Hilft das Berufsvorbereitungsjahr Jugendlichen beim Schritt in die Ausbildung? – Ergebnisse der „Praxisforschung Berufsvorbereitung“

Hilft das Berufsvorbereitungsjahr Jugendlichen beim Schritt in die Ausbildung? – Ergebnisse der „Praxisforschung Berufsvorbereitung“

Alle jungen Menschen, die nach der Beendigung ihrer Vollzeit-Schulpflicht (mit oder ohne Schulabschluss) keinen Ausbildungsplatz oder anderweitigen Anschluss in Aussicht haben und weiterhin berufsschulpflichtig sind, münden seit dem Schuljahr 2020/21 direkt in das vollschulische „Berufsvorbereitungsjahr“ an einer der Nürnberger Berufsschulen ein. Die bayernweite Neustrukturierung zeigt – genauso wie die erstmalige Einführung eines Lehrplans für das BVJ – die weitere Institutionalisierung dieses Angebots, das in Nürnberg bereits seit langem einen festen Bestanteil des sogenannten „Übergangssystems“ bildet. Bezogen auf die Gesamtzahl der Mittelschulabgänger/-innen mündeten 2019/20 fast ein Drittel (29,2%) in eine Maßnahme der Berufsvorbereitung ein (neben dem BVJ sind dies auch weitere nichtschulische Maßnahmen).

Im aktuellen Schuljahr 2021/22 werden 370 Schüler und Schülerinnen in insgesamt 17 Klassen der Berufsvorbereitung (BVJ) unterrichtet, davon 136 in sechs Klassen nach dem kooperativen Modell (BVJ/k) gemeinsam mit einem Bildungsträger und 234 in elf vollschulischen Klassen der Berufsvorbereitung (BVJ/s).

Qualitative Praxisforschung zur Analyse der Zielerreichung

Mit der „Praxisforschung Berufsvorbereitung“, die im Dezember 2021 abgeschlossen wurde, wollte das Bildungsbüro in Abstimmung mit dem Amt für Berufliche Schulen ein Schlaglicht auf die derzeitigen Herausforderungen der Berufsvorbereitung werfen und mögliche Verbesserungspotentiale aufzeigen.

Zur Beantwortung der Forschungsfrage „Wie schätzen die BVJ-Lehrkräfte die Zielerreichung des Berufsvorbereitungsjahres ein?“ wurden im Sommer 2021 insgesamt elf leitfadengestützte Interviews mit Lehrkräften zu deren Einschätzung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität durchgeführt und mithilfe der strukturierenden Inhaltsanalyse ausgewertet.

Aufgrund des Zeitraums der Befragung, kurz nach Schulöffnung nach der „dritten Corona-Welle“ und innerhalb der Umsetzung der neuen BVJ-Konzeption sind die Ergebnisse allerdings nicht vollständig verallgemeinerbar.

Ergebnisse der Praxisforschung

Alle befragten Lehrkräfte sehen im BVJ ein sinnvolles Konzept und erleben die praktische Umsetzung als zielführend für die Erreichung der Ziele „berufliche Handlungsfähigkeit aufbauen“, „Persönlichkeit bilden“ und „demokratische Handlungskompetenzen fördern“.

Für die Lehrkräfte ist die konkrete Arbeit mit der Zielgruppe der BVJ-Schülerinnen und Schüler – mit ihren bisherigen Bildungsverläufen und ganz individuellen Problemlagen – eine Aufgabe, die sie gleichermaßen herausfordert wie beruflich erfüllt. Sie kann nach ihrer Einschätzung nur mit einer „Pädagogik auf Augenhöhe“ gelingen, in der die Person der Lehrkraft besonders gefragt ist, indem sie sowohl empathisch Vertrauen aufbauen muss, als auch gleichzeitig sehr klare Regeln verhandeln und deren Einhaltung kontrollieren und sanktionieren muss.

In den Interviews war deutlich zu spüren, dass die Lehrkräfte mit ihrer jeweils eigenen Lehrerpersönlichkeit alle davon überzeugt sind, dass sich der Einsatz im BVJ lohnt, um den Schülerinnen und Schülern die „Lebensunterstützung“ zu geben, die diese meist bislang noch nicht erhalten haben. Sicht- und erlebbare Erfolge in Bezug auf die verbesserte Lebensreife sowie die gelungene Integration in Ausbildung motivieren die Lehrkräfte, auf dem richtigen Weg zu sein. Zentraler Erfolgsfaktor ist für sie dabei der Praxisbezug des BVJ, der insbesondere auch „schulmüde“ Jugendliche neu aktivieren kann.

Um individueller agieren zu können wünschen sich die befragten Lehrkräfte insbesondere kleinere Klassen, sowie mehr Ressourcen für die begleitende Sozialpädagogik und Schulpsychologie.

Beispielhafte Zitate aus den Interviews:

„Man kommt nirgends näher an einen Schüler ran als im BVJ.“ „Wir sind für viele Schüler die Letzten, die ihnen noch mal was sagen können fürs Leben.“

 „Es geht nur um Praxis, die müssen raus aus der Schule, die müssen in die Betriebe, Arbeiten kennenlernen. Da braucht man Ressourcen, damit man das begleiten kann.“

 „Das ist auch tatsächlich das, was wir immer im BVJ sagen, jede Stunde jede Minute, die wir jetzt in diese Schüler investieren, das sparen wir uns später an Transferleistungen.“

Aus den Wahrnehmungen und Einschätzungen ergeben sich aber einige Empfehlungen aus Sicht der Praxisforschung, die Sie in der Komplettfassung der Studie nachlesen können.

Ausblick: Zukunft des BVJ?

Das BVJ ist aus der Sicht der Lehrkräfte auf jeden Fall eine effektive Maßnahme für die Zielgruppe. Trotzdem sind aber auch nach dem BVJ einige junge Menschen auf Unterstützung angewiesen und laufen Gefahr, noch „Warteschleifen“ in Maßnahmen drehen zu müssen und auch mittelfristig nicht in eine Berufsausbildung einmünden zu können.

Dies verlangt nach weiteren Anstrengungen zu größerer Durchlässigkeit und Inklusionsfähigkeit der Berufsvorbereitung – bei Aufrüstung mit entsprechenden personellen Ressourcen – sowie nach der weiteren Profilierung des Bereichs der Berufsvorbereitung als unverzichtbares Angebot im Übergang zu Ausbildung und Arbeitswelt.


Datenquelle: Stadt Nürnberg, Amt für Berufliche Schulen.

Titelbild: © Stadt Nürnberg.

„Bildung auf einen Blick 2020“ – OECD-Bericht veröffentlicht

„Bildung auf einen Blick 2020“ – OECD-Bericht veröffentlicht

Der aktuelle Bericht „Bildung auf einen Blick (2020)“, der herausgegeben wird durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), erschien im September. Wie jedes Jahr wird darin die Bildungssituation im frühkindlichen Bereich bis zur Weiterbildung im Erwachsenenalter in den OECD-Ländern in Verlauf und Qualität dargestellt.

Die Studie erhebt unter anderem Daten zu den Themen Bildungsbeteiligung, Absolventenquoten, Bildungsausgaben, Weiterbildung und Lehr- und Lernbedingungen. Der Stand der Daten liegt vor 2020, dennoch werden mögliche Auswirkungen der diesjährigen COVID-19-Pandemie berücksichtigt. Der OECD-Bericht betrachtet dabei die bildungspolitischen Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die darin bestehen, inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle zu fördern. Ein Schwerpunktthema des Berichts liegt in diesem Jahr auf der beruflichen Bildung, die als eine der großen Stärken des deutschen Bildungssystems benannt wird.

Das Berufsbildungssystem in Deutschland stellt dem Bericht zufolge eine hohe Beschäftigungsfähigkeit sicher. Ihm wird eine Schlüsselrolle in der Phase nach der Corona-Pandemie zugesprochen. Rund die Hälfte (46 %) der Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich II in Deutschland entscheiden sich für einen berufsbildenden Bildungsgang. Der Großteil (89 %) aller Schülerinnen und Schüler in berufsbildenden Bildungsgängen nimmt an einem „kombinierten schulischen und betrieblichen Bildungsgang“ teil, was die führende Rolle der dualen Berufsausbildung in Deutschland zeigt.

Eine grundständige berufliche Ausbildung verbessert deutlich die Chancen auf dauerhafte Beschäftigung:  2019 waren in Deutschland 88 % der 25- bis 34-Jährigen mit einem berufsbildenden Abschluss (im Sekundarbereich II bzw. postsekundären nichttertiären Bereich) in Beschäftigung. Dies entspricht dem Anteil der Gleichaltrigen mit Hochschul-, Fachhochschul- oder anderem sogenannten tertiären Abschluss mit ebenfalls 88 %. Nur drei Prozent der Personen mit beruflichem Bildungsabschluss sind erwerbslos, im OECD-Durchschnitt sind es doppelt so viele. Gleichzeitig betont der Bericht den hohen Einkommensvorteil von Menschen mit einem Tertiärabschluss (zu dem auch der Meister- oder Technikerabschluss zählen).

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung; Sachdaten: OECD-Studie “Bildung auf einen Blick 2020”.

In allen OECD-Ländern steigen die Beschäftigungsquoten, je länger der Abschluss zurückliegt. In Deutschland finden gut 86 % der erwachsenen Absolventinnen und Absolventen des Sekundarbereichs II zwischen 15 und 34 Jahren innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrem Abschluss einen Arbeitsplatz. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 66 %. Diese Beschäftigungsquote in Deutschland bleibt auch zwei bis drei Jahre bzw. vier bis fünf Jahre nach dem Abschluss noch bei 88 bzw. 87 %.

Im Bereich der frühkindlichen Bildung hebt der OECD-Bericht hohe Teilnahmequoten und gute Betreuungsrelationen hervor. Ab einem Alter von einem Jahr lag die Beteiligung an frühkindlicher Bildung und Betreuung mit 41 % deutlich über dem OECD-Mittel von 34 %. Die Beteiligung der unter 3-Jährigen stieg zwischen 2010 und 2018 von 27 % auf 38 % erheblich an und liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 26 %. Die Betreuungsrelation in der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist in Deutschland mit 5 Kindern bei den 0- bis 3-Jährigen bzw. 9 Kindern bei den 3- bis 6-Jährigen je Erzieher/-in wesentlich günstiger als im OECD-Schnitt mit 7 bzw. 14 Kindern.

Der diesjährige OECD-Bericht nimmt auch die Bildungsausgaben im internationalen Vergleich in den Blick. Im Jahr 2017 waren die Pro-Kopf-Ausgaben pro Bildungsteilnehmendem in Deutschland höher als in den meisten anderen Ländern (jeweils 13.529 Dollar gegenüber dem OECD-Durchschnitt von 11.231 Dollar). Dem Bericht zufolge gab die Bundesrepublik 4,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Bildungsbereich aus und befindet sich damit unter dem OECD-Schnitt von 4,9 %.

Angesichts der Unvorhersehbarkeit des Arbeitsmarktes und der technologischen Entwicklungen hin zur Digitalisierung und Automatisierung sei es von Bedeutung, die beruflichen Ausbildungsgänge anzupassen und Kompetenzen zu vermitteln, die in der zukünftigen (Arbeits-)Welt wichtig sein werden. Die Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass leistungsstarke Berufsbildungssysteme ein wirksames Mittel seien, um Lernende in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Möglichkeiten für weiteres Lernen eröffnen. Im Gegensatz zu rein schulischen Ausbildungen ermöglicht eine duale Ausbildung den direkten Kontakt mit Arbeitgebern, wodurch wichtige Kompetenzen erworben und wertvolle Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gesammelt werden können. Als wichtig erachtet wird auch die Möglichkeit, zwischen Bildungsgängen zu wechseln und Zugang zu einer (Fach-)Hochschulbildung zu erlangen, was wiederum Chancen für weiteres Lernen und die persönliche Weiterentwicklung eröffnet.


Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020), Bildung auf einen Blick 2020 – Ein Bericht der OECD: https://www.bmbf.de/de/bildung-auf-einen-blick-2020-ein-bericht-der-oecd-12437.html

Bundesministerium für Bildung und Forschung, Kultusministerkonferenz (2020), Berufliche Bildung punktet im internationalen Vergleich: https://www.bmbf.de/OECD-Bericht-Handout

OECD (2020), Bildung auf einen Blick 2020: https://www.oecd.org/publications/bildung-auf-einen-blick-19991509.htm

Titelbild: OECD 2020, Bildausschnitt.

Aktivieren statt Abwarten

Aktivieren statt Abwarten

Was ist jetzt zu tun, um „Corona-Effekte“ im Bereich der Ausbildung zu vermeiden?

Im letzten Artikel wurde festgestellt, dass die aktuelle Grundstimmung des Ausbildungsmarkts von „Abwarten“ und „Zögern“ geprägt ist. Gerade jetzt sind deshalb die Akteure der Berufsbildung in Politik und Praxis gefragt, aktiv zu werden: um zum einen die derzeitigen Schulabgänger/-innen rechtzeitig und passgenau in Ausbildung zu bringen. Und um zum anderen präventiv Maßnahmen zu ergreifen, den nächsten (und übernächsten) Absolvent/-innenjahrgang gut auf den Übergang in die Ausbildung vorzubereiten.

Entsprechende Koalitionen sind auf Bundes- und Landesebene bereits geschmiedet oder im Aufbau (z.B. mit der „Allianz für Aus- und Weiterbildung 2019 – 2021“). In Nürnberg hat sich die neugegründete „Task Force Corona“ das Thema Ausbildungssicherung auf die Fahnen geschrieben und setzt dies aktuell mit der Kampagne „#Ausbildung jetzt“ um. Auch die Akteure in den vorhandenen Netzwerken (wie z.B. im Trägerkreis Übergangsmanagement und den Gremien der Jugendberufsagentur) wird über notwendige Maßnahmen diskutiert. Neben bereits verabschiedeten staatlichen Unterstützungen zur Stabilisierung und Intensivierung des Ausbildungsplatzangebots und der weiterhin dringend notwendigen Umsetzung des Digitalpakts in Mittel- und Berufsschulen, sollten auf kommunaler Ebene gemeinsam Aktionen geplant und ergriffen werden:

  • Unsicherheiten abbauen: Kommunikation und Information auf allen Ebenen
  • Jugendliche, ihre Eltern, Lehrkräfte und Peers brauchen die aktuelle Information über das Ausbildungsstellenangebot in den verschiedenen Branchen. (Online-) Vermittlungs- und Lehrstellen-börsen bieten hier eine Übersicht, Berufsberatung und Ausbildungsakquisition unterstützen bei der Auswahl. Berichterstattung in Print und Social Media (über freie Ausbildungsplätze, Branchen/Firmen, die Auszubildende suchen, Erfolgsberichte von jungen Menschen, die jetzt einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben) kann Eltern und Jugendliche erreichen, die bislang keinen Zugang zu einer beratenden Organisation haben.
  • Motivation aufbauen und Kontakt herstellen
  • Junge Menschen, die grundsätzlich oder aufgrund eines aktuellen Unsicherheitsgefühls nicht von sich aus aktiv werden (können), brauchen den Kontakt zu einer unmittelbaren Ansprechperson. Lehrkräfte und andere Vertrauenspersonen der jungen Menschen wie z.B. die Jugendsozialarbeiter/-innen an Schulen sollten die jungen Menschen direkt auf die Expert/-innen (der Berufsberatung, des Jobcenters oder der Ausbildungsakquisiteure) verweisen – im Sinne eines aktivierenden Apells „Lass uns dort mal zusammen anrufen“.
  • Alternativen (den „Plan B“) vermitteln
  • Gerade jetzt könnte der „erste Wunsch“ von Jugendlichen hinsichtlich des Ausbildungsberufs schwieriger zu erfüllen sein. Umso wichtiger ist die Beratung zu Alternativen, d.h. Ausbildungen in verwandten Berufen oder vollschulische Ausbildungen und Übergangsmaßnahmen. Das Team „Berufsschulberatung“ (s. Infokasten) berät z.B. zu Anschlussmaßnahmen und zu den umfangreichen Ausbildungsmöglichkeiten an den kommunalen Berufsschulen.
  • Flexible Angebote planen
  • Im Zieldilemma zwischen Gesundheitsschutz und gelingendem Übergangsmanagement brauchen alle (staatlichen, kommunalen und privaten) Akteure ausreichend Handlungsspielraum, um im Sommer und im folgenden Schuljahr 20/21 flexibel Angebote planen und gestalten zu können. Angebote der Berufsorientierung sollten vorrausschauend mit Alternativen zum direkten persönlichem Kontakt geplant werden, um weitere Absagen und erneute Schließungen zu verhindern.
  • Praktikum als Praxiserfahrung: wichtiger denn je
  • Insbesondere für Schülerinnen und Schüler, die nicht die Chance hatten bzw. haben werden, an umfangreicheren Berufsorientierungsprogrammen teilzunehmen, hat das Schülerpraktikum eine zentrale Bedeutung. Es bleibt das Schlüsselelement, um einen authentischen Eindruck von Berufen und Branchen und damit eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu erhalten. Hier ist schulseitig darüber nachzudenken, die Praktikumszeiträume zu flexibilisieren und individuelle Praktika auch während der Schulzeit zu ermöglichen. Betriebe, die Praktikant/-innen einstellen würden, können direkt Kontakt mit den Schulen (Schulleitung, Berufsorientierungs-Beauftragte) aufnehmen: das Konzept des „Qualifizierten Praktikums“, das als gemeinsame Initiative des städtischen Bildungsbüros und dem Staatlichen Schulamt im Schuljahr 20/21 an allen Schulen eingeführt wird, liefert gute Grundlagen für die abgestimmte Zusammenarbeit von Schule und Betrieb.

Links:

zur Übersicht: „geöffnete“ Beratungsangebote:
https://uebergangsmanagement.nuernberg.de/aktuelle-meldung/wir-sind-fuer-euch-da-beratungs-und-unterstuetzungsangebote-im-uebergang.html

zur Datenbank „Übergang Schule-Beruf Nürnberg“ (mit allen alternativen Möglichkeiten zur dualen Ausbildung, u.a. allen Ausbildungen der Berufsfachschulen):
www.uebergangsmanagement.nuernberg.de

Team Berufsschulberatung (bei SCHLAU):
https://www.schlau.nuernberg.de/berufsschulberatung.html

zur Infokampagne #Ausbildung jetzt https:
www.nuernberg.de/internet/wirtschaft/ausbildungjetzt.html

zu den Ausbildungsprämien:
https://www.ihk-nuernberg.de/de/corona-virus/corona-virus-regelungen-ihk-pruefungen/corona-virus-foerdermoeglichkeiten-in-der-ausbildung-bundesprogramm-ausbildungs/

zu den Lehrstellenbörsen der Kammern:
https://www.ihk-lehrstellenboerse.de/
https://www.hwk-mittelfranken.de/artikel/lehrstellenboerse-und-lehrstellenradar-75,1592,4308.html

Abwarten ist die falsche Devise!

Abwarten ist die falsche Devise!

Lage am Ausbildungsmarkt wird schwieriger 

Meldungen zum Ausbildungsmarkt waren in den letzten Jahren von einer positiven Grundstimmung geprägt: auch wenn der Übergang in die Ausbildung für manche Zielgruppen immer noch schwierig war, bestand ein großer Überhang an offenen Ausbildungsstellen und insbesondere das Handwerk suchte oft „händeringend“ nach Auszubildenden. 

Nicht überraschend wirkt sich auch hier die Corona-Krise negativ aus: aktuelle Daten zum Arbeitsmarkt zeigen einen deutlichen Einbruch auf allen Ebenen, der die bereits vorhandenen konjunkturellen Eintrübungen verstärkt.

In der Stadt Nürnberg wurden im Vergleich zum Vorjahr von Januar bis Mai 2020 769 Ausbildungsstellen weniger bei der Arbeitsagentur gemeldet (das sind -18,0 %). Die Anzahl der ausbildungssuchend gemeldeten Bewerber/-innen ist dagegen um 76 (+2,7 %) gestiegen.
Zum Mai galten 212 Bewerber/-innen, als „unversorgt“, damit stieg der Anteil der „unversorgten Bewerber“ an allen Bewerber/-innen im Vergleich zum Mai 2019 von 52,3 % auf 58,3 %, der Anteil der Bewerber/-innen, die direkt in eine Ausbildung eingemündet sind, sank auf 16,5 %.

Bezieht man die Gesamtzahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen auf die Gesamtzahl der gemeldeten Bewerber/-innen, stehen pro Bewerber/in rechnerisch 1,3 Ausbildungsstellen zur Verfügung. Im Vorjahr 2019 lag dieser Indikator noch bei 1,6. Gleichzeitig sank die Quote der „unbesetzten Berufsausbildungsstellen je unversorgtem Bewerber“ von 1,5 auf 1,1.

Entwicklung der gemeldeten Bewerber/-innen und gemeldeten Ausbildungsstellen, 2018/19 und 2019/20 (jeweils Oktober bis Mai)

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

Trotzdem spricht die Arbeitsagentur Nürnberg im Gesamtblick noch von einer „komfortablen Situation für Bewerberinnen und Bewerber in den meisten Branchen“ (Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Nürnberg, Renate Häublein in NN).   Auch die Kammern in Mittelfranken schauen noch weitgehend optimistisch auf das kommende Ausbildungsjahr. Sie rekurrieren auf den weiter vorhandenen Fachkräftemangel in zahlreichen Branchen und erwarten, dass der Abschluss zahlreicher Ausbildungsverträgen zeitlich nach hinten verschoben werden wird. (Stefan Kastner für die IHK Mittelfranken in NN vom 26.06.20).,
In der Differenzierung nach Branchen wird dabei deutlich, dass von der aktuellen Krise gerade Betriebe betroffen sind, die Ausbildungsplätze für Mittelschülerinnen und Mittelschüler anbieten wie z.B. in der Hotel- und Gastronomiebranche oder im Handwerk. So gaben in der April-Umfrage des Zentralverbands des deutschen Handwerks 25 Prozent der befragten Betriebe an, dass sie im Herbst weniger Ausbildungsplätze anbieten wollen.

Fallen diese weg, haben diese Jugendlichen deutlich weniger Optionen für alternative Bildungswege als junge Menschen mit höheren Abschlüssen.  

 Zusammenfassend beschreibt das Bundesinstitut für Berufsbildung die aktuelle Situation mit den Begriffen „Zurückhaltung“ (der Betriebe) und „Abwarten“ (der Bewerber). 

Übergang im nächsten Jahr gefährdet? 

In der Folge der Schulschließungen sind zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote zur Berufsorientierung weggefallen. Während das städtische Übergangsmanagement SCHLAU die angemeldeten Schülerinnen und Schüler alternativ (in erster Linie telefonisch) weiter betreuen konnte, mussten die schulischen Förderangebote von Quapo deutlich eingeschränkt werden. Auch die Unterstützungsleistung des Projekts“ Perspektiven im Quartier“ musste in alternativer Form und dadurch mit deutlich höheren Zugangsschwierigkeiten umgesetzt werden. Ähnlich erschwert gestaltete sich die Beratungsarbeit der Berufseinstiegsbegleiter/-innen sowie der Fachkräfte der Jugendsozialarbeit an Schulen. 

Noch viel einschneidender waren die Maßnahmen im Bereich der schulischen Angebote, so konnten seit Schulschließung keinerlei Berufsorientierungsmodule externer Träger durchgeführt werden. Die Angebote Potentialanalyse sowie die Werkstatt-Tage für die siebten und achten Jahrgangsstufen mussten, genauso wie die Sprechstunden der Berufsberatung der Agentur für Arbeit, komplett eingestellt werden. Und obwohl viele Betriebe weiterhin Praktikant/-innen aufnehmen wollen, wurden im Regierungsbezirk Mittelfranken auch alle Schüler-Pflichtpraktika grundsätzlich abgesagt. 

Damit bleibt ein Großteil der Mittelschülerinnen und -schüler der derzeit siebten und achten Jahrgangsstufen noch ohne konkrete berufsorientierende Erfahrung. Sogar wenn im nächsten Schuljahr eine durchgängige Präsenz in den Schulen wieder möglich sein sollte, werden diese Angebote nur zu einem geringen Teil nachgeholt werden können. So wird z.B. im Rahmen des BO-Programms angestrebt, die Werkstatt-Tage für die wenigen Schülerinnen und Schüler nachzuholen, die in diesem Schuljahr noch eine Potentialanalyse absolvieren konnten. Die überwiegende Mehrheit der Schülerschaft wird dann allerdings noch keinerlei Möglichkeit gehabt haben, Berufe genauer zu erkunden und sich praktisch in einem Berufsfeld auszuprobieren. 

Die Erfahrung zeigt, dass dies gerade für diejenigen jungen Menschen, die nur schwer eigene Ressourcen aktivieren können und auf Motivation und Anleitung von Fachkräften angewiesen sind, eine deutliche Erschwernis für den Übergang in eine Ausbildung darstellt. Damit würde sich die Tatsache, dass die Auswirkungen der Corona-Krise vorhandene Bildungsungleichheiten systematisch verstärken noch ausweiten. 

Was ist jetzt zu tun, um allen jungen Menschen weiterhin die Chance zu geben, nach einer Orientierungsphase eine abgewogene Berufswahlentscheidung zu treffen, die nicht vorschnell auf der Wahrnehmung eines als vermeintlich krisenhaften Ausbildungsmarkts basiert, sondern sich vor allem von der Kenntnis der eigenen Fähigkeiten und Potenziale leiten lässt? 

Vorschläge, wie Akteure in Nürnberg gemeinsam gegensteuern können, lesen Sie im nächsten Beitrag.

Titelfoto: © Blechwunder Dellentechnik Rüdiger Spies.


Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung. Berichte: Arbeitsmarkt kompakt – Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt, Nürnberg, Mai 2020.

Tobias Maier, Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf die duale Berufsausbildung, BiBB-Preprint, Version 1.0, Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg.), Mai 2020.