Einer aktuellen bundesweiten Studie zufolge nehmen Lehrkräfte Aufgaben im Zusammenhang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine bislang kaum als problematisch wahr. So werden die Pandemie und der Lehrkräftemangel derzeit als die größten Herausforderungen erachtet. Diese Einschätzung kann sich natürlich schnell ändern durch den anhaltenden Zustrom an Schutzsuchenden aus dem Kriegsgebiet und der in Bayern nach drei Monaten einsetzenden Schulpflicht. Dieser Blogartikel betrachtet einige Befunde aus der Studie „Deutsches Schulbarometer Spezial: Geflüchtete ukrainische Schüler:innen an deutschen Schulen“ und wirft einen Blick auf die aktuellsten Zahlen in diesem Zusammenhang an den Nürnberger Schulen.
Bundesweite Befragung aus Sicht der Lehrkräfte
Die kürzlich erschiene Ausgabe des „Deutschen Schulbarometer Spezial“ der Robert Bosch Stiftung beinhaltet die Ergebnisse einer repräsentativen Sonderbefragung unter Lehrkräften allgemeinbildender und berufsbildender Schulen in Deutschland, die zwischen dem 6. und dem 18. April 2022 online durchgeführt wurde. Im Fokus der Befragung stand das Vorgehen der Schulen bei der Unterrichtung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. Befragt wurden 1.017 Lehrkräfte aller Schularten.
Abb. 1: Größte Herausforderungen der Schulen aus Sicht der Lehrkräfte, April 2022
Quelle: Das Deutsche Schulbarometer Spezial: Geflüchtete ukrainische Schüler:innen an deutschen Schulen. Ergebnisse einer Befragung von Lehrkräften allgemeinbildender und berufsbildender Schulen durchgeführt von forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH.
Zur Zeit der Befragung berichtet bereits die Hälfte der Befragten von aufgenommenen ukrainischen Schülerinnen und Schülern an der eigenen Schule. Durchschnittlich seien es acht je Schule. Für die Ankommenden gibt es verschiedene Möglichkeiten der Beschulung. In Bayern gibt es Regelklassen, Deutschklassen oder auch extra vorgesehene pädagogischen Willkommensgruppen. Die Befragten der bundesweit durchgeführten Studie geben an, dass die neuen Schülerinnen und Schüler in den meisten Fällen eine Regelklasse besuchen (dies geben 78 Prozent der Befragten an). Unterricht auf Ukrainisch, Präsenzunterricht durch ukrainisches Personal oder Online-Unterricht wird so gut wie nicht durchgeführt. Bislang sind wenige ukrainisch- oder russischsprachige Fachkräfte an deutschen Schulen tätig.
Mit Blick auf das kommende Schuljahr 2022/23 laufen laut Befragung bereits Vorbereitungen in unterschiedlichem Maß an den Schulen. Dabei geht es um die Erschließung zusätzlicher Räumlichkeiten (43 Prozent der Befragten machen entsprechende Angaben) und um qualifiziertes Personal für den Deutschspracherwerb (40 Prozent). Ein geringerer Fokus liegt auf der Auseinandersetzung mit digitalen, ukrainischen Lernangeboten (24 Prozent) und der Anwerbung von Personen mit Ukrainischkenntnissen, die für Übersetzungen oder als Lehrkräfte eingesetzt werden können.
Aktuelle Situation in Nürnberg
In Nürnberg stellt sich im Mai die Situation angespannter dar. Zum Stand 18. Mai 2022 sind mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler, die aus der Ukraine flüchten mussten, an Nürnberger Schulen. Davon sind 725 Kinder und Jugendliche an Grund- und Mittelschulen und 366 an Realschulen und Gymnasien. Die geflüchteten ukrainischen Schülerinnen und Schüler an Grund- und Mittelschulen verteilen sich wie folgt auf die drei Möglichkeiten: 88 Kinder sind in Regelklassen, meist in der 1. Jahrgangstufe an Grundschulen. 370 Kinder und Jugendliche werden in einer der bestehenden Deutschklassen unterrichtet. Pro Klasse betrachtet bestehen diese in der Regel maximal zur Hälfte aus den Neuankömmlingen. Pädagogische Willkommensgruppen an den Grund- und Mittelschulen besuchen 267 der jungen Menschen. Auch konnten bislang etwa 25 ukrainische Fachkräfte als Personal für die Willkommensgruppen eingestellt werden (Quelle: Staatliches Schulamt in der Stadt Nürnberg).
Dies ist eine Momentaufnahme und die weiteren zahlenmäßigen Entwicklungen sind schwer einschätzbar. Jedoch muss mit einem deutlichen Zuwachs an ukrainischen Kindern und Jugendlichen noch in diesem und dann im kommenden Schuljahr an Nürnberger Schulen gerechnet werden. So sind aktuell 1892 junge zugezogene ukrainische Menschen zwischen 6 und 18 Jahren, und damit im potentiell schulpflichtigen Alter, in Nürnberg gemeldet (Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Migration und Integration). Auch ist nicht davon auszugehen, dass es sich um ein kurzfristiges Phänomen handelt. Die Vorbereitungen für das Schuljahr 2022/23 laufen bereits, wobei große Aufgaben bei der Raum- und vor allem der Personalsituation gesehen werden. Letzterer Punkt stimmt dann wiederum mit der Aussage des Bildungsbarometers überein, wo der Personalmangel als eine der größten Herausforderungen genannt wurde.
Robert Bosch Stiftung (2022): Das Deutsche Schulbarometer Spezial: Geflüchtete ukrainische Schüler:innen an deutschen Schulen. Ergebnisse einer Befragung von Lehrkräften allgemeinbildender und berufsbildender Schulen durchgeführt von forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH. Stuttgart.
Staatliches Schulamt in der Stadt Nürnberg.
Stadt Nürnberg, Amt für Migration und Integration.
Nürnberg ist breit aufgestellt im Schulbereich. Im Schuljahr 2020/21 gab es im Stadtgebiet 147 allgemeinbildende und berufliche Schulen, die zu einem allgemeinbildenden Abschluss führen. Von diesen 147 Schulen befinden sich 99 in staatlicher, 34 in freier und 14 in städtischer Trägerschaft. Dort wurden insgesamt 52.919 Schülerinnen und Schüler in 2.348 Klassen unterrichtet.
Die 23 staatlichen Mittelschulen sind in sechs Mittelschulverbünden organisiert. In jedem Verbund gibt es folgende Angebote: ein Ganztagsangebot, mindestens eine Mittlere-Reife-Klasse (M-Zug), drei berufsorientierende Zweige (Technik, Wirtschaft, Soziales), individuelle, modulare Förderung der Schülerinnen und Schüler sowie eine systematische Berufsorientierung in Kooperation mit externen Akteuren. Die Förderzentren für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Nürnberg bieten alle vorhandenen Förderschwerpunkte wie „Lernen“, „Sehen“, „Hören“, Sprache“, „Körperliche und motorische Entwicklung“, „Geistige Entwicklung (einschließlich Autismus)“ und „Emotionale Entwicklung“ an. Unter den Förderzentren ist auch die Schule für Kranke aufgeführt, die als eigenständige Schulart gilt. Diese Schule kümmert sich um Schülerinnen und Schüler, die für einen längeren Zeitraum aufgrund einer Erkrankung ihre gewöhnliche Schule nicht besuchen können. Eine Besonderheit ist das private Griechische Lyzeum, das die Klassenstufen 10 bis 12 umfasst. Dessen Besuch befreit von der Berufsschulpflicht, ist aber nicht als Ersatzschule für den Besuch einer öffentlichen Schule mit vorgegebenem Lehrplan anerkannt. Die städtische Abendrealschule, das städtische Hermann-Kesten-Kolleg sowie das private Abendgymnasium ermöglicht es Erwachsenen, Schulabschlüsse nachzuholen oder weitere schulische Abschlüsse zu erreichen. In Nürnberg sind somit alle Schularten des sogenannten zweiten Bildungswegs ansässig.
Tabelle 1: Schulen, Klassen und Schülerinnen und Schüler in Nürnberg sowie Klassenstärke in Nürnberg und Bayern, Schuljahr 2020/21
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik; Schulstatistik; eigene Berechnungen. Anmerkung: Die Angaben zu den Klassen sind ohne Kursgruppen der Kollegstufe bzw. der Qualifikationsphase an Gymnasien, Abendgymnasien und Kollegs.
Bei den Schülerzahlen über alle Schularten hinweg gibt es einen Rückgang von rund 500 Kindern und Jugendlichen im Vergleich zum Schuljahr 2017/18 (Stand des letzten Nürnberger Bildungsberichts). Die Schularten weisen teilweise unterschiedliche Entwicklungen in den vergangenen drei Jahren auf (Tabelle 1). So zeigt sich ein Rückgang an den Gymnasien (-122 Schülerinnen und Schüler), an der Abendrealschule (-55), am Abendgymnasium (-163) und an der Fachoberschule (-213). An den Förderzentren gibt es zum aktuelleren Zeitpunkt lediglich 33 Schülerinnen und Schüler weniger. Zuwächse verbuchen dagegen die Grundschulen (+95) und die Realschulen (+144).
Abweichungen bei den durchschnittlichen Klassenstärken an Nürnberger Schulen von den Klassenstärken in Bayern liegen bei den Schulen des Zweiten Bildungsweges sowie an den Fachoberschulen und Berufsoberschulen vor. Mit Ausnahme der Abendrealschulen werden die jeweiligen Nürnberger Klassen von etwas mehr Schülerinnen und Schüler besucht als im bayerischen Durchschnitt.
Weitere Informationen und Befunde aus dem Schulbereich und anderen Bildungsbereichen finden Sie im nächsten Bildungsbericht „Bildung in Nürnberg 2022“, der aktuell vom Nürnberger Bildungsbüro erarbeitet wird und Ende des Jahres erscheint.
Wie an jedem Bildungsübergang schlagen sich auch beim Übertritt von der Schule in die Berufsausbildung oder ins Studium soziale Ungleichheiten in besonderer Weise nieder. Vorwissen in der eigenen Familie über mögliche Einstiege in die tertiäre Bildung sowie Netzwerke entscheiden wesentlich darüber, wie flüssig und zielsicher Bildungswegeentscheidungen und Einstiege in die berufliche oder akademische Bildung gelingen. Das Aelius Förderwerk stellt sich dieser Herausforderung. Wir haben mit Hanin Alubaidy gesprochen, ehrenamtliche Leiterin der Regionalgruppe Nürnberg.
Frau Alubaidy, Sie arbeiten als Ehrenamtliche für das Aelius Förderwerk. Wie sind Sie denn dazu gekommen?
Ich war im vergangenen September selbst an einem Workshop vom Aelius Förderwerk beteiligt. Ich war mir selbst noch sehr unsicher, was ich studieren will. Dort konnte ich mich auch mit Studierenden verschiedener Fachrichtungen austauschen, das hat mir sehr geholfen.
Inzwischen hatte ich auch schon Vorstellungsgespräche und ich habe jetzt ein duales Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Nürnberg und mache den praktischen Teil während der Ferien bei Siemens. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben an andere Schülerinnen und Schüler. Deshalb bin ich seit November als Ehrenamtliche bei Aelius.
Bitte geben Sie uns einen Einblick in das, was das Förderwerk tut.
Das Aelius Förderwerk ist ein gemeinnütziger Verein, der benachteiligte Schülerinnen und Schüler fördert. Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass sie unabhängig von deren sozialen oder finanziellen Situation Bildungsmöglichkeiten haben. Unser Kernangebot ist das Mentoring-Programm “Dialog-Chancen“. Hier bekommen die Schülerinnen und Schüler einen Mentor oder eine Mentorin an die Seite gestellt. Und wir matchen die Mentoren und die Mentees auf Grundlage ihrer Interessen und Erfahrungen. Für uns ist natürlich auch wichtig, in welcher Region sie sind, damit sie sich auch real treffen können. Außerdem gibt es ein Netzwerk der Mentees, die sich auch untereinander treffen und vernetzen können. Da die ideelle Förderung ein wichtiger Bestandteil des Mentoringprogramms ist, bieten wir zahlreiche Workshops wie z.B. die Sommerakademie. Das gibt natürlich zusätzlich Mut und Motivation.
Welche Voraussetzungen gibt es, um in das Programm zu kommen?
Mentorin oder Mentor kann man werden, sobald man eine Berufsausbildung oder ein Studium hat und seine Erfahrungen weitergeben möchte. Die Mentees, also die Schülerinnen und Schüler beginnen meist in etwa ab 13 Jahren, also wenn es darum geht, den eigenen weiteren Weg zu finden. Eine Altersgrenze nach oben gibt es für die Mentees nicht. Ich hatte auch eine etwas komplizierte Schullaufbahn und ich werde voraussichtlich dieses Jahr erst mit 21 mein Abitur schreiben.
Das erscheint uns gar nicht so außergewöhnlich spät.
Naja, bei mir in der Jahrgangsstufe sind die meisten 16 oder 17 Jahre alt. Ich musste auch bei den Bewerbungen erklären, warum ich so spät dran bin. Ich kam von der Realschule in eine Übergangsklasse.
Welche Angebote gibt es ergänzend zum Mentoring?
Das sind zum einen Workshops und zum anderen Beratungen. Die Beratungen finden online statt. Jeder kann das nutzen, kann die eigene Situation schildern und erklären, was man braucht. Zum Beispiel Unterstützung beim Lebenslauf. Wir schauen uns das dann an und geben Tipps. Oder wir empfehlen Stipendien oder andere Anlaufstellen, wenn es jemandem um Studienfinanzierung geht.
Die Workshops behandeln vor allem Themen, die in der Schule nicht im Mittelpunkt stehen. Zum Beispiel Zeitmanagement oder Nachhaltigkeit. Wir haben auch einen Sanitätsworkshop angeboten oder eben den Strato-Workshop, an dem ich teilgenommen habe. Dieser dreitägige Workshop wurde gemeinsam mit der FAU durchgeführt und da haben wir Sonden in die Stratosphäre geschickt. Diese Workshops sind offen für alle Schülerinnen und Schüler, egal, ob sie Mentees sind oder nicht.
Strato-Workshop vom Aelius Förderwerk
Finden diese Workshops digital statt oder analog?
Der Strato-Workshop und auch der Workshop zur Nachhaltigkeit fanden analog statt. Wir versuchen so viele Treffen wie möglich real stattfinden zu lassen, weil sozial benachteiligten Schülern oft der Zugang zum Internet fehlt, zum Beispiel weil sie keinen Laptop haben.
Hat man auch aus Sicht von Aelius gemerkt, wie sich in der Pandemie die Bedarfe verändern?
Sehr deutlich, ja. Wir haben eigentlich immer außerschulische Angebote gemacht. Aber wegen der besonderen Situation haben wir dann auch Angebote durchgeführt wie das Corona-Abitur. Damit haben wir online Nachhilfe für Abiturientinnen und Abiturienten angeboten. Durchgeführt wurde die Nachhilfe von Lehramts-Studierenden aus dem jeweiligen Bundesland. Bundesweit haben wir damit über 3000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Eine andere Beobachtung war die große Frustration unserer Mentees, dass ihre Interessen nicht gehört wurden. Beispielsweise darüber, dass es keine Kulturangebote mehr gab – sowieso schon schwierig für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler, daran teilzuhaben.
Inzwischen ist das Aelius Förderwerk bundesweit aktiv. Entstanden ist es in Nürnberg. Merkt man das noch?
Nürnberg ist eine unserer stärksten Regionalgruppen. Auch unsere Geschäftsstelle und besonders viele Kooperationen sind in Nürnberg. Die organisatorische Abstimmung funktioniert aber überwiegend online, deshalb ist es auch kein Problem, dass inzwischen rund 150 Ehrenamtliche auch bundesweit zusammenarbeiten. Das hat sich einfach ergeben, weil einzelne Leute weggezogen sind, Freunde mitgebracht haben und so Aelius auch an andere Orte gelangte.
Im Dezember 2021 stellten wir im Bildungsblog bereits erste Befunde aus der Nürnberger Befragung zu Zugewanderten aus Rumänien vor. Ein Großteil der Befragten verfügte über ein hohes oder sehr hohes Bildungsniveau und hatte viel Erfahrung mit formalem Lernen. Gleichzeitig stellten sich ihre aktuellen Deutschsprachkenntnisse sehr unterschiedlich dar: Während etwa die Hälfte der Befragten ihre Deutschkenntnisse als sehr gut einschätzte, gaben über 40 Prozent ein (sehr) niedriges Sprachniveau an. Dabei hatte ein großer Teil (43,2 %) bisher keinen Deutschkurs besucht, obwohl viele bereits seit mehr als zwei Jahren in Deutschland lebten. Es kann daher von einem deutlichen Sprachbildungs- und Beratungsbedarf ausgegangen werden.
Faktoren für eine gelingende Arbeitsmarktintegration
Neben dem Spracherwerb fragte die vorliegende Studie auch nach der Erwerbssituation der Zugewanderten. Insgesamt gaben 76,4 Prozent der Befragten an, erwerbstätig zu sein. Etwa jede/r Zehnte arbeitete mit weniger als 15 Stunden oder in einem Minijob in niedriger Teilzeit.
Von denjenigen, die angaben, kaum Deutschkenntnisse vorzuweisen (A1 oder niedriger), war zum Zeitpunkt der Befragung über die Hälfte nicht erwerbstätig. Unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war das Sprachniveau insgesamt etwas höher als unter denen, die keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübten (Abbildung 1).
Abbildung 1: Erwerbstätigkeit nach Sprachniveau
Quelle: Befragung von Zugewanderten aus Rumänien, Erhebung des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg;n = 346.
Ein großer Teil der Befragten arbeitete in Bereichen, die ihrer Qualifikation nicht entsprachen. Nahezu die Hälfte gab an als Arbeiter/-innen tätig zu sein, hiervon wiederum circa drei Viertel als Helfer/-innen. Zugleich verfügten drei Viertel der Befragten über (sehr) hohe Bildungsabschlüsse. Auch hatte mehr als jede/r dritte, der/die eine Helfertätigkeit ausübte, einen Hochschulabschluss beziehungsweise fast die Hälfte der Befragten mit Hochschulabschluss arbeitete in einem Beruf, der nur ein niedriges oder sehr niedriges Qualifikationsniveau erforderte.
Personen, die weniger als fünf Jahre in Deutschland lebten, übten überdurchschnittlich häufig keine Erwerbstätigkeit aus. Bei der Erarbeitung von Unterstützungsstrategien sollten deswegen besondere Schwerpunkte auf neuzugewanderten Personen und auf ausbildungsinadäquater Beschäftigung liegen.
Beratung zu beruflicher (Weiter-)Bildung
Um in Deutschland zügig einer ausbildungsadäquaten Beschäftigung nachgehen zu können, braucht es in der Regel ausreichende Sprachkenntnisse, gezielte Weiterbildung und/oder die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. In der Region gibt es ausreichend Beratungsangebote, die dabei unterstützen einen auf die individuellen Voraussetzungen der Zugewanderten abgestimmten Weg der Bildungs- und Arbeitsmarktintegration einzuschlagen. Von den Befragten hatte jedoch über die Hälfte noch keinen Kontakt zu entsprechenden Beratungsstellen (Abbildung 2). Von den Personen mit (sehr) niedrigen Deutschkenntnissen und denjenigen mit (sehr) niedriger beruflicher Stellung nahm sogar nur ein Drittel Beratungsleistungen zu beruflicher Weiterbildung in Anspruch. Mit zunehmendem Sprachniveau wurde es allerdings wahrscheinlicher, dass die Zugewanderten eine Beratungsstelle zum Thema aufsuchten.
Abbildung 2: Kontakt zu Vereinen, Beratungsstellen und Migrantenorganisationen bezüglich beruflicher (Weiter-)Bildung
Quelle: Befragung von Zugewanderten aus Rumänien, Erhebung des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg;n = 365.
Was ist jetzt zu tun, um eine adäquate sprachliche und berufliche (Weiter-)Bildung von Zugewanderten zu unterstützen?
Für eine adäquate sprachliche und berufliche (Weiter-)Bildung von Zugewanderten sind gezielte Unterstützungsmaßnahmen erforderlich:
Frühe und ausreichende Informationen über die Strukturen des Bildungssystems: Angebote der Bildungslandschaft sowie Zusammenhänge zwischen Sprachkenntnissen, der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Erwerbsarbeit sollten transparent dargestellt werden.
Muttersprachliche Informationsmaterialien & Beratungsleistungen: Informationsmaterial und Beratungsleistungen, insbesondere zu Anerkennungsmöglichkeiten von Bildungsabschlüssen sowie zu notwendigen Sprachvoraussetzungen, sollten in unterschiedlichen Sprachen zu Verfügung stehen, um den Zuwandernden bereits bei Einreise eine Perspektive aufzuzeigen.
Bekanntmachung bestehender Beratungsstrukturen: Um die spezifischen Zielgruppen systematisch zu erreichen, müssen neue Konzepte entwickelt und innovative Wege gegangen werden (zum Beispiel Ansprache über die sozialen Netzwerke der Zugewanderten sowie in der Muttersprache, Integreat App).
Kreative Konzepte zur Verbesserung der Zielgruppenansprache: Ansprachen in Nachbarschaft und Quartier könnten verstärkt in Kulturvereinen, Familienzentren, an Stadtteilfesten oder ähnlichen Veranstaltungen stattfinden. Dabei sollten die Erfahrungen der Migrantenorganisationen berücksichtigt werden.
Intensivierung der Vernetzung verschiedener Anlaufstellen: Es empfiehlt sich beispielsweise eine enge Zusammenarbeit mit dem Einwohnermeldeamt; dort finden sich alle EU-Bürger/-innen bereits bei Zuzug ein und könnten gezielt mit mehrsprachigem Informationsmaterial versorgt werden.
Gemeinsame Anstrengungen verstärken: Eine noch engere Vernetzung von Kommune, Kammern, Arbeitsagentur, Jobcenter, Hochschulen und weiteren beteiligten Stellen zum Thema sollte angestrebt werden.
Es ist nicht nur für die Zugewanderten selbst, sondern auch volkswirtschaftlich von großem Nachteil, wenn diese nicht ausbildungsadäquat – beispielsweise in niedrigen Hilfsarbeiterjobs – beschäftigt sind. Individuell, da diese Jobs mit niedrigem Einkommen und Prestige sowie häufig mit Unterforderung verbunden sind. Gesellschaftlich und wirtschaftlich, da trotz deutlichem Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen diese Potentiale nicht ausgeschöpft werden. Deswegen müssen sämtliche Anstrengungen gebündelt werden, um die Beratungs- und Weiterbildungsstrukturen und hier insbesondere die Zielgruppenansprache weiter zu verbessern.
Quelle:
Bildungsbüro der Stadt Nürnberg (2021), Pilotvorhaben Kommunales Programm Deutschspracherwerb, Befragung zur Sprach- und Weiterbildung von Bürgerinnen und Bürgern, die aus Rumänien zugewandert sind: Der Bericht kann hier abgerufen werden.
Neben interkulturellen Schulungen für Mitarbeitende der Kommunalverwaltung lebt das Projekt „IKÖK – interkulturelle Öffnung in Kommunen“ vom Austausch mit verschiedenen Stakeholdern wie Migrantenorganisationen, Wirtschafts- und Wohlfahrtsverbänden und städtischen Beschäftigten und Personalverantwortlichen.
Im Dezember 2021 waren alle diese Gruppen zu einem ersten Aktionsabend eingeladen, um sich zu informieren und auszutauschen. Die mangelnde Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung war das Thema des Abends. Dr. Anne-Kathrin Will vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsstudien (DeZIM) referierte dazu über ihre aktuelle Studie „Ein Zeitfenster für Vielfalt – Chancen für die interkulturelle Öffnung in der Verwaltung“.
In den kommenden anderthalb Jahrzehnten steht laut Studie im öffentlichen Dienst in der Bundesrepublik eine demographisch bedingte Verrentungs- bzw. Pensionierungswelle bevor (Abbildung 1). Der wachsende Personalbedarf auch in Führungspositionen, so Wills zentrale These, biete sich nun eine historische Chance, den öffentlichen Dienst personell vielfältiger aufzustellen – ein Zeitfenster für Vielfalt eben.
Abbildung: Baumann et al. (2019): Ein Zeitfenster für Vielfalt, Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 7.
Unter den vom DeZIM untersuchten Kommunal-, Landes- und Bundesverwaltungen sei zwar die Zielsetzung sehr verbreitet, den Anteil des Personals mit Zuwanderungsgeschichte erhöhen zu wollen; ein zupackendes Bündel an Maßnahmen erwies sich jedoch eher als Ausnahme. Immerhin noch 14 von 20 untersuchten Verwaltungen verwendeten in Stellenausschreibungen eine sogenannte Ermutigungsklausel. Eine Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Migrantenorganisationen nannten dagegen nur noch drei der 20. Und zwei gaben an, interkulturelle Schulungen für das Personal anzubieten.
In dieser Hinsicht ist die Stadt Nürnberg nun einen weiteren Schritt in Richtung interkultureller Öffnung gegangen. Seit Projektbeginn im November 2020 wurden durch IKÖK bisher 26 interkulturelle Schulungen mit 170[1] Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt – pandemiebedingt in den meisten Fällen digital.
Dass aber nichtsdestotrotz auch in Nürnberg noch ein weiter Weg zu gehen ist, darin waren sich alle an der Diskussion Beteiligten im Anschluss an Wills Vortrag einig. Um das Zeitfenster für Vielfalt zu nutzen, brauche es unter anderem eine entschlossene Personalpolitik. Aber auch ein fundiertes Monitoring sei nötig, um Fortschritte messbar zu machen.
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