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Trifft Corona alle Beschäftigten gleich? Aktuelle Auswirkungen der Pandemie auf die Beschäftigungssituation

Beitrag vom 02. Nov. 2020

Die Corona-Pandemie wirkt auf Wirtschaft und Gesellschaft und zeigt umfangreiche Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt: Hat der OECD-Bildungsbericht noch davon gesprochen, dass die Beschäftigungsquoten gut und in Deutschland sogar besonders hoch sind, geht der OECD-Beschäftigungsausblick 2020 davon aus, dass selbst im Falle der günstigsten Entwicklung die OECD-weite Arbeitslosenquote im vierten Quartal 2020 9,4 Prozent erreichen könnte – den höchsten Wert seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Laut der Arbeitsmarktprognose des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit 2020/21 hat sich die Krisenwirkung am Arbeitsmarkt im Herbst 2020 bereits wieder erheblich abgeschwächt. Dennoch ist die wirtschaftliche Aktivität in vielen Branchen noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau angekommen und weitere Einflüsse durch aktuell anstehende Maßnahmen des Infektionsschutzes sind zu befürchten. Damit könnte sich die durch die Corona-Konjunkturkrise entstandene Arbeitslosigkeit in Deutschland verfestigen.

Besonders betroffene Personengruppen

Erste wissenschaftliche Analysen zeigen, dass sich bestehende Ungleichheiten in der Erwerbssituation bereits kurzfristig verstärkt haben und es damit langfristig zu einem Anstieg sozialer Ungleichheiten kommen könnte (vgl. z.B. Kleinert/ Bächmann/ Zoch (2020). Arbeitsmarkt und Beschäftigung entwickeln sich in der Pandemie in verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich. So hatten z.B. die Produktionsstilllegungen im verarbeitenden Gewerbe oder Schließungen im Einzelhandel Auswirkungen auf relativ viele Erwerbstätige.

Betrachtet man den Einfluss nach Qualifikationsniveaus, leiden insgesamt insbesondere niedriger qualifizierte Personen mit geringen Einkommen deutlich stärker unter den negativen Rahmenbedingungen. So mussten der OECD zufolge zu Zeiten des Lockdowns Geringverdiener doppelt so häufig ihre Arbeit ganz aufgeben wie Angehörige der oberen Einkommensschicht, die wiederum sehr viel häufiger von zu Hause arbeiten konnten. Das IAB kommt zu dem Ergebnis, dass gerade Personen mit Migrationshintergrund, insbesondere aus Asylherkunftsländern und Frauen, überdurchschnittlich häufig von Kurzarbeit und Jobverlust bedroht sind.  Wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, müssen Arbeitnehmerinnen in ihren Familienrollen besonders häufig die Folgen der Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen und den veränderten Unterrichtsformen an Schulen kompensieren.

Beschäftigungssituation in Nürnberg

Nürnberg konnte vor der Pandemie auf eine längere Phase wirtschaftlichen Aufschwungs zurückblicken, in der die Beschäftigungsquote konstant stieg und damit die Arbeitslosigkeit sank. Besonders hervorzuheben war dabei, dass zuletzt nahezu alle Bevölkerungsgruppen von dieser positiven Entwicklung profitieren konnten. Allerdings wurden weiterhin starke räumliche Unterschiede festgestellt und insbesondere kinderreiche Familien bezogen überproportional häufig Transferleistungen nach dem SGB-II (vgl. Bildung in Nürnberg 2019, Fünfter Bildungsbericht der Stadt Nürnberg, Kapitel A-3).

Welche Auswirkungen hat nun die Pandemie auf den städtischen Arbeitsmarkt? Die Anzahl der sich in Kurzarbeit befindenden Personen erreichte im April ihren Höhepunkt, im Juni sanken die Zahlen bereits wieder auf ein deutlich niedrigeres Niveau (Abbildung 1). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Pandemie bei der Anzahl der Arbeitslosen auch im September noch deutlich zu erkennen. Seit September letzten Jahres kam es damit zu einem Anstieg von 33,1 %.

Ebenfalls deutlich fällt der Anstieg bei den Unterbeschäftigten aus. Hier sind zusätzlich die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB) gelten, weil sie an einer Maßnahme der Arbeitsförderung teilnehmen oder kurzfristig erkrankt sind. Im Vergleich zum Vorjahreswert kam es hier zu einem Anstieg von 18,4 %.

Abbildung 1: Bestand an Arbeitslosen, Bestand an Unterbeschäftigten und Personen in Kurzarbeit in Nürnberg, Juni 2019 bis September 2020

Quelle: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth, Arbeitsmarktdaten, eigene Darstellung.

Deutlich zeigen sich Unterschiede in den Auswirkungen der Pandemie bei der Betrachtung der absoluten Arbeitslosenzahlen nach verschiedenen Ausbildungsniveaus (Abbildung 2). In allen drei dargestellten Gruppen kommt es mit Eintreten der Infektionsschutzmaßnahmen zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Allerdings zeigt sich ebenso wie auf Bundesebene, dass deutlich mehr Personen mit niedrigerer Qualifikation arbeitslos geworden sind. Bei Personen ohne Berufsabschluss ist seit März ein Anstieg um 2.800 Personen zu verzeichnen, bei Personen mit betrieblicher oder schulischer Ausbildung ein Anstieg um 2.604 Personen festzustellen. Dagegen ist die Arbeitslosenzahl bei Akademiker/-innen nur um 810 angestiegen. Im September ist in allen Gruppen erstmals eine Verbesserung festzustellen.

Menschen mit geringerem Ausbildungsniveau sind besonders auf schnelle Wiedereinstellung angewiesen. Nachdem im Herbst die „Neueinstellungsdynamik“ noch immer deutlich unter dem Stand vor der Krise liegt, muss befürchtet werden, dass die unterschiedliche Betroffenheit mittelfristig zu einer Verstärkung der sozialen Benachteiligung von Personen mit geringer Qualifikation führt.

Abbildung 2: Anzahl Arbeitsloser nach Ausbildungsniveau in Nürnberg, Januar 2019 bis September 2020

Quelle: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth, Arbeitsmarktdaten, eigene Darstellung.

Eine aktuelle Analyse des IAB kommt zu dem Ergebnis, dass der technologische Wandel der letzten 20 Jahre bereits die Höherqualifizierten zu Lasten der mittleren Qualifikationsebene begünstigt. Die Effekte der Corona-Pandemie würden diese Entwicklung verstärken und zu einer „transformativen Rezession“ führen, bei der sich die Arbeitslosigkeit verfestigen könnte. Damit würde nicht mehr „nur“ die Gruppe der gering qualifizierten Beschäftigten besonders unter den Auswirkungen leiden, sondern es bestünde daneben die Gefahr, dass mittelfristig auch Personen mit soliden beruflichen Ausbildungen über länger dauernde Arbeitslosigkeit in soziale Ausgrenzungsprozesse geraten.

Maßnahmen zur Gegensteuerung

Um diese negativen Auswirkungen zu verhindern – und gleichzeitig in vielen Branchen den andauernden Fachkräftebedarf erfüllen zu können – werden aktuell u.a. folgende Maßnahmen diskutiert:

  • Ein „Rettungsschirm für Neueinstellungen“ (vgl. Weber 2020) des Staates könnte Neueinstellungen finanziell unterstützen, um gerade Menschen, die aus befristeten oder aktuell beendeten Arbeitsverhältnissen kommen, unmittelbar eine Anschlusschance zu bieten und sowohl Einkommen zu sichern als auch Abstiegsprozesse aufzuhalten.
  • Ein Bildungsbonus zur Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen während Zeiten von Arbeitslosigkeit könnte dabei helfen, die Zeiten der Rezession für Weiterentwicklung und Qualifizierung zu nutzen (vgl. Hutter/Weber 2020). Ein solcher regelmäßiger Bonus würde insbesondere Personen mit geringem Qualifikationsniveau einen Motivationsanreiz bieten sich weiterzubilden, statt z.B. zusätzliche Mini-Jobs zur Einkommenssicherung anzunehmen.

Auch in Nürnberg müssen die bestehenden Strategien der Arbeitsförderung weitergeführt und –  auf der Grundlage neuer gesetzlicher Möglichkeiten, wie dem Teilhabechancengesetz oder dem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ – angepasst werden. So will sich u.a. der „Runde Tisch Weiterbildung“, der vom Bildungsbüro organisiert wird, schwerpunktmäßig mit der Vernetzung von Angeboten für gering qualifizierte Personen beschäftigen. Damit möglichst alle Erwerbspersonen in Nürnberg an Bildung und damit an Teilhabe „dranbleiben“ können – auch nach der „Corona-Zeit“!


Quellen:

Anger, S., Bauer, A. et al. (2020): Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Befunde der IAB-Forschung zur Corona-Krise –Zwischenbilanz und Ausblick, S.11 f.

Hutter,Ch. / Weber, E. (2020): Corona-Krise: die transformative Rezession; In: Wirtschaftsdienst, Vol. 100, No. 6, S. 429-431.

IAB-Arbeitsmarktprognose 2020/21: https://www.iab-forum.de/arbeitsmarktprognose-2020-2021_arbeitsmarkt_auf_schwierigem_erholungskurs/

Kleinert, C., Bächmann, A., Zoch, G. (2020): Leibnitz-Institut für Bildungsverläufe e.V. Erwerbsleben in der Corona-Krise: Welche Rolle spielen Bildungsunterschiede, S.6 f.

OECD (2020): https://www.oecd.org/berlin/presse/oecd-beschaeftigungsausblick-2020.htm

Stadt Nürnberg, Bildungsbüro (2020): Bildung in Nürnberg 2019, Fünfter Bildungsbericht der Stadt Nürnberg, Kapitel A-3, S.24 ff. und S.28 ff.

Statistisches Bundesamt (2020): https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Arbeitsmarktstrukturen-Covid19.html

Weber E. (2020): Ein Rettungsschirm für Neueinstellungen, in: Makronom 30.03.2020


Titelfoto: © iStock; Bildausschnitt, grafisch bearbeitet.

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