Das neue Schuljahr 2021/22 hat in Bayern gerade begonnen und alle Schülerinnen und Schüler werden wieder vor Ort ‚in Präsenz‘ unterrichtet. In den beiden vorangegangenen Schuljahren war dies aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen über weite Strecken nicht möglich. Schulschließungen verlagerten den Unterricht ins Kinderzimmer, etwa mittels Arbeitsblättern, oder auch in den digitalen Raum. Auch in Nürnberg wurde vielerorts kreativ und mit viel Engagement auf diese ungewöhnliche Situation eingegangen und auch von Seiten der Schulen und Lehrkräfte bemühte man sich um eine Professionalisierung des digital vermittelten Unterrichts, der unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen stattfand. Einheitliche Distanzlernkonzepte lagen (und liegen) nicht vor, es herrschen beim Einsatz von digitalen Formaten an den Schulen große Unterschiede. Die gemachten Erfahrungen können stark voneinander abweichen. Dies betrifft dann auch die Einschätzung zum Einsatz digitaler Lernformate bei Schulschließungen und im Unterricht bei regulärem Schulbetrieb.
Erkenntnisse zu diesen Fragestellungen finden sich im diesjährigen ifo-Bildungsbarometer, welches Ende August 2021 veröffentlich wurde.
Abbildung 1 gibt einen Überblick, welche Maßnahmen im Falle von Schulschließungen von den Befragten befürwortet werden. Die überwiegende Anzahl der Befragten (74 % Zustimmung) ist für einen verpflichtenden Online-Unterricht bei Schulschließungen. Digitaler Unterricht wird also bei Schulschließungen generell gefordert. Damit dies gut gelingt, spricht sich eine große Mehrheit (81 %) für verpflichtende Fortbildungen von Lehrkräften aus. Hier wird also eine Notwendigkeit zur Professionalisierung gesehen. Aber auch auf Seiten der Schülerinnen und Schüler werden Bedarfe wahrgenommen. So herrscht große Zustimmung für eine intensivere Betreuung durch Lehrkräfte während Schulschließungen für Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen (83 %) oder in anderen Situationen, die das digitale Lernen erschweren könnten. Um entsprechende Lernlücken zu schließen, befürworten 66 % verpflichtenden Förderunterricht für diese Gruppe.
Nachdem sich während der Schulschließung in besonderem Maße die Bedeutung von digitalen Formaten gezeigt hat, stellt sich die Frage der Weiterführung bestimmter Methoden. Abbildung 2 gibt hierzu Aufschluss. Deutlich befürwortet wird der Einsatz von Computer oder Tablet im Unterricht (77 %) und von Erklärvideos (74 %). Auch werden weiterhin digitale Plattformen zur Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern (74 %) und zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern (73 %) gewünscht. Allein beim Hybridunterricht, also beim parallelen analogen und digitalen Unterricht, steht der Befürwortung auch eine nennenswerte Ablehnung gegenüber (51 % sind dafür, 35 % dagegen).
Als Hinweis für die Bildungspolitik zeigt sich zusammenfassend also eine grundlegende Akzeptanz von digitalen Lernformaten im schulischen Bereich zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und die Unterstützung von benachteiligten Schülerinnen und Schülern zur Förderung von gleichen Bildungschancen.
Beim ifo-Bildungsbarometerhandelt es sich um eine repräsentative Meinungsumfrage unter der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland. Durchgeführt wird diese seit 2014 jährlich vom ifo-Institut in München zu wechselnden bildungspolitischen Themen. Das aktuelle 8. Bildungsbarometer behandelt unter anderem bildungspolitische Maßnahmen etwa in Bezug zu den Schulschließungen. Hierzu wurden im Mai und Juni dieses Jahres 4.032 Personen zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Darin zeichnet sich ein Meinungsbild der erwachsenen Bevölkerung ab – unabhängig davon, ob die Befragten vom Distanzunterricht, beispielsweise als Eltern, betroffen waren oder nicht.
Mit dem Ziel, die gesammelten Homeschooling-Erfahrungen aus der Pandemie nachhaltig und dauerhaft in den Schulunterricht zu integrieren, führt die Lothar-von-Faber-Schule ab dem Schuljahr 2021/2022 geregelte Distanztage ein. Das Modell 5/4+1 sieht einen zweiwöchentlichen Unterrichtstag von zu Hause für alle Jahrgangsstufen und Klassen vor.
Unterricht in Distanz wird ein fester Bestandteil des Schullebens
Laut der Lothar-von-Faber-Schule fügt sich das Modell des 5/4+1 nahtlos in den normalen Stundenplan ein. Die Distanztage werden zu Schuljahresbeginn für das gesamte Schuljahr festgelegt und verschieben sich wöchentlich um einen Tag: In der ersten Unterrichtswoche wird mit Montag begonnen und in dritten Woche findet der Dienstag digital statt. Angesichts der großen und vielfältigen Ausrichtung der staatlichen Nürnberger Fachoberschule ist diese transparente und einheitliche Regelung für eine gelingende Umsetzung essenziell. Denn für die Schule gilt es den Unterrichtsalltag von mehr als 1.100 Schülerinnen und Schüler und ca. 130 Lehrkräfte in vier Ausbildungsrichtungen (Gestaltung, Gesundheit, Sozialwesen, Wirtschaft) zu koordinieren.
Da es sich um einen wechselnden Distanztag handelt, ist eine gleichmäßige Einbeziehung aller beteiligten Fächer und unterrichtenden Lehrkräfte gewährleistet. Mit der konkreten Ermittlung von Unterrichtselementen, die sich für den Distanzunterricht eignen, ist die unterrichtende Lehrkraft betraut und somit auch für eine vollständige Behandlung aller Fachkompetenzen im Lehrplan verantwortlich. Die Frage, welche Kompetenzen und Inhalte für die Vermittlung im Distanzunterricht geeignet sind, wird eine fortwährende Herausforderung bei der Umsetzung sein. Die Lehrkräfte können hierbei auf umfangreiche Vorarbeiten des QmbS-Teams (QmbS – Qualitätsmangagement an beruflichen Schulen) bauen: Es stehen ihnen z. B. mehrere umfassende Handreichungen mit einer Auswahl von digitalen Tools mit Anleitungen für unterschiedliche Zwecke zur Verfügung (z. B. Audio-Aufnahmen, interaktive Quizeinheiten, etc.).
Zunächst ist beim Distanzunterricht eine Betonung des synchronen Arbeitens geplant, beim dem Schülerinnen und Schüler entlang eines festen Stundenplans gemeinsam mit der Lehrkraft lernen. Jedoch scheinen „eigenverantwortliche Bildungsphasen“ mit einer eingehenden Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler durchaus möglich. Dementsprechend eröffnet das 5/4+1-Modell auch weitreichende Perspektiven für eine veränderte Lern- und Lehrkultur. Um die Wirksamkeit des Modells gewährleisten zu können, ist eine engmaschige Evaluation der Praxis ein entscheidender Bestandteil des Konzeptes.
Für das Schuljahr 2021/2022 kann die Schule auf die Software von Microsoft365 zurückgreifen, welche die Stadt Nürnberg als Sachaufwandsträger zur Verfügung stellt. Für den Fall, dass Schülerinnen und Schüler nicht über die notwendige Soft- und Hardware verfügen, besteht die Möglichkeit Leihgeräte zur Verfügung gestellt zu bekommen bzw. dem Unterricht in der Schule zu folgen.
Stärkere Förderung der Digital-und Selbstkompetenz
Das 5/4+1-Modell setzt an den umfangreich erworbenen digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler an, die innerhalb der letzten Jahre erworben wurden. Diese Basis möchte die Lothar-von-Faber-Schule weiterentwickeln und auch für die zukünftigen Schülerinnen und Schüler anbieten. Ergänzend zu dieser digitalen Kompetenzentwicklung bietet 5/4+1 die Möglichkeit die Selbstkompetenz in einer Art und Weise zu fördern, wie dies im Regelunterricht weniger möglich ist. So sind die Schülerinnen und Schüler beim Distanzunterricht in einem stärkeren Maße gefordert, sich selbst Ziele zu setzen, die Zielerreichung eigenständig zu bewerten und bei Bedarf eine Verhaltensanpassung umzusetzen, ohne von einer Lehrkraft oder Mitschülerinnen und Mitschülern dazu „angeleitet“ zu werden. Für neue, unerfahrene Schülerinnen und Schüler soll es zu Schulbeginn eine eintägige Einführungsveranstaltung in Präsenz geben, welche eine technische und organisatorische Anleitung für die Distanztage bietet, darüber hinaus wird in den Eingangsklassen eine regelmäßige Nachbesprechung der Distanztage und der jeweiligen Arbeitsergebnisse stattfinden
Verzahnung von Distanz- und Präsenzunterricht zu „blended learning“
Neben der Kompetenzförderung der Schülerschaft zielt das 5/4+1-Modell auch auf ein abgestimmtes Nebeneinander und Miteinander von Präsenz- und Distanzunterricht ab. Während der Pandemie beruhte die Entscheidung über Distanz- und Präsenzunterricht alleinig auf den Infektionszahlen und die Schulen konnten nicht bewusst entscheiden, welche Unterrichtsinhalte in welcher Form unterrichtet werden. Dies ist durch die Planbarkeit des Unterrichts im Rahmen von 5/4+1 nun anders. Jetzt können beide Formen des Unterrichts als „blended learning“ mit vollwertigen Lehrkraftressourcen angeboten werden. So legen die Lehrkräfte bei der Unterrichtsplanung aufgrund pädagogischer und organisatorischer Überlegungen fest, wie Distanz- und Präsenzunterricht gewinnbringend verzahnt werden.
Implikationen jenseits des klassischen Unterrichts
Die Lothar-von-Faber-Schule berichtet, dass das 5/4+1-Modell auch die Arbeitsroutinen jenseits des Unterrichts im Klassenverband beeinflussen. So sind insbesondere klassenübergreifende modulare Angebote an Tagen mit ausgesetztem Stundenplan denkbar. Bereits im Schuljahr 2020/2021 haben sich bei der Prüfungsvorbereitung die Modulangebote bewährt. Schülerinnen und Schüler aller Abschlussklassen konnten sich digital in verschiedene Angebote „einwählen“ und somit eine passgenaue, individuelle und vor allem selbstgewählte Förderung erhalten. Mit dem geplanten Blended-Learning-Modus beschreitet die Fachoberschule den Weg in die berufliche Praxis der gegenwärtigen Arbeitswelt, in der ein Mix aus Präsenz- und Heimarbeit gang und gäbe ist.
Das gemeinsame Team von Bildungsbüro und Medienzentrum PARABOL hat die Lothar-von-Faber-Schule besucht und erkundet, welche innovativen Ideen hier in den letzten Monaten umgesetzt wurden. Hier geht’s zum Film
Magdalena Musial ist beim Institut für Pädagogik und Schulpsychologie (IPSN) zuständig für das Elternbüro Schulerfolg und Teilhabe Nürnberg (NEST). Wir haben uns mit ihr getroffen und über die verschiedenen Aufgaben und Ziele sowie die Herausforderungen des Nürnberger Vorzeigeprogramms, das bereits im Jahr 2010 ins Leben gerufen wurde, gesprochen.
Frau Musial, geben Sie uns einen Eindruck: Was sind die Aufgaben und Ziele von NEST?
Also das übergeordnete Ziel, das wir uns gesetzt haben, ist Bildungsgerechtigkeit. Wir stellen unsere Arbeit unter das bekannte Motto: Kein Kind darf verloren gehen. Und die Eltern sind dabei unser Ansatzpunkt, denn sie haben einen riesigen Einfluss auf den Bildungserfolg ihrer Kinder. Die Hauptrolle bei NEST haben unsere ehrenamtlichen Elternlotsinnen und Elternlotsen. Sie bauen Brücken zwischen Schule und Eltern mit Zuwanderungsgeschichte und sind ansprechbar für beide Seiten. Außerdem geben sie den Eltern wertvolle Tipps aus eigener Erfahrung, sowie vermitteln Informationen über unterschiedliche Beratungsstellen, in denen die Erziehungsberechtigten bei Bedarf professionelle Hilfe einholen können. Sie erklären das bayerische Schulsystem, klären manchmal auch Missverständnisse auf.
Was sind das für Missverständnisse?
Das ist ganz individuell und lässt sich nicht verallgemeinern. Manchmal gibt es bestimmte Erwartungen an das Schulsystem hier, die aus den Herkunftsländern mitgebracht werden, die hier aber so nicht zutreffen. Viel geht es auch darum zuzuhören und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Schule im Herkunftsland und Schule hier zu erkennen und zu benennen.
Dabei haben die Lotsinnen und Lotsen auch eine Vorbildfunktion für die anderen Eltern. Denn es wird klar, dass sie sich auch erst zurechtfinden mussten und vielleicht auch nicht perfekt Deutsch sprechen, aber es geschafft haben und sich auch trauen, vor Menschen zu sprechen. Sie nutzen ihre mitgebrachten Kompetenzen, ihr Wissen und ihre Stärken und motivieren auf diese Weise die Eltern.
Wie viele Elternlotsinnen und Lotsen sind denn bei NEST und wo sind sie überall aktiv?
Derzeit sind es 38 Personen. Und wir haben 31 Partnerschulen, aber weit mehr Einzelanfragen auch aus anderen Nürnberger Schulen. Die Partnerschulen arbeiten mit uns zusammen und machen sich gemeinsam Gedanken über die Bedarfe, die sie feststellen. Die aktiven Elternlotsinnen und Elternlotsen überlegen in kleinen Teams, welche Angebote sie den Schulen machen können, z.B. Sprechstunden oder Mitorganisation von Eltern-Cafés.
Wie haben sich die Bedarfe an Unterstützung während der Corona-Pandemie verändert? Welche Unterstützung konnte NEST leisten?
Es gab keinen direkten Kontakt mehr. Vor der Pandemie waren ja die persönlichen Treffen ganz wichtig. Die Eltern-Cafés oder die Kulturausflüge, die von den Lotsinnen und Lotsen unternommen wurden. Auch gab es ein Team, das speziell für Geflüchtetenunterkünfte zuständig war. All diese persönlichen Kontakte waren plötzlich nicht mehr möglich.
Was es weiterhin gab, waren die Kontakte, die bereits vorher geknüpft worden waren. Die Lotsen und Lotsinnen haben viele lange Telefonate mit Eltern geführt, die bereits mit ihnen in Kontakt standen. Und diese haben die Infos dann oft auch an Dritte weitergeleitet. Trotzdem ist es natürlich viel mühsamer, einzelne Telefongespräche zu führen als die wichtigsten Fragen in einer Veranstaltung zu klären.
Dadurch haben Sie sicher schnell einen Eindruck davon gewinnen können, was denn die drängendsten Probleme waren beziehungsweise sind?
Also ganz wichtig war die Erklärung der zahlreichen Elternbriefe und Mitteilungen, die die Eltern bekamen. Die sind leider nicht in einfacher Sprache gehalten, eher im Gegenteil. Teilweise war an einen Brief von der Schule noch eine Mitteilung des Kultusministeriums drangehängt. Das ist sehr schwer zu verstehen. Dabei ist es ganz wichtig, dass die Lotsinnen und Lotsen sich nicht als Übersetzer verstehen. Das ist nicht ihre Aufgabe.
Viele Eltern hatten Sorgen und wollten wissen, wie sie ihre Kinder richtig unterstützen können. Häufig gab es auch die Situation, dass die Kinder sehr demotiviert waren. Oft war den Eltern auch unklar, wie sie überhaupt Kontakt zu den Lehrkräften aufnehmen können. Teilweise haben das dann die Elternlotsen übernommen. Es kam aber auch vor, dass Lehrerinnen und Lehrer die Lotsinnen und Lotsen gebeten haben, interessierte Eltern zu kontaktieren und Informationen weiter zu leiten.
Ein großes Thema waren natürlich auch die digitalen Geräte. Häufig gibt es in den Familien nur ein Smartphone. Da haben die Lotsinnen und Lotsen immer wieder nachgehakt, bis es geklappt hat.
Woran lag es denn?
Einige Eltern wussten nicht, dass sie die Möglichkeit haben ein Gerät auszuleihen. Einige haben den Bedarf an der Schule zwar gemeldet, aber sehr lange kein Gerät bekommen. Oft lag es auch an den Beiträgen im Leihvertrag, wenn mal ein Gerät kaputtgeht.
Die Selbstbeteiligung im Schadensfall?
Genau. Die war im Leihvertrag so hoch, dass viele Eltern gesagt haben: Das leihen wir nicht aus. Da waren viele Gespräche mit der Digitalen Schule und mit den Eltern nötig. Dann konnte den Eltern vermittelt werden, dass nur absichtliches Beschädigen gemeint ist und dass man sich ansonsten schon einig wird, wenn mal etwas kaputt geht.
Wo sehen Sie weiterhin Handlungsbedarf?
Für unsere Arbeit wäre es ganz wichtig, dass in den Schulen Hygienekonzepte entwickelt werden, die es uns wieder möglich machen, dort z.B. Eltern- Cafés anzubieten. Auch Elternabende für Deutschklassen in kleinen Gruppen in Anwesenheit der Elternlotsinnen und Lotsen wären wichtig. Solche Elterninformationsabende haben vielen Migrantenfamilien die Möglichkeit gegeben, in ihrer Sprache direkt vor Ort an Informationen zu kommen. Das lässt sich digital nicht ersetzen.
Die einfache Sprache in Mitteilungen von Schulen bleibt auch ein Baustein für die Zukunft.
Zum Abschluss: Welche positiven Erfahrungen haben Sie bei NEST in dieser schwierigen Zeit gemacht und was nehmen Sie vielleicht sogar mit in die Zukunft?
Ganz toll war der Erfindungsgeist und die Flexibilität unserer Lotsinnen und Lotsen. Sie haben sich innerhalb kürzester Zeit digitale Kompetenzen angeeignet. Im Rahmen von NEST haben sie dazu mehrere Fortbildungen besucht und das Wissen dann den Eltern weitergegeben. Mit dem Projekt „Digitale Bürgerschaft“ haben wir jetzt ein Thema im Angebot, das gerade sehr viele Eltern interessiert. Aber auch den technischen Umgang mit den digitalen Werkzeugen haben die Lotsinnen und Lotsen sich sehr schnell angeeignet. Und das wird auch nach der Pandemie noch genutzt werden, denke ich: Einzelgespräche oder Eltern-Lehrer-Gespräche per Online-Konferenz. Das macht die Wege einfach kürzer. Ersetzt aber natürlich nicht die persönlichen Begegnungen.
Die berufliche Weiterbildung hat sich in den vergangenen Monaten tiefgreifend gewandelt. Präsenzveranstaltungen konnten aufgrund von Kontaktbeschränkungen nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden. Vor der Corona-Pandemie waren Veranstaltungen in Präsenz die häufigste Form des beruflichen Lernens im Erwachsenenalter, zum Beispiel in Gestalt von Kursen, Lehrgängen oder Schulungen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Mit Beginn der Pandemie mussten viele beruflichen Weiterbildungen ausfallen, beispielsweise weil Lehrkräfte nicht zur Verfügung standen oder Beschäftigte aufgrund von Betreuungspflichten nicht an der Weiterbildung teilnehmen konnten. Auch finanzielle Erwägungen und verschlechterte Geschäftserwartungen führten in manchen Betrieben dazu, dass Qualifizierungen nicht wie geplant durchgeführt wurden (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2020).
Bildungsungleichheit in der Nutzung der digitalen beruflichen Weiterbildung
Das Nationale Bildungspanel (NEPS) am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) befragte im Mai und Juni 2020 Arbeitnehmende, welche digitalen Lernangebote sie in den ersten Monaten der Pandemie aus beruflichen Gründen genutzt haben. Es zeigte sich, dass Beschäftigte mit einem (Fach-)Hochschulabschluss digitale Weiterbildung mit beruflichem Bezug sowohl vor (34 Prozent) als auch während der Pandemie (30 Prozent) besonders häufig nutzten. Demgegenüber nahmen Erwerbstätige ohne und mit einer beruflichen Ausbildung, digitale Lernangebote vor und während der Corona-Krise wesentlich seltener in Anspruch (Abbildung 1). Während der ersten Monate der Pandemie waren die Nutzungsquoten bei Befragten mit (Fach-)Hochschulabschluss oder mit beruflicher Ausbildung etwas niedriger als vor der Pandemie und stiegen bei Befragten ohne berufliche Ausbildung von 10 Prozent auf 18 Prozent sogar leicht an. Trotzdem waren die Veränderungen nicht groß genug, um bestehende Bildungsunterschiede abzubauen, so die NEPS-Studie.
Abbildung 1: Vergleich der Beteiligung an digitalem Lernen nach höchstem Bildungsabschluss zwischen 2019/2020 und den ersten Monaten der Corona-Krise
Quelle: Nationales Bildungspanel (NEPS).
Personen im Homeoffice nutzen digitale Weiterbildungsangebote häufiger
Noch deutlicher zeigte sich eine digitale Spaltung in den ersten Monaten der Pandemie zwischen Beschäftigten im Homeoffice und Beschäftigten ohne Homeoffice-Zugang. Schon vor der Pandemie nutzten erstere digitale Weiterbildungsangebote deutlich häufiger (34 Prozent gegenüber 16 Prozent). Seit Beginn der Pandemie nahm die Gruppe der Erwerbstätigen, die während der Krise von zuhause aus arbeiten konnten, digitale Lernangebote ähnlich häufig in Anspruch wie im gesamten Jahr zuvor. Umgekehrt lernten Personen, die nicht im Homeoffice arbeiten konnten, seither deutlich seltener digital (7 Prozent).
Digitale Lernangebote erreichen neue Beschäftigungsgruppen
Positive Entwicklungen zeigten sich insbesondere bei Beschäftigten in Berufen, die weniger stark durch Tätigkeiten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik geprägt sind. Erwerbstätige mit geringer Computernutzung nutzten digitale Lernangebote in den ersten Monaten der Pandemie etwas häufiger als in der Zeit davor. Die Autoren der NEPS-Studie schließen daraus, dass während der Pandemie neue Beschäftigungsgruppen von der Nutzung digitaler informeller Lernangebote profitieren konnten. Es könnte sich hierbei jedoch auch um einen kurzfristigen Effekt handeln, der auf das Erlernen des Umgangs mit neuen Arbeitstools wie Videokonferenzen oder Lernplattformen zurückgeführt werden kann. Weitere Analysen müssen zeigen, inwiefern sich soziale Unterschiede in der Nutzung der digitalen Angebote auflösen oder verfestigen.
„WeiterbildungJETZT!“ in Nürnberg
Mehr Homeoffice, weniger Präsenzveranstaltungen und die Umstellung auf Onlineformate machen in Zeiten der Pandemie neue Weiterbildungsformate notwendig. Gleichzeitig ändern sich vielerorts die Anforderungen an die Kompetenzen der Arbeitnehmenden. 36 Prozent der Arbeitsplätze werden sich innerhalb der nächsten 15 Jahre stark verändern. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle OECD-Studie „Weiterbildung in Deutschland“. Der beruflichen Weiterbildung kommt deswegen eine immer größere Bedeutung zu. Gleichzeitig bleibt zu befürchten, dass sich durch die Digitalisierung der Weiterbildungsangebote die Ungleichheiten im Zugang zu Weiterbildung verschärfen. Dieser Thematik widmet sich der runde Tisch „Beratung in beruflicher Weiterbildung und Qualifizierung“ in Nürnberg bereits seit längerem.
Angeregt durch die „Task Force Corona: Arbeitsmarkt und kommunale Handlungsoptionen“ im November 2020 koordinierte das Bildungsbüro in Nürnberg den Aufbau der Internetseite www.weiterbildung.nuernberg.de. Dort stellen sich kostenfreie und neutrale Beratungsstellen zur beruflichen Weiterbildung vor, die auch zu Förderangeboten Auskunft geben. Beworben wird diese Seite nun durch die breit angelegte Plakat- und Social-Media-Kampagne WeiterbildungJETZT! Gemeinsam rufen Stadt Nürnberg, IHK Nürnberg für Mittelfranken, Agentur für Arbeit Nürnberg, Jobcenter Nürnberg, Handwerkskammer für Mittelfranken und DGB Mittelfranken alle Nürnberger Bürgerinnen und Bürger dazu auf, gerade jetzt und trotz der Unsicherheiten durch die Corona-Pandemie auf berufliche Weiterbildung zu setzen.
Die Situation am Nürnberger Ausbildungsmarkt stellt sich grundsätzlich positiv dar: Rechnerisch standen auch im „Corona-Jahr“ 2020, d.h. zum Stichtag des 30.09.2020, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung als von Bewerberinnen und Bewerbern nachgefragt wurden. Doch auch wenn Angebot und Nachfrage auf dem Nürnberger Ausbildungsmarkt immer noch relativ ausgeglichen sind und Nürnberg vorerst kaum unter demografischen Rückgängen in der Altersgruppe leidet, zeigen sich im Ausbildungsmarkt vor und während der Pandemie Entwicklungen, die im Moment Anlass zur Besorgnis geben und daher im Folgenden kurz beleuchtet werden sollen.
Weniger unbesetzte Ausbildungsstellen als im Vorjahr
Für das Ausbildungsjahr 2020/21 wurden rund 20% weniger Ausbildungsplätze gemeldet als im Vorjahr, während die Zahl der Bewerber/-innen sogar marginal anstieg (+0,4%). Im September 2020 waren in der Stadt Nürnberg 4.057 Ausbildungsstellen bei der Agentur für Arbeit gemeldet, davon waren 482 unbesetzt. Ein Jahr zuvor waren 563 der 5.067 gemeldeten Ausbildungsstellen unbesetzt, d.h. es kam zu einem Rückgang unbesetzter Ausbildungsstellen von 14,4%. Unbesetzte Ausbildungsplätze waren dabei insbesondere in den Branchen „Gastronomie“ sowie in den Handwerksberufen der Branche „Sanitär/Heizung/Klima“ zu verzeichnen. Dabei handelt es sich um zwei Branchen, die von der Pandemie ganz unterschiedlich betroffen waren und sind. Während das baunahe Handwerk einen Aufschwung erlebte, sind die negativen Folgen für die Gastronomie bis heute nicht vollständig absehbar (Quelle: Bundesagentur für Arbeit). Diese Entwicklung weicht dabei vom bundesweiten Trend ab, bei dem die Anzahl der unbesetzten Ausbildungsstellen im gleichen Zeitraum um 20 Prozent gestiegen war (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, November 2020).
Weiterhin Passungsprobleme am Ausbildungsmarkt
3.457 Bewerberinnen und Bewerber waren im September 2020 in der Stadt Nürnberg bei der Agentur für Arbeit gemeldet, von ihnen konnten 42,9% eine Ausbildung aufnehmen (der bundesweite Durchschnitt lag bei 46,0%). Insgesamt 357 Bewerber/-innen entschieden sich für eine „Alternative“ (Abbildung 1), z.B. für den Besuch einer weiterführenden Schule (180 Personen) oder eine berufsvorbereitende Maßnahme (56 Personen).
Es bestehen jedoch weiterhin Passungsprobleme am Nürnberger Ausbildungsmarkt, das sogenannte „Mismatch“: Während einerseits Betriebe ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen können, sind andererseits zahlreiche junge Menschen „unversorgt“ (Abbildung 1). Gründe hierfür können darin liegen, dass Berufswünsche der Bewerberinnen und Bewerbern nicht zur angebotenen Ausbildungsstelle passen oder die Schulnoten nicht den betrieblichen Ansprüchen entsprechen. So waren zum 30.09.2020 159 „unversorgte“ Jugendliche gemeldet; das sind 38 Personen mehr als im Vorjahr.
Abbildung 1: Bewerber/-innen (mit Alternative oder unversorgt) sowie unbesetzte Ausbildungsstellen, 2018 bis 2020
Anmerkung: Stand jeweils 30.9. Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Berufsausbildungsstellen und Bewerber für Berufsausbildungsstellen, September 2020.
Die genannten Entwicklungen werden durch die Konsequenzen der Corona-Krise tendenziell eher verschärft (vgl. z.B. Burkard 2020). Alle Akteurinnen und Akteure des Übergangsmanagements in Nürnberg berichten übereinstimmend davon, dass der Kontakt zu zahlreichen jungen Menschen zeitweise unter- oder sogar abgebrochen war. Fachkräfte befürchten, dass insbesondere Jugendliche in prekären Lebenslagen nicht mehr erreicht und damit Entkopplungsprozesse verstärkt werden.
Normalisierung im kommenden Ausbildungsjahr?
Für die Stadt Nürnberg weist die Agentur für Arbeit zum Stand Mai 2021 mit 3.270 gemeldeten Ausbildungsstellen im Vergleich Vorjahr (Mai 2020) einen Rückgang von 10,0 % aus. Der Rückgang bei den gemeldeten Bewerber/-innen (2.464) fällt mit einem Minus von 13,2 % noch stärker aus. Die größten Einbußen hinsichtlich des Ausbildungsplatzangebots sind dabei vor allem in den Bereichen Tourismus, Hotellerie und Gastronomie zu verzeichnen (Quelle: Bundesagentur für Arbeit), d.h. in Branchen die die Einschränkungen in der Folge der Pandemie besonders getroffen haben. Der bisherige Trend im Jahr 2021 gibt allerdings Hoffnung auf eine weiter positive Entwicklung in den nächsten Monaten, auch wenn angenommen werden muss, dass nach 15 Monaten Einschränkungen durch die Pandemie das Vorjahresniveau des Ausbildungsplatzangebots nicht wieder erreicht werden kann. Besonders wichtig ist jetzt die aktive Ansprache junger Menschen, um sie zu Bewerbungen in den Branchen mit ausreichendem Ausbildungsplatzangebot zu motivieren.
#AusbildungJETZT! – Digitale Sprechstunden für interessierte Jugendliche rund ums Thema Ausbildung
Viele aktuelle Schülerabgängerinnen und –abgänger sind in ihrem Bewerbungsverhalten immer noch sehr zögerlich. Nicht zuletzt, weil ihre berufliche Orientierung im letzten Jahr jäh unterbrochen wurde und sie z.B. keine Praktika oder Praxistage absolvieren und erleben durften.
Dabei sind es gerade die Einblicke in die Berufspraxis und Gespräche mit anderen Jugendlichen, die sich bereits in einer Ausbildung befinden, welche Schulabgängerinnen und Schulabgängern bei der Berufswahl besonders weiterhelfen. Um junge Nürnbergerinnen und Nürnberger, die noch unsicher sind, wie es für sie nach der Schule weitergehen kann, zu unterstützen, bieten aktuell zahlreiche Betriebe in Nürnberg digitale Sprechstunden an. In diesen können Jugendliche – mit oder ohne Begleitung durch Eltern bzw. Berater/-innen – mit Auszubildenden und Ausbilder/-innen von Betrieben in Kontakt kommen, die Auszubildende suchen. Auf der Website www.ausbildungjetzt.de, die auf die Initiative der IHK Nürnberg für Mittelfranken in der Task Force Corona des Oberbürgermeisters zurückgeht, finden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren – wie Lehrkräfte oder Beratungsfachkräfte – eine Übersicht zu den angebotenen Sprechstunden.
Quellen:
Bundesagentur für Arbeit: Situation am Ausbildungsmarkt, Berichte Blickpunkt Arbeitsmarkt, November 2020.
Bundesagentur für Arbeit, Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Der Ausbildungsmarkt – Kreis Stadt Nürnberg, 2021.
Stadt Nürnberg, Bürgermeisteramt/Bildungsbüro, Übergang Schule – Beruf: Bericht zu aktuellen Entwicklungen in Nürnberg, Vorlage zur Sitzung des gemeinsamen Jugendhilfe- und Schulausschusses vom 17.6.2021. Der Bericht kann hier online abgerufen werden.
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