14. Nürnberger Bildungskonferenz – Dokumentation: Hauptvorträge

14. Nürnberger Bildungskonferenz – Dokumentation: Hauptvorträge

Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit und seit kurzem Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vollzog eine Standortbestimmung für den deutschen Arbeitsmarkt und leitete daraus Handlungsbedarfe für das Bildungssystem ab. Dabei benannte er den demographischen Wandel und die Digitalisierung unter besonderer Berücksichtigung künstlicher Intelligenz als Megatrends, deren Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt und Wohlstand ungeachtet kurz- und mittelfristiger Krisen wie z.B. der Pandemie relativ stabil und daher gut kalkulierbar seien.

Daniel Terzenbach, Bundesagentur für Arbeit forderte einen vielfältigeren Arbeitsmarkt .

Seit der Zeit als Deutschland in den Nullerjahren des Jahrtausends als „kranker Mann Europas“ galt, sank die Zahl der Arbeitslosen und die Anzahl der Personen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wuchs. Auch im aktuellen Jahr 2023 stieg die Beschäftigtenanzahl trotz schwieriger Rahmenbedingungen um 200.000. „Dieser Zuwachs ist ausschließlich auf Nichtdeutsche zurückzuführen“, so Terzenbach. So sei angesichts der Überalterung der deutschen Gesellschaft Zuwanderung essenziell für die Sicherung des Wohlstands hierzulande. Vor diesem Hintergrund verwies er darauf, dass Abwehrdiskurse in der Migrationspolitik nicht ohne Folgen blieben für die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland. Er appellierte: „Das ist eine Kulturfrage: Sind wir ein Land, das Menschen willkommen heißt und das eine langfristige Integrationsstrategie hat?“

Bildung ist der Schlüssel

Terzenbach stellte klar, dass künstliche Intelligenz kein Jobkiller sei, weil Automatisierungsprozesse einerseits allein aufgrund des Schwunds an Arbeitskräften nötig seien und dass dadurch andererseits neue Jobs auf einem höheren Qualifikationsniveau entstehen würden. Für ihn sei „Bildung der zentrale Schlüssel“, um auf diese Entwicklung reagieren zu können. „50.000 Schulabgänger in Deutschland ohne Abschluss sind 50.000 zu viel“ konstatierte Terzenbach beim Blick auf den Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung.

Mit dem hohen Sockel an Langzeitarbeitslosigkeit, etwa 800.000 Menschen, die Deutschland Jahr für Jahr verlassen, der hohen Zahl von 4 Millionen arbeitenden Menschen ohne Berufsabschluss und auch der Gruppe der Älteren auf dem Arbeitsmarkt mit teils veralteten Qualifikationen wies Terzenbach auf weitere wichtige Potenziale hin, die durch das Bildungssystem stärker adressiert werden müssten, um das aktuelle Wohlstandsniveau angesichts der aufgezeigten Herausforderungen zu halten. „Wir müssen den Schalter zum lebenslangen Lernen umlegen“ und „Der Arbeitsmarkt muss bunter und vielfältiger werden“ war Terzenbachs Appell, der auf Rückfrage aus dem Publikum insbesondere inklusive Ansätze auch für Menschen mit Behinderung forderte.

Sprachkompetenz: mehr als Deutsch-Kenntnisse

Auch Ingrid Gogolin, Professorin an der Universität Hamburg, bezog sich in ihrer Key Note auf die Notwendigkeit von Zuwanderung zur Fachkräftesicherung und legte einen besonderen Schwerpunkt auf die sprachlichen Ressourcen von Menschen mit nichtdeutscher Herkunftssprache.

Aufgrund des Bahnstreiks war Prof. Dr. Ingrid Gogolin via
Livestream aus Hamburg zur Veranstaltung zugeschaltet.

Dabei ging sie insbesondere auf Missverständnisse und Mythen rund um das Thema Mehrsprachigkeit ein. Dazu gehöre etwa die Vorstellung, dass Sprechen einer nichtdeutschen Herkunftssprache im Alltag den Erwerb der deutschen Sprache gefährde und damit den Erfolg im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt. Dabei werde der Wert der Herkunftssprache für das Erlernen des Deutschen vernachlässigt.

Dabei gelte, so Gogolin: „Jede Spracherfahrung geht in die nächste Sprachlernerfahrung ein. Wer vorherigen Spracherwerb ignoriert, ignoriert zentrale Ressourcen.“ Dementsprechend zeige sich in Untersuchungen in der Sekundarstufe, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler mit der besten Beherrschung ihrer Herkunftssprache auch Deutsch am besten beherrschten. Wichtig sei daher, Mehrsprachigkeit nicht zu unterdrücken, sondern zu fördern, um gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigung zu ermöglichen. Abschließend rief sie dem Publikum ins Gedächtnis: „Bildung ohne Sprache ist nicht möglich, aber Bildung ohne Deutsch schon – und das fast überall auf der Welt“


Titelbild: © Stadt Nürnberg, Petra Kellner

Beitragsbilder: Stadt Nürnberg, Rudi Ott.

14. Nürnberger Bildungskonferenz – Dokumentation: Hauptvorträge

14. Nürnberger Bildungskonferenz – Dokumentation: Grußwort Oberbürgermeister Marcus König

Oberbürgermeister Marcus König begrüßte die fast 200 Teilnehmenden, die sich am 16. November 2023 im südpunkt zusammenfanden, darunter Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsträgern, Arbeitsverwaltung, Kammern, der Stadtverwaltung und weiteren Organisationen.

König zitierte die aktuelle Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Publikation – IAB – Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), nach der im ersten Halbjahr 2022 45% aller Stellen für Fachkräfte nicht besetzt werden konnten und sah auch in der Stadt Nürnberg große Probleme insbesondere im Bereich des Baugewerbes, der personennahen Dienstleistungen und der Gastronomie.

Chancen der Grund-, Sprach- und Weiterbildung nutzen, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten

König verwies auch darauf, dass in ganz Europa der Fokus zunehmend auf Grund- und Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens gesetzt wird, um qualifizierte Fachkräfte gewinnen und vor allem halten zu können. Auch die Arbeitgeberin Stadt Nürnberg bemühe sich hier umfassend um Talente.

Er appellierte: „Wir müssen die Chancen, die uns die Angebote der beruflichen Bildung, der Grund-, Sprach- und Weiterbildung bieten, noch viel besser nutzen, um unseren Fachkräftebedarf auch längerfristig decken und international konkurrenzfähig zu bleiben“ und verwies auf das Wechselspiel von Sprachbildung und beruflicher Praxis, die sich gegenseitig bedingen würden: 
„Damit berufliche Integration gelingen kann, brauchen wir frühzeitige und begleitende Sprachkursangebote. Und damit sprachliche Kompetenzen alltagsnah erweitert werden, braucht es Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen im Betrieb.“

König verwies auf städtische Angebote zur Unterstützung im Bereich Sprache, wie das Kommunale Programm Deutschspracherwerb, mit dem bedarfsorientiert Lücken im Sprachkursangebot des Bundes geschlossen werden. Mit den so erworbenen Sprachkenntnissen könnten Menschen dann mit Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten auch beruflich weiterkommen. 

Mit einem Dank an das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das im Rahmen des Programms „Bildungskommunen“ auch die Durchführung der Bildungskonferenz ermöglicht hat und einen Aufruf zu Hinweisen zu vermeidbaren Barrieren auf der Konferenz, leitete der Oberbürgermeister zum Konferenzprogramm über.

Oberbürgermeister Marcus König


Titelbild: © Stadt Nürnberg, Petra Kellner.

Beitragsbild: © Stadt Nürnberg, Rudi Ott.

14. Nürnberger Bildungskonferenz – Dokumentation: Hauptvorträge

14. Nürnberger Bildungskonferenz: Dokumentation 1. Workshoprunde

In den Workshops der 14. Nürnberger Bildungskonferenz zum Thema „Fachkräfte gewinnen durch Grund-, Sprach- und Weiterbildung“ nahmen die Akteure der Nürnberger Bildungslandschaft die regionale und überregionale Bildungspraxis in den Blick. Sie tauschten sich über Praxiserfahrungen aus und diskutierten, was notwendig ist, um das Fachkräftepotenzial hier vor Ort zu heben. Die Vernissage der Workshop-Ergebnisse, wie sie am 16. November 2023 bei der Bildungskonferenz an den Pinnwänden zu sehen war, findet sich an dieser Stelle.

Dokumentation der Workshoprunde 1

Workshop “Berufssprachkurse für Zugewanderte systematisch verankern”

Gesamtprogramm Sprache des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (links), Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen im Kontext der Berufssprachkurse (rechts)

Workshop “Menschen mit ausländischen Qualifikationen für den Kita-Bereich gewinnen und professionalisieren”

Workshop: “Zugewanderte Frauen mit informellen Bildungsangeboten begleiten”

Workshop “Grundbildung vor Ort: Lernanlässe und Kooperationen im Sozialraum initiieren”

Workshop “Im Ausland erworbene Kompetenzen anerkennen und sichtbar machen”


Zur Dokumentation der Workshops aus der 2. Workshoprunde gelangen Sie hier: 2. Workshoprunde

14. Nürnberger Bildungskonferenz – Dokumentation: Hauptvorträge

14. Nürnberger Bildungskonferenz: Dokumentation 2. Workshoprunde

In den Workshops der 14. Nürnberger Bildungskonferenz zum Thema „Fachkräfte gewinnen durch Grund-, Sprach- und Weiterbildung“ nahmen die Akteure der Nürnberger Bildungslandschaft die regionale und überregionale Bildungspraxis in den Blick. Sie tauschten sich über Praxiserfahrungen aus und diskutierten, was notwendig ist, um das Fachkräftepotenzial hier vor Ort zu heben. Die Vernissage der Workshop-Ergebnisse, wie sie am 16. November 2023 bei der Bildungskonferenz an den Pinnwänden zu sehen war, findet sich an dieser Stelle.


Dokumentation der Workshoprunde 2

Workshop “Mit dem Berufssprach-Test Deutsch die individuelle Sprachförderung in der Berufsschule unterstützen

Workshop “Mit dem TalentPASS berufliche Inklusion fördern

Workshop “Spracherwerb von Anfang an ermöglichen”

Workshop “Über Teilqualifizierung den Berufsabschluss erreichen”


Zur Dokumentation der Workshops aus der 1. Workshoprunde gelangen Sie hier: 1. Workshoprunde

Menschenrechtsbildung in Nürnberg

Menschenrechtsbildung in Nürnberg

Nürnberg bezeichnet sich als Stadt des Friedens und der Menschenrechte. Entsprechend gibt es in Nürnberg zahlreiche Einrichtungen, Initiativen und Aktionen im Zeichen der Menschenrechte und auch der Menschenrechtsbildung. Zu nennen ist hier aktuell die Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises, die am 24. September 2023 in Nürnberg stattfand. Die Kommune zeichnete mit dem Preis, der seit 1995 vergeben wird, Malcolm Bidali aus Kenia für seinen Einsatz gegen die Ausbeutung von immigrierten Arbeitskräften in Katar aus.

Bidali arbeitete selbst von 2018 bis 2021 in Katar und engagiert sich seither für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen in dem Emirat. Die Preisverleihung war auch in diesem Jahr eingebettet in ein Bildungs- und Veranstaltungsprogramm mit Lesung, Podiumsdiskussion, Fachkonferenz und Theater.

Seit zwanzig Jahren koordiniert das Menschenrechtsbüro die Menschenrechtsaktivitäten in der Stadt und führt darüber hinaus auch eigene Maßnahmen der Menschenrechtsbildung durch. Abbildung 1 zeigt die Menschenrechtsseminare, die das Menschenrechtsbüro im Jahr 2022 durchführte und an denen insgesamt 2.614 Personen teilnahmen.

Abbildung 1: Teilnehmer/-innen an Maßnahmen des Menschenrechtsbüros zur Menschenrechtsbildung, 2022

Quelle: Stadt Nürnberg, Menschenrechtsbüro.
Anmerkungen:  Unter die Kategorie “Sonstige Veranstaltungen” fallen Menschenrechtsseminare in der Altenpflege, Workshops zur Menschenrechtspreisträgerin, Seminare zum Rechtsterrorismus und Seminare zu den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung.

Die allgemeinen Menschenrechtsseminare, die auch eine Exkursion in die Straße der Menschenrechte beinhalten, wurden 2022 hauptsächlich von Schulklassen gebucht.  Neben den allgemeinen Seminaren für unterschiedlichste Gruppen sind Auszubildende der Stadtverwaltung eine wichtige Zielgruppe, die 2022 194 Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfasste. Das Seminar „Diskriminierungsfrei in Nürnberg“ besteht aus mehreren zielgruppenspezifischen Baukastenmodulen, die von jungen Menschen im freiwilligen sozialen Jahr, Auszubildenden, anderen Jugendgruppen sowie Integrations- und Schulklassen in Anspruch genommen werden; 2022 wurde das Seminar von 211 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Neben diesen größtenteils im Rathaus durchgeführten Maßnahmen erreichte das Menschenrechtsbüro im Jahr 2022 812 Personen in Menschenrechtsseminaren zum Thema Nationalsozialismus, die im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und im Memorium Nürnberger Prozesse durchgeführt wurden.

Nicht nur die pädagogischen Angebote des Menschenrechtsbüros nutzen das politische Kunstwerk der Straße der Menschenrechte als Ort der Auseinandersetzung mit ihren Inhalten. Daneben existieren weitere Lernorte im Kontext Menschenrechtsbildung im öffentlichen Raum. In der Straße der Kinderrechte sind einzelne Artikel der UN-Kinderrechtskonvention im Stadtpark verankert. Die einzelnen Kinderrechte werden in Spielstationen und Skulpturen spielerisch erfahrbar gemacht. Inzwischen hat sich die Straße der Kinderrechte als fester außerschulischer Lernort etabliert und wird regelmäßig von Schulklassen und Hort-Gruppen besucht, ebenso wie von Kindern und Erwachsenen in ihrer Freizeit. Außerdem bieten einige Träger non-formaler Bildung Führungenan. Allein DoKuPäd machte von 2012 bis einschließlich 2022 Rundgänge durch die Straße der Kinderrechte mit insgesamt 3.211 Personen.

Alle zwei Jahre findet das Nürnberger Internationale Menschenrechtsfilmfestival (27.9. bis 4.10.23) statt. Die Vorführungen beleuchten historische und aktuelle Menschenrechtsfragen und liefern damit wichtige Impulse für die pädagogische Menschenrechtsarbeit vor Ort. In diesem Kontext wird auch der Menschenrechts-Filmpreis verliehen. Das Projekt „Open Eyes“ (25.9. bis 6.10.23) gehört organisatorisch zum Menschenrechtsfilmfestival und knüpft daran inhaltlich an, indem es Schulklassen über eine zielgruppengerechte Filmauswahl einen niederschwelligen Zugang zur Auseinandersetzung mit dem Thema bietet. Im Jahr 2022 verzeichnete das Schulprojekt 1.285 Schülerinnen und Schüler aus sechs Mittelschulen, drei Realschulen, zwei Montessorischulen, einer Wirtschaftsschule, acht Gymnasien und sieben beruflichen Schulen. Über die Streamingplattform „kino 3“ des Filmhauses Nürnberg nahmen 191 Schülerinnen und Schüler (15,9% aller Teilnehmenden) online an dem Projekt teil.  

An der Scharrerschule gehört die Menschenrechtsbildung seit dem Jahr 2011 zum Programm. Schon seit 2009 läuft an der Scharrer-Mittelschule das Projekt „Kickfair für Menschenrechte“, bei dem Schülerinnen und Schüler, die vermehrt aus bildungsfernen Familien stammen, zu sogenannten Teamer/-innen ausgebildet werden und Verantwortung übernehmen. Durch das Fußballprojekt hat sich in Schule und Stadtteil eine Straßenfußballkultur entwickelt, bei der Fairness ebenso über das Spielergebnis entscheidet wie Tore. Die Gruppe der Teamerinnen und Teamer besteht jedes Schuljahr aus 35 bis 40 Schülerinnen und Schülern aus den Klassenstufen 6 bis 10. Die ausgebildeten Teamer/-innen erreichen etwa 450 Kinder.


Quellen:

Kreisjugendring Nürnberg-Stadt / DokuPäd.

Scharrer-Mittelschule, Nürnberg.

Stadt Nürnberg, Filmhauskino im KunstKulturQuartier.

Stadt Nürnberg, Stabsstelle Menschenrechtsbüro und Frauenbeauftragte.

Titelbild: © Stadt Nürnberg.