhaltigkeit im Regelschulbetrieb auch ohne Modellschulförderung verankert werden kann

In den Lehrplänen nimmt das Thema BNE nach und nach mehr Raum ein. Aktuell werden die Lehrpläne überarbeitet und von Seiten der Wirtschaftsschule wurde angeregt, dass ein Augenmerk darauf gelegt wird. Wenn BNE in den Curricula strukturell verankert wäre, könnte man es aus Sicht der Schule grundsätzlich leichter umsetzen. Dazu meint Uschi Trappe-Ruff: „BNE muss in den Unterricht implementiert werden. Das ist das Ziel, dass das alltäglich wird“. Aus Sicht der Lehrkräfte versucht man wegzukommen von dem Projektgedanken und BNE scheinbar beiläufig Teil des gesamten Unterrichts- und Schulalltags werden zu lassen, damit nachhaltiges Denken und Handeln wirklich verinnerlicht wird. Im Kollegium gab es beispielsweise bedingt durch den pädagogischen Tag das Bestreben, dass nicht nur das BNE-Team zuständig ist, sondern das Thema im Kollegium breiter gestreut wird. BNE wird als Teil der Schulentwicklung gesehen.

Die Lehrkräfte benennen vor allem den Austausch mit anderen Schulen als sehr wertvoll für die Sammlung erster Ideen zur Umsetzung. Beispielsweise mit den Schulen des Netzwerks „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, da es auch ein Teilaspekt von BNE ist. An anderen Schulen gibt es ebenfalls BNE-Aktivitäten, die man nicht immer mitbekommt. Dabei gibt es auch sehr niedrigschwellige Möglichkeiten, BNE umzusetzen. So kann man beispielsweise im Rahmen des Deutschunterrichts eine Reportage zu einem BNE-Thema wie der Mülltrennung lesen und analysieren. Die Umsetzung von BNE geht so auch ohne viel Aufwand oder Kosten. Theresa Hühnlein kann daher nur ermuntern: „Einfach Mut haben und ausprobieren. Es muss nicht immer gleich perfekt sein.“


* Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) befähigt Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen. Menschen und Staaten sollen sich nach dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung so weiterentwickeln, dass ein Leben in Frieden und ein dauerhaft tragfähiges Ökosystem ermöglicht wird. (Quelle: BNE-Portal)


Bildnachweis:

Titelbild (Blick in den entstandenen Schulgarten der Wirtschaftsschule) und Beitragsbilder: © Wirtschaftsschule Nürnberg.

Der Deutschspracherwerb für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen in Nürnberg muss systematisch gefördert werden

Der Deutschspracherwerb für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen in Nürnberg muss systematisch gefördert werden

Im Rahmen des Kommunalen Programms Deutschspracherwerb führte das Bildungsbüro auf eine Anfrage des Stadtrats eine Praxisforschung durch (Veröffentlichung siehe Kommission für Integration vom 07.12.2023). Gefragt war, wie es in der Stadt Nürnberg um die Bedarfssituation und das Angebot an Deutschkursen für Zugewanderte mit Beeinträchtigungen steht.

Mit einem Methodenmix aus quantitativen (Sekundär-)Analysen, (Online-)Befragungen und qualitativen Interviews wurde die aktuelle Situation beleuchtet. Der Dank gilt allen Partnerinnen und Partnern aus den verschiedenen Bereichen, die die Praxisforschung mit ihrer Expertise bereichert haben: Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung, Fachkräfte von Sprachkursträgern und Vereinen, Anbietern von Sprachlernangeboten sowie Beratende im Kontext Flucht, Integration und Migration.

Die Untersuchung bestätigte die allgemeine Studienlage in Deutschland: Auch in Nürnberg sind zugewanderte Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen aus Drittstaaten aber auch aus der EU „unsichtbar“ und werden im Bereich der Sprachlernangebote nicht systematisch berücksichtigt. Um ihre gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern und damit auch den Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention nachzukommen, muss das Angebot deutlich ausgebaut werden. Dabei kann zum einen an bestehenden Sprachangeboten angesetzt werden, zum anderen müssen neue Formate entwickelt werden. Wichtig ist es zudem, die Schnittstelle zwischen „Spracherwerb“ und „Inklusion“ stärker auszuleuchten und die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppe zu sensibilisieren.

Inklusive Teilnahme von Menschen mit Beeinträchtigung ermöglichen

In Nürnberg sind zugewanderte Menschen mit Beeinträchtigungen nur in Einzelfällen in regelhaften Sprachlernangeboten vertreten und finden meist kein geeignetes Sprachkursangebot vor. Notwendig ist deswegen zum einen die gezielte Unterstützung von Menschen mit (zum Beispiel Sinnes- oder Mobilitäts-) Behinderungen, damit sie an bestehenden Sprachkursen teilnehmen könnten. Dies kann beispielsweise die Bereitstellung von notwendigen technischen Hilfsmitteln oder eine dauerhafte Begleitung durch eine Kursassistenz sein. Um mehr inklusive Teilnahmen an bestehenden Sprachkursen zu ermöglichen, sind aber vor allem Mut und kreative Lösungen gefragt.

Spezielles Kursangebot für Menschen mit Sprachlernbarrieren bereitstellen

Außerdem müssen spezielle passgenaue Sprachkursangebote für Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen etabliert werden, zum Beispiel mit kognitiven Behinderungen oder Lernbeeinträchtigungen, für Lernentwöhnte sowie insbesondere auch für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, beispielsweise posttraumatischen Belastungsstörungen und/oder Depressionen. Diese Sprachkursangebote müssen ein geeignetes Lernsetting bieten: Beispielsweise eine Lehrkraft mit der Doppelqualifikation für „Deutsch als Zweitsprache“ und Sonderpädagogik, eine angepasste Methodik, ein langsames Lerntempo, eine sozial- oder heilpädagogische Begleitung im Kurs, ein niedrigschwellig erreichbarer Kursort oder eine niedrige Teilnehmendenzahl. Die Inhalte müssen sich an lebensweltlich relevanten Themen orientieren. Dabei sind für diese Zielgruppe die Gesundheitsbildung bzw. Psychoedukation besonders relevant, um ihre Chancen auf eine korrekte Diagnosestellung, Behandlung oder Therapie zu steigern.

Wichtig ist zudem die Schaffung von Transparenz über das Angebot und den Bedarf an der Schnittstelle von „Spracherwerb“ und „Inklusion“ sowohl für die Zielgruppe als auch für alle beratenden bzw. unterstützenden Personen.

Multiplikatorinnen und Lehrkräfte sensibilisieren

Mitarbeitende und Lehrpersonal der Sprachkursträger haben im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit oft kaum Erfahrung im direkten Kontakt mit beeinträchtigten Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und damit keine Kenntnis über den grundsätzlichen Bedarf sowie notwendige und machbare Anpassungsmaßnahmen zur Kursdurchführung. 

Damit inklusives Denken und Handeln im Bereich des Deutschspracherwerbs systematisch verankert werden kann, braucht es Maßnahmen zur Sensibilisierung der Akteure. Für den Kompetenz- und Erfahrungsaufbau müssen Fortbildungsangebote für Lehrpersonal zu besonderen Bedarfen von Menschen mit unterschiedlichen Arten von Beeinträchtigungen und Behinderungen beim Sprachenlernen in Nürnberg etabliert und bestehende Weiterbildungsmöglichkeiten (zum Beispiel des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge) beworben werden.

Austausch an der Schnittstelle Inklusion & Spracherwerb ermöglichen

Für einen Austausch der Akteure an der Schnittstelle zwischen „Spracherwerb“ und „Inklusion“ lädt das Bildungsbüro im Rahmen des Kommunalen Programms Deutschspracherwerb und des Förderprogramms Bildungskommune zu einem Fachtag ein. Unter dem Motto „Wie kann Integration inklusiver werden und wie kann Inklusion integrativer werden?“ sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus beiden Bereichen herzlich eingeladen sich kennenzulernen, zu informieren und ihre Expertise auszutauschen. Der Fachtag findet am 12. März 2024 im Caritas-Pirckheimer-Haus statt. Am Vormittag wird Jessica Schröder, Handicap International, in ihrem Fachvortrag die Bedarfe geflüchteter Menschen mit Behinderung in den Blick nehmen und Saskia Rieger, Bildungsbüro, die Ergebnisse der Praxisforschung vorstellen. Am Nachmittag ist ein intensiver Austausch der Teilnehmenden geplant. Die Anmeldung ist unter diesem Link möglich.

Nach dem Fachtag plant das Bildungsbüro, gemeinsam mit verschiedenen verwaltungsinternen und -externen Partnern, neue Kursformate sowie die inklusive Teilnahme an bestehenden Angeboten zu erproben. Anhand dieser Erfahrungen werden Gelingensbedingungen festgehalten, die bestenfalls in den Regelangeboten berücksichtigt werden.


Bildnachweis: © Giulia Iannicelli/Stadt Nürnberg

Ganztagsbildung und Betreuung von Kindern im Grundschulalter in Nürnberg

Ganztagsbildung und Betreuung von Kindern im Grundschulalter in Nürnberg

Der Ausbau von Angeboten der Ganztagsförderung stellt eine der größten bildungspolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte dar. Für Kinder im Grundschulalter gilt ab dem Jahr 2026 der bundesweite Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung. Ab dem Schuljahr 2026/2027 haben damit alle Kinder der ersten Klassen einen Anspruch auf einen Ganztagsplatz. In den Folgejahren findet ein schrittweiser Ausbau um je eine Klassenstufe statt. In Nürnberg gibt es bedingt durch die demografische Entwicklung eine steigende Anzahl an Schulkindern, was den quantitativen Bedarf an Ganztagsplätzen zusätzlich erhöht.

In Nürnberg entwickelten sich die Zahlen der gebundenen Ganztagsklassen und offenen Ganztagsgruppen an den verschiedenen Schularten über die Jahre unterschiedlich. So hat sich beispielsweise die Anzahl der gebundenen Ganztagsklassen und offenen Ganztagsgruppen an öffentlichen Grundschulen Nürnberg zwischen 2015/16 und 2022/23 nahezu verdreifacht (Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Allgemeinbildende Schulen, Referat für Schule und Sport).

Ganztägige Bildung, Betreuung und Erziehung im Grundschulalter: Nürnberger Weg

In der Online-Veranstaltung „BildungsDate“ am 29.11.2023 gingen Eva Hesse vom Referat für Schule und Sport und Thomas Etterer vom Amt für Kinder, Jugendliche und Familien auf die Entwicklungen der letzten Jahre im Bereich der Ganztagsbildung und Ganztagsbetreuung in Nürnberg ein. Wie Thomas Etterer berichtete, liege die Versorgung mit Ganztagsplätzen in Nürnberg zusammen mit Angeboten von Horteinrichtungen und Mittagsbetreuungen aktuell bei 71 %. Etwa 11.900 von 16.800 Kindern in Nürnberg seien somit mit einem ganztägigen Angebot versorgt (Tab. 1).


Tab. 1: Ganztagsplätze an öffentlichen Grundschulen in Nürnberg, Schuljahr 2022/23

Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, Referat für Schule und Sport.

Eva Hesse erläuterte mit dem „Nürnberger Weg“ die grundsätzliche Strategie der Stadt zum Ausbau der ganztägigen Bildung, Betreuung und Erziehung in Grundschulen. Es bestehe die Absicht ein familienfreundliches und qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot zu schaffen, das Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der verschiedenen Betreuungsmodelle zulasse und auch die Betreuung in Ferien- und Randzeiten berücksichtige. Berücksichtigung finde auch die Wirtschaftlichkeit, die Nutzung von Synergien und die inklusive Bildung. Zur Umsetzung des Nürnberger Wegs haben sich die Schülerprognose sowie die Schulraumentwicklungsplanung der kommunalen Schulverwaltung und die Jugendhilfeplanung des Jugendamts zusammengeschlossen, um eine gemeinsame „Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung“ vorzunehmen. Dabei werden auch das Stadtplanungsamt und das Amt für Stadtforschung und Statistik hinzugezogen. Gemeinsam werde an der Umsetzung eines 2014 als kommunales Planungsinstrument für den bedarfsgerechten Ausbau entwickelten und seitdem fortgeschriebenen „Masterplans zur Bedarfs- und Ausbauplanung für ganztägige Bildung, Betreuung und Erziehung durch Unterricht und Betreuung für Grundschulkinder in Nürnberg“ gearbeitet.

Steigende Platzzahlen ganztägiger Angebote für Kinder im Grundschulalter

Das Platzangebot konnte in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gesteigert werden, vor allem bedingt durch einen frühzeitigen Ausbau von Hortangeboten. Unter Berücksichtigung der Bedarfe von Familien wird als nächstes Ziel eine Versorgungsquote von 80 % bis 90 % der Kinder mit Ganztagsplätzen angestrebt, so Thomas Etterer. Neben dem weiteren Ausbau der Hortangebote und schulischen Angebote, wie Mittagsbetreuung oder offene und gebundene Ganztagsschulen, sind die neuen Kombieinrichtungen ein zentraler Baustein, um das Ziel zu erreichen. Kombieinrichtungen zeichnen sich durch eine integrierte Bauweise von Grundschule und Hort aus. Dabei können am Vormittag die Betreuungsräume für den Unterricht genutzt werden und am Nachmittag die Schulräume für das Ganztagsangebot. Durch den Bau geeigneter Bewegungs-, Speise- und Ruheräume wird den Bedürfnissen der Kinder von Beginn an Rechnung getragen.

Mit den in Nürnberg laufenden Modellprojekten der Integrierten Ganztagsbildung an der Michael-Ende-Grundschule und der Kooperativen Ganztagsbildung an der Gretel-Bergmann-Schule und der Grundschule Altenfurt konnten bereits wertvolle konzeptionelle Erfahrungen gesammelt werden. Ziel ist dabei Schule und Hort in ihrer pädagogischen Arbeit weiter miteinander zu verzahnen und konzeptionell weiterzuentwickeln.

Formelles, non-formales und informelles Lernen

Als wesentliches Kriterium für einen guten und qualitätsvollen Ganztag benannte Eva Hesse die gelingende Verbindung eines formellen, non-formalen und informellen Wissens- und Kompetenzerwerbs. Aus persönlicher Sicht einer ehemaligen Lehrkraft sei es für Heranwachsende dabei auch wichtig im ganztägigen Schulalltag Zeit mit Freundinnen und Freunden verbringen und ein gemeinsames Mittagessen einnehmen zu können. Kooperationen mit Anbietern non-formaler Bildung und Projekte könnten darüber hinaus eine gewinnbringende Ergänzung zum Unterricht darstellen. Thomas Etterer hob weitergehend hervor, dass neben dem Konzept des jeweiligen Ganztagsangebots besonders das Vorhandensein von qualifiziertem Personal und geeignete Räumlichkeiten von großer Bedeutung seien.

Ob ein Ganztagsangebot aber vor Ort gut funktioniert, ist auch von einer gelingenden Zusammenarbeit von Schule und Hort abhängig. Thomas Etterer beschrieb daher, wie wichtig es sei anzuerkennen, dass zur ganztägigen Bildung, Betreuung und Erziehung unterschiedliche Professionen miteinander arbeiten und zusammenwachsen müssen. Ein gemeinsames Kennenlernen unter den multiprofessionellen Teams zu befördern, um auch Verständnis gegenüber anderen Rechts- und Interessenlagen vor Ort herzustellen, sei deshalb wichtig.

Es wird deutlich, dass sich beim Thema der Ganztagsbildung und -betreuung in Nürnberg trotz bestehender Herausforderungen durch demografische Aspekte, benötigte bauliche und personelle Kapazitäten sowie Fragestellungen von Finanzierungen und Förderungen viel bewegt. Für den quantitativen Ausbau steht in den nächsten Jahren laut Eva Hesse und Thomas Etterer die Schaffung von Plätzen in Hort und Kombieinrichtungen im Fokus. Durch den geplanten Bau weiterer Kombieinrichtungen lasse sich zudem in qualitativer Hinsicht das formelle, non-formale und informelle Lernen auch pädagogisch systematisch verbinden.


Weitere Informationen zum BildungsDate zur Ganztagsbildung und -betreuung in Nürnberg finden Sie hier:  7. BildungsDate zur Ganztagsbildung und -betreuung in Nürnberg am 29.11.2023

Bildnachweis: © Stock Adobe 280772598.

Workshops der Nürnberger Bildungskonferenz: (8) Grundbildung (9) Berufliche Inklusion

Workshops der Nürnberger Bildungskonferenz: (8) Grundbildung (9) Berufliche Inklusion

Die Suche nach potentiellen Fachkräften bleibt oft auf der Ebene der reinen Personalakquise stecken. Dabei können Bildungsangebote gerade bei Personengruppen, die noch nicht im Mittelpunkt der Bemühungen stehen, nachhaltige Beschäftigung schaffen. Auf der Bildungskonferenz beschäftigten sich Workshops damit, wie Grundbildungsinhalte in die Angebote im Sozialraum eingebettet werden können und wie mit den Kompetenzfeststellungen im behinderte Menschen ihren Platz im allgemeinen Arbeitsmarkt finden können.

Workshop “Grundbildung vor Ort: Lernanlässe und Kooperationen im Sozialraum initiieren”

Der Workshop „Grundbildung vor Ort:  Lernanlässe und Kooperationen im Sozialraum initiieren“ begann mit ganz konkreten Einblicken in ein Nürnberger Praxisbeispiel für gering literalisierte Erwachsene: Den Lerntreff, den das Bildungszentrum in diesem Jahr neu eingerichtet hat mit einer Anschubfinanzierung durch den Deutschen Volkshochschulverband. Neben der Einrichtung des Projektraums können somit zahlreiche Grundbildungsangebote gemacht werden. Oft spielen dabei Kooperationen eine Rolle, beispielsweise mit der Abfallberatung oder der Stadtbibliothek. Ein besonderer Schwerpunkt im Nürnberger Lerntreff liegt laut Anna Benkert vom Fachteam Gesundheit im Bildungszentrum auf dem Thema Gesundheitsbildung. So ist für die Zeit nach der Anschubfinanzierung eine Weiterentwicklung des Ansatzes in Zusammenarbeit mit dem Projekt „Gesunde Südstadt“ und eine noch stärkere Vernetzung im Stadtteil geplant.

 „Gesundheitskompetenz ist großteils Informationskompetenz“ meinte Hella Krusche von der Fachstelle für Alphabetisierung und Grundbildung beim Bayerischen Volkshochschulverband und nahm das Beispiel aus dem Bildungszentrum als Ausgangspunkt für einen umfassenden Überblick in bezug auf Grundbildungsangebote.

Hella Krusche, Bayerischer Volkshochschulverband

Laut Leo-Studie 2018 lag der Anteil gering literalisierter Erwachsener an der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren bundesweit bei 12.1 %. Gegenüber der ersten Studie 2010 hat sich der Anteil um 2,4 Prozentpunkte verringert. Anhand einer Faustformel schätzte Krusche die absolute Zahl gering literalisierter Menschen für Nürnberg auf rund 40.000 Personen.

Seit Beginn der Dekade für Alphabetisierung im Jahr 2016 sind laut Krusche beinahe unüberschaubare Mengen an qualitativ hochwertigen Materialien und Tools für die Alphabetisierung Erwachsener entstanden. Trotz des tollen Angebots gebe es nach wie vor ein großes Problem bei der Gewinnung der Zielgruppe für die Grundbildungsangebote, konstatierte Krusche und warb in diesem Zuge für Kooperationen zwischen Bildungsanbietern und Institutionen im Sozialraum, wie es zuvor am Beispiel des VHS Lerntreffs am BZ gezeigt wurde.

Workshop “Mit dem TalentPASS berufliche Inklusion fördern”

Der Workshop begann mit einer Auflockerungseinheit, bei der die Teilnehmenden immer dann aufstanden, wenn das Gesagte auf sie zutraf. Bei der Aussage “Ich kenne Menschen, die schwer lernen können, persönlich.” erhoben sich nahezu alle Teilnehmenden von ihren Plätzen. Mit diesem Eindruck startend wurde von Claudia Drechsel, Inklusionsberaterin bei ACCESS Inklusion im Arbeitsleben, das Projekt TalentPASS vorgestellt, das von März 2019 bis Oktober 2023 durchgeführt wurde. Das Projekt leistete einen wichtigen Beitrag zum Erwerb, Erhalt und Erweiterung der beruflichen Handlungsfähigkeit für Menschen mit Behinderung zur nachhaltigen Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben.

Claudia Drechsel (li.) und Merve Gürses, Access gGmbH

Menschen mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung in “angelernten Tätigkeiten” besitzen eine Reihe non-formal und informell erworbener Berufserfahrungen. Hierüber fehlten jedoch häufig Qualifikationsnachweise. In dem Projekt erhielten die Teilnehmenden daher ein flankierendes Bildungscoaching, in dessen Rahmen auch eine Kompetenzfeststellung erfolgte und so wesentliche Fähigkeiten und Kompetenzen zertifiziert werden konnten. Zudem konnten die Teilnehmenden mit Weiterbildungen ihre beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten erweitern und erhielten dabei von ihren Bildungscoaches genau die Unterstützung, die sie persönlich benötigten.

„Ein Zeugnis oder Zertifikat über berufliche Kompetenzen hilft Arbeitsplätze zu sichern und stärkt zudem Motivation und Selbstvertrauen“, so Claudia Drechsel. Insgesamt erlangten die Teilnehmenden im Rahmen des Projekts 40 Zertifikate über ihre Fähigkeiten. 29 Personen nahmen zudem an einer Weiterbildung teil, einige sogar an mehreren. So wie die ehemalige Teilnehmerin, Merve Gürses, die von ihrem Werdegang im Projekt berichtete. Frau Gürses wollte schon immer gern mit Kindern arbeiten und hat das mit Hilfe von Access geschafft. Heute ist sie fest in einem Kindergarten angestellt und übernimmt z.B. Tätigkeiten im Bereich der Hygienemaßnahmen und der Essensvorbereitung. Am meisten macht ihr die Kinderbetreuung Spaß. Mit dem TalentPASS hält sie nun auch eine Bestätigung ihrer erzieherischen Kompetenzen in der Hand. Frau Gürses wurde im Rahmen des Peer-support-Ansatzes im Projekt zudem als „Arbeitsexpertin“ ausgebildet, um auch anderen für einen individuellen Weg auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Mut zu machen.


Titelbild: © Stadt Nürnberg, Petra Kellner

Bildnachweis: © Stadt Nürnberg, Rudi Ott.