Präsenzveranstaltungen weiterhin vorherrschendes Lehrformat an Hochschulen

Präsenzveranstaltungen weiterhin vorherrschendes Lehrformat an Hochschulen

Im Sommersemester 2020 war an den Hochschulen – bedingt durch die Corona-Pandemie – eine Umstellung auf digitale Lehrformate notwendig. Hierfür mussten Infrastrukturen aufgebaut werden, die den Ausbau und die Umsetzung digitaler Lehrformate ermöglichen. Mittlerweile stellt die Präsenzlehre – in Form von Vorlesungen, Seminaren oder Tutorien – wieder die häufigste Lehrform an Hochschulen dar, wie eine aktuelle Befragung im Rahmen des Monitor Digitalisierung 360° des Hochschulforum Digitalisierung zeigt.

Für den Monitor zum Stand der Digitalisierung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen wurden zwischen Juni und Oktober 2022 über 1.600 Hochschulangehörige zu Themen wie didaktischen Formaten, räumlicher Infrastruktur und konkreten Unterstützungsangeboten befragt. Die Befragung der Hochschulleitungen (n=74), Studierenden (n=1.008), Lehrenden (n=399) und Supportmitarbeitenden[1] (n=127) zeigte, dass die meisten Veranstaltungen an deutschen Hochschulen nach dem Ende der Pandemie-Maßnahmen wieder in Präsenz stattfanden.

Präsenzlehre wieder vorherrschendes Lehrformat

Etwa die Hälfte (47,4 %) aller befragten Lehrenden boten im Sommersemester 2022 Seminare ausschließlich in Präsenz an (Abbildung 1). Lediglich acht Prozent der Lehrenden gaben Seminare, die ausschließlich online stattfanden. Viele Hochschulen nutzen mittlerweile die Möglichkeit, wie Präsenz- und Online-Lernformen miteinander kombiniert werden können. So boten etwa im Sommersemester 2022 11,4% der befragten Lehrenden Seminare als Blended Learning (d.h. Präsenzlehre und virtuelle Lehre im Wechsel) an und 18,1% als hybride Lehre (d.h. gleichzeitig in Präsenz und virtuell). Bei Vorlesungen lag der entsprechende Anteil mit Blended Learning-Formaten bei 9,4 % und mit hybrider Lehre bei 21,4%.

Abbildung 1: Angaben der Lehrenden zu Lehrformaten in Lehrveranstaltungen, Sommersemester 2022 („In welchen Lehrformaten finden Ihre Lehrveranstaltungen im aktuellen Sommersemester statt?“)

Quelle: CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Hochschulforschung Digitalisierung: HFD-Arbeitspapier 68: Monitor Digitalisierung 360°, 2023, Abb. 30, S. 56.

Blick in die Zukunft: Studierende wünschen sich eine interaktivere Lehre

Zwei Drittel (66,3 %) der befragten Studierenden antworteten auf die Frage, welche Veränderungen sie in Bezug auf die Lehre zukünftig begrüßen würden, dass sie sich eine interaktivere Lehre wünschen. 65,3 % der befragten Studierenden gaben den Wunsch nach einer multimedialeren Lehre an und 64,4% wünschten sich hybride Lernangebote (z.B. die Zuschaltung einer Vorlesung) als festen Bestandteil des Hochschulalltags (Quelle: CHE Centrum für Hochschulentwicklung 2023, S. 68f.).

Befunde der Studierendenbefragung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Mit der Studierendenbefragung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg liegen exemplarisch Angaben zu den Studienbedingungen an einer ortsansässigen Hochschule vor. Die verfügbaren Daten aus der FAU-Studierendenbefragung 2021 zeigten, dass die Befragten die zum Erhebungszeitpunkt (5. Mai bis 13. Juni 2021) noch überwiegend eingesetzte Online-Lehre größtenteils positiv bewerteten. Trotzdem wünschte sich über die Hälfte der befragten Studierenden nach der Corona-Pandemie eine Mischung aus Online- und Präsenzlehre, in welchem die Präsenzlehre überwiegt.


[1] Einrichtungen zur Qualitätssicherung und Entwicklung der Hochschullehre, Hochschulbibliotheken, Medienzentren, Rechenzentren, IT-Dienstleistungszentren, Supporteinrichtungen für digitales Lernen oder digitale Prüfungen, Zentren für Hochschuldidaktik.


Quellen:

CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Hochschulforum Digitalisierung, Hochschulforschung Digitalisierung 2023: HFD-Arbeitspapier 68: Monitor Digitalisierung 360°, online abrufbar unter https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/monitor-digitalisierung.

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2022: FAU-Studierendenbefragung 2022 gestartet | Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Bevölkerungsentwicklung und Bildungslandschaft

Bevölkerungsentwicklung und Bildungslandschaft

Was die Bevölkerungsentwicklung einer Stadt mit ihrem Bildungssystem zu tun hat? Eine ganze Menge! Wenn die Geburtenzahlen steigen, sorgt das zum Beispiel für steigenden Platz- und Personalbedarf in Kindertagesstätten und Schulen. Wenn eine immer größere Zahl von Nürnbergerinnen und Nürnbergern ins Rentenalter kommt, erhöht das den Fachkräftebedarf. Und der Fachkräftebedarf wird langfristig trotz leicht gestiegener Geburtenzahlen, wenn überhaupt, nur durch Zuwanderung aus dem Ausland zu decken sein. Es gibt also gute Gründe, die Bevölkerungsentwicklung als zentrale Rahmenbedingung für das Bildungssystem zu betrachten, wie es im Nürnberger Bildungsbericht üblich ist.

Pro Jahr bräuchte es laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (iab) deutschlandweit eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen – und damit mehr als doppelt so viele Zuzüge wie im Durchschnitte der vergangenen Jahrzehnte.[1] Nürnberg ist traditionell besonders stark von Zuwanderung geprägt, wodurch die Alterung der Stadtgesellschaft deutlich abgedämpft wird.[2] Nachstehende Abbildung zeigt, dass der Abstand zwischen Geburten- und Sterbezahlen wieder größer wird. Im Jahr 2022 sind in Nürnberg 1.598 mehr Menschen gestorben als geboren wurden – der Abstand ist damit größer als in jedem anderen Jahr seit 2008. Ohne Zuwanderung würde Nürnbergs Bevölkerung also schrumpfen.

Viel stärker als Geburten und Sterbefälle fallen zahlenmäßig allerdings Wanderungsbewegungen ins Gewicht und hier war für die ersten beiden Jahre der Pandemie eine bemerkenswerte Entwicklung zu verzeichnen. Die Wanderungsbewegungen gegenüber dem Inland wie auch gegenüber dem Ausland sind in dieser Zeit stark eingebrochen. Das betrifft Zuzüge ebenso wie Fortzüge. Lediglich die Fortzüge aus Nürnberg in das Inland gingen nur moderat zurück.[3] Die Pandemie wirkte also offenbar als Migrationsbremse.

Abbildung 1: Entwicklung der Geburten- und Sterbefallzahlen sowie Zu- und Fortzüge aus dem In- und Ausland in Nürnberg in Nürnberg, 2008 bis 2022

Quellen: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth; Einwohnermelderegister.

Neueste Bevölkerungsdaten ergänzen nun die Darstellung des jüngsten Bildungsberichts um das Jahr 2022 und machen erneut markante Entwicklungen mit Blick auf die Migration deutlich. Der Zuzug sowohl aus dem Inland wie auch aus dem Ausland steigt an. Allerdings handelt es sich bei der Zuwanderung aus dem Ausland um mehr als eine Verdoppelung (+111,5%) von 11.650 in 2021 auf 24.638 in 2022. Damit liegt der Zuzug aus dem Ausland zahlenmäßig sogar über dem Wert von 2015 (22.021). Dies deckt sich mit der Beobachtung einer Zuwanderung auf Rekordniveau (+ca. 1,1 Mio.) auf Bundesebene, die für den höchsten Bevölkerungsstand (ca. 84 Mio.) der bundesrepublikanischen Geschichte verantwortlich ist.[4]

Mit Stichtag zum 31.12.2022 waren in Nürnberg 8.083 zugezogene Personen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft wohnhaft. Die Ukraine nimmt infolge des russischen Angriffskriegs eine herausgehobene Rolle unter den Zugewanderten ein. Allein erklärt sich der Anstieg der Bevölkerung mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit dadurch jedoch nicht. Weitere wichtige Herkunftsländer waren in 2022 wie in den Vorjahren unter anderem Rumänien (2.846), Syrien (1.260) und Bulgarien (1.029).[5]


[1] https://www.iab-forum.de/die-deutsche-wirtschaft-braucht-kuenftig-mehr-fachkraefte-aus-drittstaaten/

[2] Stadt Nürnberg Bildung Büro (2022): Bildung in Nürnberg 2022. Sechster Bildungsbericht der Stadt Nürnberg, S. 19.

[3] Stadt Nürnberg Bildung Büro (2022): Bildung in Nürnberg 2022. Sechster Bildungsbericht der Stadt Nürnberg, S. 21.

[4] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_026_124.html

[5] Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Statistik und Stadtforschung für Nürnberg und Fürth.


Titelbild: © Pixabay.

Nürnberger Bildungsbericht 2022 – Soziokultur und kulturelle Bildung in Nürnberg

Nürnberger Bildungsbericht 2022 – Soziokultur und kulturelle Bildung in Nürnberg

Seit Frühjahr 2022 herrscht in vielen Bereichen der non-formalen Bildung annähernd „Normalbetrieb“. Welche Veränderungen es rückblickend nach den Jahren der Corona-Pandemie und langen Phasen der Einschränkungen im Bereich der Soziokultur und der kulturellen Bildung gab, werden in diesem Artikel aufgezeigt.

Spürbare Einschränkungen für soziokulturelle Einrichtungen

Im Bereich der Soziokultur und der kulturellen Bildung, deren vielfältige Angebote auf Aktivierung und Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern ausgerichtet sind, hinterließen die Einschränkungen der letzten Jahre besondere Spuren. Exemplarisch dafür kann dies am Z-Bau – Haus für Gegenwartskultur und den Nürnbergern Kulturläden, die dem Amt für Kultur und Freizeit zugeordnet sind, gezeigt werden. Beide Einrichtungen waren 2020 und 2021 zeitweise geschlossen und konnten kaum – wie gewohnt – (Groß-)Veranstaltungen durchführen. Die Auswirkungen auf die Anzahl der Besuchenden werden anhand der Statistik der Kulturläden deutlich (Abbildung 1): Von 2019 bis 2020 sank die Gesamtanzahl der Besuchenden von 514.520 auf 204.024. Im Jahr 2021 ging die Gesamtzahl mit 197.080 Besuchenden nochmals geringfügig zurück, jedoch verzeichneten einzelne Kulturläden, zum Beispiel Schloss Almoshof, Ziegelstein und Röthenbach wieder einen Besucherzuwachs.

Abbildung 1: Besucherzahlen der Kulturläden in Nürnberg, 2018 bis 2021

Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Stadtforschung und Statistik Nürnberg und Fürth, Statistisches Jahrbuch.

Verstärkte Entwicklung von digitalen, aufsuchenden und Open-Air Formaten

Wie viele andere Einrichtungen der non-formalen Bildung entwickelten der Z-Bau und die Kulturläden unter den erschwerten Bedingungen neue Angebotsstrukturen.

Insbesondere in der Digitalisierung von Angeboten wurde die Chance gesehen, weiter mit Besucherinnen und Besuchern in Kontakt zu bleiben. So entstand unter anderem im Z-Bau das Diskursformat „Wie wir leben wollen“. In Online-Beiträgen überregionaler Expertinnen und Experten zu Themen wie Cancel Culture, Rassismus und Verschwörungsmythen lud das Format der zum Nachdenken und Austausch in sozialen Medien ein. Auch die Kulturläden setzten entlang ihres jeweiligen Programmprofils auf digitale Formate. So führten der Kulturladen Zeltnerschloss, das Gemeinschaftshaus Langwasser oder auch das KUF im südpunkt Kurse und andere Gruppenangebote digital durch. Sowohl das Kulturbüro Muggenhof als auch die Villa Leon veranstalteten verschiedenste online-Formate für Konzerte und Festivals, der Kulturladen Zeltnerschloss und das Loni-Übler-Haus boten unter anderem digitale Vorträge und Ausstellungen an.

Neben der Ausweitung digitaler Angebote nutzten der Z-Bau und die Kulturläden ihre Außenbereiche vermehrt für Open-Air-Veranstaltungen, um unter Corona-Rahmenbedingungen gemeinsam mit Menschen die Soziokultur aufleben zu lassen. So war der Nordgarten des Z-Baus ein Ort für Urban Gardening, Handwerk sowie kulturelle und künstlerische Aktivitäten. In den Kulturläden fanden 2020 insgesamt 128 Veranstaltungen und 2021 186 Veranstaltungen unter freiem Himmel statt. Beispielsweise entstanden im Kulturladen Ziegelstein Formate wie Gartenlesungen oder auch Schlosshof- und Biergartenkonzerte in Almoshof.

Die Kulturläden intensivierten über digitale und Open-Air-Veranstaltungen hinaus auch ihre aufsuchende Arbeit im öffentlichen Raum (2020: 84 Veranstaltungen, 2021: 228). Wie auf diese Weise mehr Menschen in den Stadtteilen erreicht werden können, zeigt sich insbesondere am Projekt KommVorZone, welche das KUF im südpunkt erstmals im Sommer 2021 organisierte. Auf der eigens gebauten Bühne mit Kiosk im Annapark fanden 110 kulturelle Angebote mit 70 Kooperationspartner/-innen statt, die von einer offenen Gruppe, bestehend aus Bürger/-innen, Künstler/-innen sowie Initiativen und Vereinen der Südstadt geplant wurden. Insgesamt besuchten 2021 rund 6.000 Besuchende die verschiedenen Angebote der KommVorZone.

Annähernd „normaler Betrieb“ und neue Herausforderungen in 2022

Ab dem Frühjahr 2022 und dem Aufheben der Corona-Beschränkungen kehrte in den soziokulturellen Einrichtungen wieder ein annähernd „normaler“ Kulturbetrieb ein. Neben der Basisarbeit in den Kulturläden fanden nach zwei Jahren beispielsweise die meisten Stadtteilfeste wieder statt. Der wieder laufende Veranstaltungsbetrieb birgt jedoch auch Herausforderungen. So füllten die vielen Verschiebungen von Veranstaltungen den Terminkalender des Z-Baus wie im Voraus und lassen weniger Raum für flexible Angebote.  Positive Projekterfahrungen aus der Pandemiezeit wirkten jedoch auch auf die Angebotsstrukturen, so bot beispielsweise das KUF im südpunkt die KommVorZone 2022 ein weiteres Mal angeboten.


Weitere Informationen und datengestützte Angaben zum Ausbildungsmarkt und der beruflichen Bildung sowie zu weiteren Bildungsbereichen in Nürnberg finden sich im aktuellen Bildungsbericht.


Quellen:

Stadt Nürnberg, Amt für Kultur und Freizeit (2022): Jahreskontrakt 2023 des Amts für Kultur und Freizeit.

Stadt Nürnberg, Bürgermeisteramt/Bildungsbüro (2022): Bildung in Nürnberg. Sechster Bildungsbericht der Stadt Nürnberg. Der Bericht ist online abrufbar unter: https://www.nuernberg.de/imperia/md/bildungsbuero/dokumente/bildung_in_nuernberg_2022.pdf

Warum wählen Jugendliche Berufe? Und warum wählen sie Berufe nicht?

Warum wählen Jugendliche Berufe? Und warum wählen sie Berufe nicht?

Auf der Suche nach dem Grund für die „immer gleiche“ Berufswahl (vgl. Blogbeitrag „Keine Trendumkehr am Ausbildungsmarkt 2022) muss man die grundlegende Frage nach der Motivation für die eigentliche Berufswahl stellen. Mit der Frage: „Warum wählen Jugendliche bestimmte Berufe?“ beschäftigt sich die Bildungsforschung schon lange.

Eine neuere Studie (Matthes, Stephanie: Warum werden Berufe nicht gewählt? Die Relevanz von Attraktions- und Aversionsfaktoren in der Berufsfindung. Bonn 2019) ist insbesondere der Frage „Warum wählen Jugendliche manche Berufe NICHT?“ nachgegangen und beschreibt neben dem „Attraktionsfaktor“ der Tätigkeitspassung als notwendige Bedingung der Berufswahl auch diverse (individuell unterschiedliche) „Aversionsfaktoren“, die die Passung „stören“ können.

Abbildung 1: Einflussfaktoren in der Berufsfindung

Quelle: Matthes, Stephanie: Warum werden Berufe nicht gewählt? Die Relevanz von Attraktions- und Aversionsfaktoren in der Berufsfindung. Bonn 2019 S. 86.

Neben leicht nachvollziehbaren Faktoren wie „Belastungen durch Rahmenbedingungen“, wie sie z.B. in unbeliebten Berufen der Pflege oder der Gastronomie häufig benannt werden, stellt hier v.a.  die „mangelnde soziale Passung“ einen wichtigen Hinderungsgrund für die Berufswahl dar, das heißt, dass vor allem die Antizipation negativer Reaktionen des sozialen Umfelds auf eine bestimmte Berufswahl dazu führt, dass der entsprechende Beruf ausgeschlossen wird. In den Bewerberbefragungen des BIBB wird dieser Faktor mithilfe der Frage „Was denkst du: Wie würdest du mit diesen Berufen bei deinen Freunden/ deiner Familie ankommen?“ erfasst.

Das bedeutet, dass junge Menschen im Streben nach sozialer Anerkennung Berufe, bei deren Wahl sie mit negativen Reaktionen ihres sozialen Umfelds (Familie, Freunde, Bekannte) rechnen, sogar dann ausschließen, wenn die Tätigkeit des Berufs eigentlich zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passen würde („Tätigkeitspassung“). Das Streben nach einer positiven beruflichen Identität führt damit im Extremfall zur Wahl eines Berufs, der nicht zu den eigenen Interessen passt oder aber bei dem die Besetzungschancen (zu) gering sind.

Ergebnisse von Studien zum Berufsprestige (Ebner/Rohrbach-Schmidt 2019) stützen diese Theorie: hier zeigt sich ein geringes Ansehen eher in Ausbildungsberufen, die auch hohe Anteile von unbesetzten Ausbildungsstellen aufweisen.

Und auch die Geschlechterdisparitäten können zu einem Teil auf die Prägung durch vorherrschende Berufsimages zurückgeführt werden, die sich auf die Selbsteinschätzung von Mädchen und Jungen auswirkt (Kampshoff/Wiepcke 2019).

Berufsorientierungsmaßnahmen: mehr Reflexion statt noch mehr Information

Wenn die Berufswünsche der jungen Menschen auf der Suche nach ihrer persönlichen und beruflichen Identität also so stark von der „sozialen Passung“ abhängen, sind Probleme der Berufswahlentscheidung keine reinen Wissens- oder Orientierungsprobleme. Oehme formulierte schon 2013, dass die „verbreitete Idee, dass das größte Integrationsproblem an der Schwelle in die Ausbildung die Unklarheit über Berufswünsche und damit folglich der Übergang durch Klarheit zu befördern wäre“ trügen könnte. (Oehme 2013, S. 639 ff.)

Das heißt für die Durchführung bei Maßnahmen der Berufsorientierung und -beratung nicht ausschließlich auf umfassende Information und Orientierung sowie die Herstellung einer „Passung“ zu zielen, sondern die Berufsorientierung stärker zu individualisieren und Reflexionsprozesse zu ermöglichen. Die Reflexion über eigene Erfahrungen und die (vermuteten) Einschätzungen der Umwelt gelingt in der Praxis oft dort besonders gut, wo mit Eltern und/oder ehemaligen Schüler/-innen mit Berufserfahrung in vermeintlich untypischen oder weniger prestigeträchtigen Berufen über deren Erfahrungen diskutiert werden kann (Matthes 2019, S. 169).

Dieser Erkenntnis wird in Nürnberg aktuell insbesondere bei Angeboten wie „Berufe erleben“, den „AusbildungsScouts“, bei den SCHLAU-Firmenveranstaltungen  sowie durch zahlreiche schulspezifische Angebote Rechnung getragen. In den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit für Jugendliche, die nicht mehr an das Schulsystem angebunden sind, steht das Sammeln praktischer Erfahrungen im Mittelpunkt. Hierbei ist auch Raum für Austausch und Reflexion mit Ausbildern unterschiedlichster Berufsgruppen.


Weitere Informationen und datengestützte Angaben zum Ausbildungsmarkt und der beruflichen Bildung sowie zu weiteren Bildungsbereichen in Nürnberg finden sich im aktuellen Bildungsbericht.


Quellen:

Matthes, Stephanie: Warum werden Berufe nicht gewählt? Die Relevanz von Attraktions- und Aversionsfaktoren in der Berufsfindung. Bonn 2019.

Ebner, Christian / Rohrbach-Schmidt, Daniela: Deutliche Unterschiede im Ansehen dualer Ausbildungsberufe in Deutschland. In: BiBB (Hg.), BWP, 4/2019.

Kampshoff, Marita / Wiepcke, Claudia: Geschlechtersensible Berufliche Orientierung – Fachdidaktischer Dreischritt für einen zeitgemäßen Wirtschaftsunterricht. In: Schröder, R. (eds) Berufliche Orientierung in der Schule. Springer VS, Wiesbaden, 2019.

Oehme, Andreas: Dilemmata in der beruflichen Orientierung. In: Schröer, W. u.a. (Hg.): Handbuch Übergänge, 2013.

Titelbild: © Bildungsbüro/Stadt Nürnberg.

Keine Trendumkehr am Ausbildungsmarkt 2022

Keine Trendumkehr am Ausbildungsmarkt 2022

Der Ausbildungsmarkt entwickelt sich nach den schwierigen, von der Pandemie geprägten Vorjahren weiterhin zum „Bewerbermarkt“: Zum 30. September 2022 waren bei der Agentur für Arbeit insgesamt 3.004 Bewerberinnen und Bewerber um Berufsausbildungsstellen in der Stadt Nürnberg gemeldet. Ihnen gegenüber standen 4.128 gemeldete Berufsausbildungsstellen. Diese nehmen damit – nach dem Einbruch durch die Pandemie – weiterhin zu. Die Zahl der Bewerber/-innen bleibt dagegen auf dem niedrigen Niveau der beiden Vorjahreszeiträume bestehen, so dass sich die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage weiter vergrößert (Abbildung 1). Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen (+15,1%) stieg wiederum und dies etwas stärker als die Zahl unversorgten Bewerber/-innen (+13,5%), d.h. es bestehen weiterhin sowohl Besetzungs- wie Vermittlungsprobleme (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).

Abbildung 1: Seit Beginn des Berichtsjahrs gemeldete Berufsausbildungsstellen und Bewerber/-innen für Berufsausbildungsstellen in der Stadt Nürnberg, Berichtsjahre 2016/17 bis 2021/22

Anmerkung: Ein Berichtsjahr bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres. Die Datenrevision der BA führt in den Werten des Jahres 202/21 zu geringen Abweichungen im Vergleich zur Darstellung im Bildungsbericht 2022. 
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Bewerber und Berufsausbildungsstellen, September 2016 bis 2022; eigene Darstellung.

„Immerwährende“ TOP 10 der Berufe?

Ein Blick auf die aktuelle Rangliste der gewählten Ausbildungsberufe nach Neuabschlüssen für das Berichtsjahr 2021/22 der Arbeitsagentur in der Stadt Nürnberg zeigt die Ausbildungsberufe Medizinische/-r Fachangestellte/-r, Kaufmann/-frau für Büromanagement und Verkäufer/-in auf den vorderen drei Plätzen (Abbildung 2).

Abbildung 2: Top-10-Berufe der Bewerber/-innen in der Stadt Nürnberg, Berichtsjahr 2021/22

Quelle: Bundesagentur für Arbeit: Der Ausbildungsmarkt, Kreis Nürnberg Stadt, Berichtsjahr 2021/2022, September 2022; eigene Darstellung.

Es bestätigt sich der seit Jahren bestehende Befund, dass Bewerberinnen und Bewerber um duale Ausbildungsplätze stets die gleichen Ausbildungsberufe wählen, marginale Änderungen – wie z.B. der Anstieg  des Berufs „Fachinformatiker/in“ –  sind lediglich in der Langzeitbeobachtung wahrzunehmen (Quelle: Statista). Auch in Bezug auf die „nicht versorgten“ Ausbildungsplatzbewerber/-innen ergibt sich ein ähnliches Bild: Die jungen Menschen wählen eben gerade nicht die Berufe besonders häufig, für die es aufgrund von Angebotsüberhängen hohe Chancen gibt, sondern orientierten sich ebenfalls an den „TOP 10“-Ausbildungsberufen (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, ebd.).

Genauso stabil zeigt sich auch die Geschlechtsabhängigkeit der Berufswahl – trotz aller bestehenden Angebote zur „klischeefreien Berufsorientierung“ (wie z.B. der Bundesinitiative Klischeefrei). Frauen wählen immer noch tendenziell nicht-technische Berufe, die häufig geringer entlohnt werden.

Über mögliche Gründe, die in der Bildungswissenschaft für dieses eingeschränkte Wahlverhalten diskutiert werden, berichten wir im nächsten Blogbeitrag.


Weitere Informationen und datengestützte Angaben zur beruflichen Bildung in Nürnberg und weiteren Bildungsbereichen finden sich im neuen Bildungsbericht.


Quellen:

Bundesagentur für Arbeit, Bewerber und Berufsausbildungsstellen, September 2016 bis 2022.

Bundesagentur für Arbeit: Der Ausbildungsmarkt, Kreis Nürnberg Stadt, Berichtsjahr 2021/2022, September 2022.

Statista, Infografik Beliebte Ausbildungsberufe – gestern und heute (2003 und 2020; Datenquelle: Statistisches Bundesamt).