Wie an jedem Bildungsübergang schlagen sich auch beim Übertritt von der Schule in die Berufsausbildung oder ins Studium soziale Ungleichheiten in besonderer Weise nieder. Vorwissen in der eigenen Familie über mögliche Einstiege in die tertiäre Bildung sowie Netzwerke entscheiden wesentlich darüber, wie flüssig und zielsicher Bildungswegeentscheidungen und Einstiege in die berufliche oder akademische Bildung gelingen. Das Aelius Förderwerk stellt sich dieser Herausforderung. Wir haben mit Hanin Alubaidy gesprochen, ehrenamtliche Leiterin der Regionalgruppe Nürnberg.
Frau Alubaidy, Sie arbeiten als Ehrenamtliche für das Aelius Förderwerk. Wie sind Sie denn dazu gekommen?
Ich war im vergangenen September selbst an einem Workshop vom Aelius Förderwerk beteiligt. Ich war mir selbst noch sehr unsicher, was ich studieren will. Dort konnte ich mich auch mit Studierenden verschiedener Fachrichtungen austauschen, das hat mir sehr geholfen.
Inzwischen hatte ich auch schon Vorstellungsgespräche und ich habe jetzt ein duales Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Nürnberg und mache den praktischen Teil während der Ferien bei Siemens. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben an andere Schülerinnen und Schüler. Deshalb bin ich seit November als Ehrenamtliche bei Aelius.
Bitte geben Sie uns einen Einblick in das, was das Förderwerk tut.
Das Aelius Förderwerk ist ein gemeinnütziger Verein, der benachteiligte Schülerinnen und Schüler fördert. Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass sie unabhängig von deren sozialen oder finanziellen Situation Bildungsmöglichkeiten haben. Unser Kernangebot ist das Mentoring-Programm “Dialog-Chancen“. Hier bekommen die Schülerinnen und Schüler einen Mentor oder eine Mentorin an die Seite gestellt. Und wir matchen die Mentoren und die Mentees auf Grundlage ihrer Interessen und Erfahrungen. Für uns ist natürlich auch wichtig, in welcher Region sie sind, damit sie sich auch real treffen können. Außerdem gibt es ein Netzwerk der Mentees, die sich auch untereinander treffen und vernetzen können. Da die ideelle Förderung ein wichtiger Bestandteil des Mentoringprogramms ist, bieten wir zahlreiche Workshops wie z.B. die Sommerakademie. Das gibt natürlich zusätzlich Mut und Motivation.
Welche Voraussetzungen gibt es, um in das Programm zu kommen?
Mentorin oder Mentor kann man werden, sobald man eine Berufsausbildung oder ein Studium hat und seine Erfahrungen weitergeben möchte. Die Mentees, also die Schülerinnen und Schüler beginnen meist in etwa ab 13 Jahren, also wenn es darum geht, den eigenen weiteren Weg zu finden. Eine Altersgrenze nach oben gibt es für die Mentees nicht. Ich hatte auch eine etwas komplizierte Schullaufbahn und ich werde voraussichtlich dieses Jahr erst mit 21 mein Abitur schreiben.
Das erscheint uns gar nicht so außergewöhnlich spät.
Naja, bei mir in der Jahrgangsstufe sind die meisten 16 oder 17 Jahre alt. Ich musste auch bei den Bewerbungen erklären, warum ich so spät dran bin. Ich kam von der Realschule in eine Übergangsklasse.
Welche Angebote gibt es ergänzend zum Mentoring?
Das sind zum einen Workshops und zum anderen Beratungen. Die Beratungen finden online statt. Jeder kann das nutzen, kann die eigene Situation schildern und erklären, was man braucht. Zum Beispiel Unterstützung beim Lebenslauf. Wir schauen uns das dann an und geben Tipps. Oder wir empfehlen Stipendien oder andere Anlaufstellen, wenn es jemandem um Studienfinanzierung geht.
Die Workshops behandeln vor allem Themen, die in der Schule nicht im Mittelpunkt stehen. Zum Beispiel Zeitmanagement oder Nachhaltigkeit. Wir haben auch einen Sanitätsworkshop angeboten oder eben den Strato-Workshop, an dem ich teilgenommen habe. Dieser dreitägige Workshop wurde gemeinsam mit der FAU durchgeführt und da haben wir Sonden in die Stratosphäre geschickt. Diese Workshops sind offen für alle Schülerinnen und Schüler, egal, ob sie Mentees sind oder nicht.
Finden diese Workshops digital statt oder analog?
Der Strato-Workshop und auch der Workshop zur Nachhaltigkeit fanden analog statt. Wir versuchen so viele Treffen wie möglich real stattfinden zu lassen, weil sozial benachteiligten Schülern oft der Zugang zum Internet fehlt, zum Beispiel weil sie keinen Laptop haben.
Hat man auch aus Sicht von Aelius gemerkt, wie sich in der Pandemie die Bedarfe verändern?
Sehr deutlich, ja. Wir haben eigentlich immer außerschulische Angebote gemacht. Aber wegen der besonderen Situation haben wir dann auch Angebote durchgeführt wie das Corona-Abitur. Damit haben wir online Nachhilfe für Abiturientinnen und Abiturienten angeboten. Durchgeführt wurde die Nachhilfe von Lehramts-Studierenden aus dem jeweiligen Bundesland. Bundesweit haben wir damit über 3000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Eine andere Beobachtung war die große Frustration unserer Mentees, dass ihre Interessen nicht gehört wurden. Beispielsweise darüber, dass es keine Kulturangebote mehr gab – sowieso schon schwierig für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler, daran teilzuhaben.
Inzwischen ist das Aelius Förderwerk bundesweit aktiv. Entstanden ist es in Nürnberg. Merkt man das noch?
Nürnberg ist eine unserer stärksten Regionalgruppen. Auch unsere Geschäftsstelle und besonders viele Kooperationen sind in Nürnberg. Die organisatorische Abstimmung funktioniert aber überwiegend online, deshalb ist es auch kein Problem, dass inzwischen rund 150 Ehrenamtliche auch bundesweit zusammenarbeiten. Das hat sich einfach ergeben, weil einzelne Leute weggezogen sind, Freunde mitgebracht haben und so Aelius auch an andere Orte gelangte.
Titelbild: © Hanin Alubaidy.
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