Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

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Befunde aus der Nürnberger Befragung zu Zugewanderten aus Rumänien: Erwerbstätigkeit und Handlungsempfehlungen

Beitrag vom 21. Mrz. 2022

Im Dezember 2021 stellten wir im Bildungsblog bereits erste Befunde aus der Nürnberger Befragung zu Zugewanderten aus Rumänien vor. Ein Großteil der Befragten verfügte über ein hohes oder sehr hohes Bildungsniveau und hatte viel Erfahrung mit formalem Lernen. Gleichzeitig stellten sich ihre aktuellen Deutschsprachkenntnisse sehr unterschiedlich dar: Während etwa die Hälfte der Befragten ihre Deutschkenntnisse als sehr gut einschätzte, gaben über 40 Prozent ein (sehr) niedriges Sprachniveau an. Dabei hatte ein großer Teil (43,2 %) bisher keinen Deutschkurs besucht, obwohl viele bereits seit mehr als zwei Jahren in Deutschland lebten. Es kann daher von einem deutlichen Sprachbildungs- und Beratungsbedarf ausgegangen werden.

Faktoren für eine gelingende Arbeitsmarktintegration

Neben dem Spracherwerb fragte die vorliegende Studie auch nach der Erwerbssituation der Zugewanderten. Insgesamt gaben 76,4 Prozent der Befragten an, erwerbstätig zu sein. Etwa jede/r Zehnte arbeitete mit weniger als 15 Stunden oder in einem Minijob in niedriger Teilzeit.

Von denjenigen, die angaben, kaum Deutschkenntnisse vorzuweisen (A1 oder niedriger), war zum Zeitpunkt der Befragung über die Hälfte nicht erwerbstätig. Unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war das Sprachniveau insgesamt etwas höher als unter denen, die keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübten (Abbildung 1).

Abbildung 1: Erwerbstätigkeit nach Sprachniveau

Quelle: Befragung von Zugewanderten aus Rumänien, Erhebung des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg; n = 346.

Ein großer Teil der Befragten arbeitete in Bereichen, die ihrer Qualifikation nicht entsprachen. Nahezu die Hälfte gab an als Arbeiter/-innen tätig zu sein, hiervon wiederum circa drei Viertel als Helfer/-innen. Zugleich verfügten drei Viertel der Befragten über (sehr) hohe Bildungsabschlüsse. Auch hatte mehr als jede/r dritte, der/die eine Helfertätigkeit ausübte, einen Hochschulabschluss beziehungsweise fast die Hälfte der Befragten mit Hochschulabschluss arbeitete in einem Beruf, der nur ein niedriges oder sehr niedriges Qualifikationsniveau erforderte.

Personen, die weniger als fünf Jahre in Deutschland lebten, übten überdurchschnittlich häufig keine Erwerbstätigkeit aus. Bei der Erarbeitung von Unterstützungsstrategien sollten deswegen besondere Schwerpunkte auf neuzugewanderten Personen und auf ausbildungsinadäquater Beschäftigung liegen.

Beratung zu beruflicher (Weiter-)Bildung

Um in Deutschland zügig einer ausbildungsadäquaten Beschäftigung nachgehen zu können, braucht es in der Regel ausreichende Sprachkenntnisse, gezielte Weiterbildung und/oder die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. In der Region gibt es ausreichend Beratungsangebote, die dabei unterstützen einen auf die individuellen Voraussetzungen der Zugewanderten abgestimmten Weg der Bildungs- und Arbeitsmarktintegration einzuschlagen. Von den Befragten hatte jedoch über die Hälfte noch keinen Kontakt zu entsprechenden Beratungsstellen (Abbildung 2). Von den Personen mit (sehr) niedrigen Deutschkenntnissen und denjenigen mit (sehr) niedriger beruflicher Stellung nahm sogar nur ein Drittel Beratungsleistungen zu beruflicher Weiterbildung in Anspruch. Mit zunehmendem Sprachniveau wurde es allerdings wahrscheinlicher, dass die Zugewanderten eine Beratungsstelle zum Thema aufsuchten.

Abbildung 2: Kontakt zu Vereinen, Beratungsstellen und Migrantenorganisationen bezüglich beruflicher (Weiter-)Bildung

Quelle: Befragung von Zugewanderten aus Rumänien, Erhebung des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg; n = 365.

Was ist jetzt zu tun, um eine adäquate sprachliche und berufliche (Weiter-)Bildung von Zugewanderten zu unterstützen?

Für eine adäquate sprachliche und berufliche (Weiter-)Bildung von Zugewanderten sind gezielte Unterstützungsmaßnahmen erforderlich:

  • Frühe und ausreichende Informationen über die Strukturen des Bildungssystems: Angebote der Bildungslandschaft sowie Zusammenhänge zwischen Sprachkenntnissen, der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Erwerbsarbeit sollten transparent dargestellt werden.
  • Muttersprachliche Informationsmaterialien & Beratungsleistungen: Informationsmaterial und Beratungsleistungen, insbesondere zu Anerkennungsmöglichkeiten von Bildungsabschlüssen sowie zu notwendigen Sprachvoraussetzungen, sollten in unterschiedlichen Sprachen zu Verfügung stehen, um den Zuwandernden bereits bei Einreise eine Perspektive aufzuzeigen.
  • Bekanntmachung bestehender Beratungsstrukturen: Um die spezifischen Zielgruppen systematisch zu erreichen, müssen neue Konzepte entwickelt und innovative Wege gegangen werden (zum Beispiel Ansprache über die sozialen Netzwerke der Zugewanderten sowie in der Muttersprache, Integreat App).
  • Kreative Konzepte zur Verbesserung der Zielgruppenansprache: Ansprachen in Nachbarschaft und Quartier könnten verstärkt in Kulturvereinen, Familienzentren, an Stadtteilfesten oder ähnlichen Veranstaltungen stattfinden. Dabei sollten die Erfahrungen der Migrantenorganisationen berücksichtigt werden.
  • Intensivierung der Vernetzung verschiedener Anlaufstellen: Es empfiehlt sich beispielsweise eine enge Zusammenarbeit mit dem Einwohnermeldeamt; dort finden sich alle EU-Bürger/-innen bereits bei Zuzug ein und könnten gezielt mit mehrsprachigem Informationsmaterial versorgt werden.
  • Gemeinsame Anstrengungen verstärken: Eine noch engere Vernetzung von Kommune, Kammern, Arbeitsagentur, Jobcenter, Hochschulen und weiteren beteiligten Stellen zum Thema sollte angestrebt werden.

Es ist nicht nur für die Zugewanderten selbst, sondern auch volkswirtschaftlich von großem Nachteil, wenn diese nicht ausbildungsadäquat – beispielsweise in niedrigen Hilfsarbeiterjobs – beschäftigt sind. Individuell, da diese Jobs mit niedrigem Einkommen und Prestige sowie häufig mit Unterforderung verbunden sind. Gesellschaftlich und wirtschaftlich, da trotz deutlichem Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen diese Potentiale nicht ausgeschöpft werden. Deswegen müssen sämtliche Anstrengungen gebündelt werden, um die Beratungs- und Weiterbildungsstrukturen und hier insbesondere die Zielgruppenansprache weiter zu verbessern.


Quelle:

Bildungsbüro der Stadt Nürnberg (2021), Pilotvorhaben Kommunales Programm Deutschspracherwerb, Befragung zur Sprach- und Weiterbildung von Bürgerinnen und Bürgern, die aus Rumänien zugewandert sind: Der Bericht kann hier abgerufen werden.

Titelbild: © Rudi Ott.

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