Der Kulturbetrieb ist von den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen und mit ihr die kulturelle Bildung. Anja Sparberg leitet die kulturpädagogische Abteilung des Staatstheaters Nürnberg. Im Interview mit dem Nürnberger Bildungsbüro äußert sie sich zu spannenden Erfahrungen, veränderten Formaten und zur Hoffnung auf die Rückkehr der Kulturarbeit in Präsenz.
Frau Sparberg, wie ist die Abteilung Theaterpädagogik in den großen Komplex Staatstheater eingebunden und was heißt das für Ihre Arbeit?
Theaterpädagogik ist Querschnittsaufgabe. Wir sind zuständig für die Vermittlung aller Sparten. Bei der Gestaltung der Projekte und Kooperationen in der Stadt sind wir sehr frei und da vertraut man mir, dass das eine logische Verbindung zur Arbeit des Staatstheaters hat.
Dabei arbeiten Sie ja mit unterschiedlichen Partnern zusammen. Was sind das für Kooperationen?
Zunächst einmal haben wir alle Schularten in Nürnberg und Umgebung als Kooperationspartner sowie Vorschulen, Kindergärten sowie bestimmte Studiengänge, die Musikschule und das Bildungszentrum. Das sind teilweise eher kurze Impulse, die wir da geben, teils längere Kooperationen. Dazu kommt dann der Fortbildungsbereich, das Institut für Pädagogik und Schulpsychologie (IPSN) oder die Akademie für Schultheater und performative Bildung der Uni Erlangen-Nürnberg.
Außerdem haben wir unsere Klubs, das ist für die Teilnehmenden Freizeit, ein Hobby. Die Jugendlichen verfolgen das zum Teil mit großem Ernst, weil einige von ihnen auch Schauspielerinnen oder Schauspieler werden wollen. Dann gibt es die Gruppe Plus Minus 50, das ist ja eine schöne Zeit, in der man sich vielleicht nochmal ausprobieren möchte. Daneben haben wir den inklusiven Klub und den Samstagsklub. Ab 2015 haben wir spezielle Formate für Geflüchtete angeboten, die dann im Samstagsklub bis letzte Spielzeit weitergeführt wurden.
Manches ist also eher rezeptiv, andere Angebote eher partizipativ?
Ja, wir machen zum Beispiel viele Führungen oder Besuche mit Vor- und Nachbereitung, die sind eher rezeptiv. W-Seminare in der Oberstufe des Gymnasiums finden eher in Gesprächszusammenhängen statt. Wir machen aber auch ein bis zwei P-Seminare (ebenfalls an Gymnasien) pro Spielzeit. Zu Hans Litten gab es ein Projekt, zu ihm haben wir ein Theaterstück und eine eigene Inszenierung auf die Beine gestellt.
Kann es sein, dass man den Namen aus der TV-Serie Babylon Berlin kennt?
(lacht) Ja, das ist der junge Anwalt, der sich Adolf Hitler zum persönlichen Feind gemacht hat. Die Schülerinnen und Schüler des Peter-Vischer-Gymnasiums haben selbständig dazu recherchiert und haben lang mit Patricia Litten gesprochen. Patricia Litten – selbst Schauspielerin – hat in dem Theaterstück ihre eigene Großmutter gespielt, sie lebt hier in Nürnberg.
Inwiefern mussten oder konnten Sie Ihre Arbeit an die schwierigen Bedingungen anpassen, die sich Ihnen durch die Pandemie stellen?
Nun ja, beispielsweise haben wir bei einem Projekt, das eigentlich als Theaterstück geplant gewesen war, auf das Format des Hörspiels gewechselt, das mit filmischen Momenten ergänzt wird. Dabei ging es um eine Arbeit im Kontext der Kulturhauptstadt mit der Veit-Stoß-Realschule. Als klar wurde, dass wir das nicht wie geplant aufführen können, war die Enttäuschung zunächst groß. Und um einen Weg zu finden, das gut zu Ende zu bringen, sind wir auf das Format Hörspiel umgeschwenkt. Mein Kollege wird unter relativ komplizierten Bedingungen die Aufnahmen mit den Jugendlichen durchführen, weil das ja an den Schulen getrennt voneinander passieren muss.
Wir machen auch Digitalchorarbeit im Rahmen unseres Klublebens. Wie wir uns im März, April abgemüht haben, auf unterschiedlichsten Plattformen, um Sound herzukriegen! Die Lösung war dann, die Noten zu verteilen, mein Kollege spielt am Klavier und die Chormitglieder singen stummgeschaltet. Das macht denen total Spaß, weil sie zuhause singen können, wie sie wollen. Und weil er ein sehr guter Gesangslehrer ist, sieht er auch ohne sie zu hören, wo die sich hinbewegen und wo Probleme bestehen. Falls nötig gibt es auch die Möglichkeit, dass mal jemand alleine singt und man daran arbeitet.
Wir haben in der Corona-Situation eine starke Trennung zwischen Beruf auf der einen und Freizeit und Hobby auf der anderen Seite, wenn es um Infektionsschutzregelungen geht. Inwiefern hat sich das in Ihrer Arbeit niedergeschlagen?
Das hat eine große Rolle gespielt, wir haben hier einen strengen Arbeitsschutz. Im März, April und im Mai haben wir tatsächlich nur digital gearbeitet. Im Juni und Juli konnten wir uns wieder treffen, weil unsere Angebote unter Erwachsenenbildung laufen konnten. Die Premiere des Stücks vom Jugendklub im Juli hier draußen auf dem Vorplatz, da durften immer nur vier Leute von insgesamt 14 gleichzeitig auf der Bühne sein und das haben wir auch super geschafft.
Und wie war das bei den Proben? Man darf sich dann ja auch nicht zu nahekommen. Liebesszenen sind damit schon mal schwierig.
Genau! Hatten wir aber so nicht. Interessanterweise liegt beim Theaterspielen die Spannung auch im Abstand. Bei den Proben haben wir ja auch draußen gearbeitet und dabei habe ich mich auf theaterpädagogische Übungen konzentriert, die sehr lustvoll auf Abstand gingen. Und man konnte deutlich sehen, wie wichtig es den Jugendlichen war, wieder miteinander zu spielen, sich zu sehen. Dieser Hunger nach Zusammensein war mehr als spürbar.
Der ruckartige Digitalisierungsschritt im Frühjahr hat verschiedensten Bildungsanbietern viel abverlangt und teilweise gab es auch das Problem, dass Leute bei diesem Schritt ins Digitale verloren gegangen sind. Wie sind Sie im Staatstheater und persönlich damit umgegangen?
Sagen wir so: Für mich war das auch ein Crashkurs im März. Ich gehöre noch zu der Generation, die von der Schreibmaschine auf den Computer umgestiegen ist. Aber die Jugendlichen haben mir bei diesem Umstieg total geholfen. Da habe ich viel gelernt für die anderen Kurse und Klubs. Um nicht Einzelne zu verlieren, habe ich dort, wo ich gemerkt habe, es wird schwierig, viel telefoniert; wir haben dann teilweise parallel über verschiedene Plattformen gearbeitet und kreative Aufgaben ausgetauscht. Damit niemand verloren geht, war es aber auch wichtig, ein Ziel vor Augen zu haben. Wir haben uns gesagt, wir haben das Stück jetzt bis hierhin entwickelt und wir werden daraus entweder einen Film machen oder das Stück zeigen. Ich kann sagen, wir haben niemanden verloren. Allerdings haben wir in den Klubs natürlich auch nicht die Menge an Leuten wie beispielsweise das Bildungszentrum, bei uns ist ja alles viel überschaubarer.
Erwarten Sie bleibende Schäden für die Kultur und die Kulturpädagogik in Nürnberg?
Nun ja, zum Teil haben wir das ja schon. Der Konzertsaal wird erst mal nicht gebaut. Ich glaube, wir werden das schon sehr massiv spüren. Wir haben beispielsweise einen Kollegen, der arbeitet „halb frei“ und dem bricht alles aus seiner freien Tätigkeit weg.
Es gibt auch die jungen Leute, die jetzt gerade durchstarten und denen man immer gesagt hat: „Euch nimmt man doch mit Kusshand!“ Und dann kommt diese große Kränkung, dass sie ein halbes oder ganzes Jahr so überhaupt nicht dürfen. Dazu kommt dann noch diese Diskussion um diese Systemrelevanz. Ich glaube schon, dass manche dann sagen, ich such‘ mir jetzt etwas, wo mir das nicht mehr passieren kann.
Wäre es auch möglich, dass Kultur danach einen anderen Stellenwert bekommen wird?
Klar. Trotz aller Euphorie über die Digitalisierung konnten wir jetzt im Schnellversuch sehen, was geht und was uns frustriert. Und ich glaube, wir haben schon auch gemerkt, dass der Mensch den persönlichen Kontakt braucht, auch die Anwesenheit, das Körperliche, die Wahrnehmung im Raum. Ich denke, daraus kann man schon seine Schlüsse ziehen und dass die Leute unsere Angebote wieder sehr gern in Anspruch nehmen werden.
Dieser Hoffnung schließen wir uns an und danken herzlich für das Interview.
Ein fester Bestandteil der bildungspolitischen Diskussion über Schule ist die Klassengröße. Oft wird angenommen, dass die Unterrichtsqualität und damit auch die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in kleineren Klassen besser seien. Wissenschaftliche Studien für die europäischen Schulsysteme bestätigen dies jedoch nicht (vgl. Hanushek und Wößmann 2011). In der Pandemie erlangte der Faktor „Klassenstärke“ jedoch schnell erneut an Bedeutung. Denn bei Einhaltung der Abstandsregeln benötigen große Klassen mehr Schulraum und müssen eher geteilt werden. Alternierend besucht dann eine Hälfte der Klasse vor Ort den Präsenzunterricht, während sich die andere Hälfte zuhause im Distanzunterricht befindet, wie in der Zeit der partiellen Schulschließungen zwischen den Pfingstferien und den Sommerferien 2020. Die Einführung dieses Wechselunterrichts wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Die eine Seite betont die pädagogische Wichtigkeit eines durchgängigen Präsenzunterrichts, währenddessen die andere Seite in dieser Unterrichtsform ein flexibles Instrument sieht, um Infektionen zu verringern und damit komplette Schulschließungen zu vermeiden. Die Klassengröße ist beim Modell des Wechselunterrichts ein entscheidender Faktor, da sie sich mitunter auf die Form und gegebenenfalls auf die Qualität der Unterrichtung auswirkt.
Laut OECD-Bericht liegt die durchschnittliche Klassengröße in öffentlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland bei 21 Schulkindern pro Klasse, im Sekundarbereich I bei 23 Schülerinnen und Schülern. Hier gibt es in den Nürnberger Klassen keine Abweichungen zum OECD-Durchschnitt. Für das Schuljahr 2018/19 war die durchschnittliche Klassenstärke in den öffentlichen und privaten Grundschulen 21,3 Schülerinnen und Schüler. In den weiteren allgemeinbildenden Schulen lag sie an den Förderzentrum bei 11,2 Schülerinnen und Schüler, an den Mittelschulen bei 20,7, an den Realschulen bei 25,6 und an den Gymnasien bis einschließlich der 10. Jahrgangsstufe bei 24,8.
Klassenstärke nach Schulart in Nürnberg, Schuljahr 2018/19
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik; Schulstatistik; eigene Berechnungen. *) ohne Qualifikationsstufe
An den öffentlichen Grund- und Mittelschulen sind in Bayern zudem die Deutschklassen angesiedelt. Dort soll Kindern und Jugendlichen ohne ausreichende Deutschkenntnisse, die neu im deutschen Schulsystem sind, eine intensive Sprachförderung ermöglicht, und sie somit auf den Besuch der Regelklassen vorbereitet werden. In Nürnberg besuchten an den Grundschulen durchschnittlich jeweils 14 Schülerinnen und Schüler eine Deutschklasse, an den Mittelschulen waren es 19 (Stand Ende Oktober). An der Dr.-Theo-Schöller-Mittelschule, eine von sechs Mittelschulen mit diesem Angebot in Nürnberg, könnten aktuell zwei von acht Deutschklassen bei einer erneuten Teilschließung der Schulen aufgrund der noch geringen Klassenstärke vollständig weitergeführt werden. Da aber in diese Klassen unterjährig stetig neu zugewanderte Kinder und Jugendliche aufgenommen werden, ist zu erwarten, dass auch diese Klassen spätestens im Frühjahr eine Größe erreichen, die eine Aufteilung in Präsenz- und Distanzgruppe erfordern würde.
Aber auch permanent kleinere Klassen, wie etwa an den Förderzentren, ermöglichen nicht zwangsläufig durchgängigen Unterricht während einer partiellen Schulschließung. So sind beispielsweise die räumlichen Gegebenheiten an der Nürnberger Jakob-Muth-Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bereits für eine geringere Anzahl von Schülerinnen und Schülern bemessen. Auch gilt es zu beachten, dass an den Förderzentren neben den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften auch pflegerisches Personal und Schulbegleitungen anwesend sind. Eine kleine Klassengröße ist also kein Garant dafür, dass Klassenteilungen vermieden werden können, sollten sich die Abstandsregeln verschärfen. Unterrichtsqualität ist jedoch in erster Linie davon abhängig, dass sich Lehrkräfte mit bedarfsgerechter Fortbildung und unterstützenden Rahmenbedingungen für einen guten Unterricht engagieren können.
Die Corona-Pandemie wirkt auf Wirtschaft und Gesellschaft und zeigt umfangreiche Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt: Hat der OECD-Bildungsbericht noch davon gesprochen, dass die Beschäftigungsquoten gut und in Deutschland sogar besonders hoch sind, geht der OECD-Beschäftigungsausblick 2020 davon aus, dass selbst im Falle der günstigsten Entwicklung die OECD-weite Arbeitslosenquote im vierten Quartal 2020 9,4 Prozent erreichen könnte – den höchsten Wert seit der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Laut der Arbeitsmarktprognose des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit 2020/21 hat sich die Krisenwirkung am Arbeitsmarkt im Herbst 2020 bereits wieder erheblich abgeschwächt. Dennoch ist die wirtschaftliche Aktivität in vielen Branchen noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau angekommen und weitere Einflüsse durch aktuell anstehende Maßnahmen des Infektionsschutzes sind zu befürchten. Damit könnte sich die durch die Corona-Konjunkturkrise entstandene Arbeitslosigkeit in Deutschland verfestigen.
Besonders betroffene Personengruppen
Erste wissenschaftliche Analysen zeigen, dass sich bestehende Ungleichheiten in der Erwerbssituation bereits kurzfristig verstärkt haben und es damit langfristig zu einem Anstieg sozialer Ungleichheiten kommen könnte (vgl. z.B. Kleinert/ Bächmann/ Zoch (2020). Arbeitsmarkt und Beschäftigung entwickeln sich in der Pandemie in verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich. So hatten z.B. die Produktionsstilllegungen im verarbeitenden Gewerbe oder Schließungen im Einzelhandel Auswirkungen auf relativ viele Erwerbstätige.
Betrachtet man den Einfluss nach Qualifikationsniveaus, leiden insgesamt insbesondere niedriger qualifizierte Personen mit geringen Einkommen deutlich stärker unter den negativen Rahmenbedingungen. So mussten der OECD zufolge zu Zeiten des Lockdowns Geringverdiener doppelt so häufig ihre Arbeit ganz aufgeben wie Angehörige der oberen Einkommensschicht, die wiederum sehr viel häufiger von zu Hause arbeiten konnten. Das IAB kommt zu dem Ergebnis, dass gerade Personen mit Migrationshintergrund, insbesondere aus Asylherkunftsländern und Frauen, überdurchschnittlich häufig von Kurzarbeit und Jobverlust bedroht sind. Wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, müssen Arbeitnehmerinnen in ihren Familienrollen besonders häufig die Folgen der Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen und den veränderten Unterrichtsformen an Schulen kompensieren.
Beschäftigungssituation in Nürnberg
Nürnberg konnte vor der Pandemie auf eine längere Phase wirtschaftlichen Aufschwungs zurückblicken, in der die Beschäftigungsquote konstant stieg und damit die Arbeitslosigkeit sank. Besonders hervorzuheben war dabei, dass zuletzt nahezu alle Bevölkerungsgruppen von dieser positiven Entwicklung profitieren konnten. Allerdings wurden weiterhin starke räumliche Unterschiede festgestellt und insbesondere kinderreiche Familien bezogen überproportional häufig Transferleistungen nach dem SGB-II (vgl. Bildung in Nürnberg 2019, Fünfter Bildungsbericht der Stadt Nürnberg, Kapitel A-3).
Welche Auswirkungen hat nun die Pandemie auf den städtischen Arbeitsmarkt? Die Anzahl der sich in Kurzarbeit befindenden Personen erreichte im April ihren Höhepunkt, im Juni sanken die Zahlen bereits wieder auf ein deutlich niedrigeres Niveau (Abbildung 1). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Pandemie bei der Anzahl der Arbeitslosen auch im September noch deutlich zu erkennen. Seit September letzten Jahres kam es damit zu einem Anstieg von 33,1 %.
Ebenfalls deutlich fällt der Anstieg bei den Unterbeschäftigten aus. Hier sind zusätzlich die Personen erfasst, die nicht als arbeitslos im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB) gelten, weil sie an einer Maßnahme der Arbeitsförderung teilnehmen oder kurzfristig erkrankt sind. Im Vergleich zum Vorjahreswert kam es hier zu einem Anstieg von 18,4 %.
Abbildung 1: Bestand an Arbeitslosen, Bestand an Unterbeschäftigten und Personen in Kurzarbeit in Nürnberg, Juni 2019 bis September 2020
Quelle: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth, Arbeitsmarktdaten, eigene Darstellung.
Deutlich zeigen sich Unterschiede in den Auswirkungen der Pandemie bei der Betrachtung der absoluten Arbeitslosenzahlen nach verschiedenen Ausbildungsniveaus (Abbildung 2). In allen drei dargestellten Gruppen kommt es mit Eintreten der Infektionsschutzmaßnahmen zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Allerdings zeigt sich ebenso wie auf Bundesebene, dass deutlich mehr Personen mit niedrigerer Qualifikation arbeitslos geworden sind. Bei Personen ohne Berufsabschluss ist seit März ein Anstieg um 2.800 Personen zu verzeichnen, bei Personen mit betrieblicher oder schulischer Ausbildung ein Anstieg um 2.604 Personen festzustellen. Dagegen ist die Arbeitslosenzahl bei Akademiker/-innen nur um 810 angestiegen. Im September ist in allen Gruppen erstmals eine Verbesserung festzustellen.
Menschen mit geringerem Ausbildungsniveau sind besonders auf schnelle Wiedereinstellung angewiesen. Nachdem im Herbst die „Neueinstellungsdynamik“ noch immer deutlich unter dem Stand vor der Krise liegt, muss befürchtet werden, dass die unterschiedliche Betroffenheit mittelfristig zu einer Verstärkung der sozialen Benachteiligung von Personen mit geringer Qualifikation führt.
Abbildung 2: Anzahl Arbeitsloser nach Ausbildungsniveau in Nürnberg, Januar 2019 bis September 2020
Quelle: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth, Arbeitsmarktdaten, eigene Darstellung.
Eine aktuelle Analyse des IAB kommt zu dem Ergebnis, dass der technologische Wandel der letzten 20 Jahre bereits die Höherqualifizierten zu Lasten der mittleren Qualifikationsebene begünstigt. Die Effekte der Corona-Pandemie würden diese Entwicklung verstärken und zu einer „transformativen Rezession“ führen, bei der sich die Arbeitslosigkeit verfestigen könnte. Damit würde nicht mehr „nur“ die Gruppe der gering qualifizierten Beschäftigten besonders unter den Auswirkungen leiden, sondern es bestünde daneben die Gefahr, dass mittelfristig auch Personen mit soliden beruflichen Ausbildungen über länger dauernde Arbeitslosigkeit in soziale Ausgrenzungsprozesse geraten.
Maßnahmen zur Gegensteuerung
Um diese negativen Auswirkungen zu verhindern – und gleichzeitig in vielen Branchen den andauernden Fachkräftebedarf erfüllen zu können – werden aktuell u.a. folgende Maßnahmen diskutiert:
Ein „Rettungsschirm für Neueinstellungen“ (vgl. Weber 2020) des Staates könnte Neueinstellungen finanziell unterstützen, um gerade Menschen, die aus befristeten oder aktuell beendeten Arbeitsverhältnissen kommen, unmittelbar eine Anschlusschance zu bieten und sowohl Einkommen zu sichern als auch Abstiegsprozesse aufzuhalten.
Ein Bildungsbonus zur Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen während Zeiten von Arbeitslosigkeit könnte dabei helfen, die Zeiten der Rezession für Weiterentwicklung und Qualifizierung zu nutzen (vgl. Hutter/Weber 2020). Ein solcher regelmäßiger Bonus würde insbesondere Personen mit geringem Qualifikationsniveau einen Motivationsanreiz bieten sich weiterzubilden, statt z.B. zusätzliche Mini-Jobs zur Einkommenssicherung anzunehmen.
Auch in Nürnberg müssen die bestehenden Strategien der Arbeitsförderung weitergeführt und – auf der Grundlage neuer gesetzlicher Möglichkeiten, wie dem Teilhabechancengesetz oder dem „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ – angepasst werden. So will sich u.a. der „Runde Tisch Weiterbildung“, der vom Bildungsbüro organisiert wird, schwerpunktmäßig mit der Vernetzung von Angeboten für gering qualifizierte Personen beschäftigen. Damit möglichst alle Erwerbspersonen in Nürnberg an Bildung und damit an Teilhabe „dranbleiben“ können – auch nach der „Corona-Zeit“!
Quellen:
Anger, S., Bauer, A. et al. (2020): Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Befunde der IAB-Forschung zur Corona-Krise –Zwischenbilanz und Ausblick, S.11 f.
Hutter,Ch. / Weber, E. (2020): Corona-Krise: die transformative Rezession; In: Wirtschaftsdienst, Vol. 100, No. 6, S. 429-431.
Kleinert, C., Bächmann, A., Zoch, G. (2020): Leibnitz-Institut für Bildungsverläufe e.V. Erwerbsleben in der Corona-Krise: Welche Rolle spielen Bildungsunterschiede, S.6 f.
Der aktuelle Bericht „Bildung auf einen Blick (2020)“, der herausgegeben wird durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), erschien im September. Wie jedes Jahr wird darin die Bildungssituation im frühkindlichen Bereich bis zur Weiterbildung im Erwachsenenalter in den OECD-Ländern in Verlauf und Qualität dargestellt.
Die Studie erhebt unter anderem Daten zu den Themen Bildungsbeteiligung, Absolventenquoten, Bildungsausgaben, Weiterbildung und Lehr- und Lernbedingungen. Der Stand der Daten liegt vor 2020, dennoch werden mögliche Auswirkungen der diesjährigen COVID-19-Pandemie berücksichtigt. Der OECD-Bericht betrachtet dabei die bildungspolitischen Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die darin bestehen, inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle zu fördern. Ein Schwerpunktthema des Berichts liegt in diesem Jahr auf der beruflichen Bildung, die als eine der großen Stärken des deutschen Bildungssystems benannt wird.
Das Berufsbildungssystem in Deutschland stellt dem Bericht zufolge eine hohe Beschäftigungsfähigkeit sicher. Ihm wird eine Schlüsselrolle in der Phase nach der Corona-Pandemie zugesprochen. Rund die Hälfte (46 %) der Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich II in Deutschland entscheiden sich für einen berufsbildenden Bildungsgang. Der Großteil (89 %) aller Schülerinnen und Schüler in berufsbildenden Bildungsgängen nimmt an einem „kombinierten schulischen und betrieblichen Bildungsgang“ teil, was die führende Rolle der dualen Berufsausbildung in Deutschland zeigt.
Eine grundständige berufliche Ausbildung verbessert deutlich die Chancen auf dauerhafte Beschäftigung: 2019 waren in Deutschland 88 % der 25- bis 34-Jährigen mit einem berufsbildenden Abschluss (im Sekundarbereich II bzw. postsekundären nichttertiären Bereich) in Beschäftigung. Dies entspricht dem Anteil der Gleichaltrigen mit Hochschul-, Fachhochschul- oder anderem sogenannten tertiären Abschluss mit ebenfalls 88 %. Nur drei Prozent der Personen mit beruflichem Bildungsabschluss sind erwerbslos, im OECD-Durchschnitt sind es doppelt so viele. Gleichzeitig betont der Bericht den hohen Einkommensvorteil von Menschen mit einem Tertiärabschluss (zu dem auch der Meister- oder Technikerabschluss zählen).
Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung; Sachdaten: OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2020“.
In allen OECD-Ländern steigen die Beschäftigungsquoten, je länger der Abschluss zurückliegt. In Deutschland finden gut 86 % der erwachsenen Absolventinnen und Absolventen des Sekundarbereichs II zwischen 15 und 34 Jahren innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrem Abschluss einen Arbeitsplatz. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 66 %. Diese Beschäftigungsquote in Deutschland bleibt auch zwei bis drei Jahre bzw. vier bis fünf Jahre nach dem Abschluss noch bei 88 bzw. 87 %.
Im Bereich der frühkindlichen Bildung hebt der OECD-Bericht hohe Teilnahmequoten und gute Betreuungsrelationen hervor. Ab einem Alter von einem Jahr lag die Beteiligung an frühkindlicher Bildung und Betreuung mit 41 % deutlich über dem OECD-Mittel von 34 %. Die Beteiligung der unter 3-Jährigen stieg zwischen 2010 und 2018 von 27 % auf 38 % erheblich an und liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 26 %. Die Betreuungsrelation in der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist in Deutschland mit 5 Kindern bei den 0- bis 3-Jährigen bzw. 9 Kindern bei den 3- bis 6-Jährigen je Erzieher/-in wesentlich günstiger als im OECD-Schnitt mit 7 bzw. 14 Kindern.
Der diesjährige OECD-Bericht nimmt auch die Bildungsausgaben im internationalen Vergleich in den Blick. Im Jahr 2017 waren die Pro-Kopf-Ausgaben pro Bildungsteilnehmendem in Deutschland höher als in den meisten anderen Ländern (jeweils 13.529 Dollar gegenüber dem OECD-Durchschnitt von 11.231 Dollar). Dem Bericht zufolge gab die Bundesrepublik 4,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für den Bildungsbereich aus und befindet sich damit unter dem OECD-Schnitt von 4,9 %.
Angesichts der Unvorhersehbarkeit des Arbeitsmarktes und der technologischen Entwicklungen hin zur Digitalisierung und Automatisierung sei es von Bedeutung, die beruflichen Ausbildungsgänge anzupassen und Kompetenzen zu vermitteln, die in der zukünftigen (Arbeits-)Welt wichtig sein werden. Die Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass leistungsstarke Berufsbildungssysteme ein wirksames Mittel seien, um Lernende in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Möglichkeiten für weiteres Lernen eröffnen. Im Gegensatz zu rein schulischen Ausbildungen ermöglicht eine duale Ausbildung den direkten Kontakt mit Arbeitgebern, wodurch wichtige Kompetenzen erworben und wertvolle Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gesammelt werden können. Als wichtig erachtet wird auch die Möglichkeit, zwischen Bildungsgängen zu wechseln und Zugang zu einer (Fach-)Hochschulbildung zu erlangen, was wiederum Chancen für weiteres Lernen und die persönliche Weiterentwicklung eröffnet.
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Kultusministerkonferenz (2020), Berufliche Bildung punktet im internationalen Vergleich: https://www.bmbf.de/OECD-Bericht-Handout
Das 2011 gestartete Projekt „Musikalische Bildung für Kinder und Jugendliche in Nürnberg“ (MUBIKIN) wurde dieses Jahr um weitere sechs Jahre bis zum Ende des Schuljahres 2025/26 verlängert. Das von der Stadt Nürnberg, der Stiftung Persönlichkeit, der Bouhon Stiftung und der Hochschule für Musik getragene Programm wurde zuvor durch einen Stadtratsbeschluss finanziell abgesichert (Erhöhung des städtischen Beitrags um 100.000 Euro auf jährlich 440.000 Euro, die Stiftung Persönlichkeit steuert jährlich 120.000 Euro bei). Auch die Hochschule für Musik investiert in das Vorhaben und führt regelmäßig Qualifizierungen für beteiligte Erzieher-/innen und Lehrkräfte durch.
MUBIKIN nutzt musikalische Bildung als Brücke beim Übergang der Kinder von der Kindertagesstätte in die Grundschule und verbindet diesen Ansatz gleichzeitig mit einer sozialräumlichen Förderung, indem das Programm überwiegend in Schulsprengeln mit vergleichsweise schwierigen Lebenslagen stattfindet. Merkmal ist hier eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Bedarfsgemeinschaften nach SGB II (vgl. Karte). Im Schuljahr 2019/20 waren zuletzt rund 3.800 Kinder in acht Grundschulen, einer Förderschule und 40 Kindergärten in Nürnberg aktiv beteiligt.
MUBIKIN-Standorte und Anteile der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern von sechs bis unter zehn Jahren an der altersentsprechenden Bevölkerung
Quelle: Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth; Bundesagentur für Arbeit und Einwohnermelderegister; Stadt Nürnberg, Regiestelle MUBIKIN.
Eine wissenschaftliche Evaluation von MUBIKIN, die der Bremer Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Andreas Lehmann-Wermser im Auftrag der Stadt Nürnberg – nach einer ersten Studie im Jahr 2014 – vergangenes Jahr durchführte, bestätigte einerseits den Erfolg der bisherigen Arbeit. So konnte ein hohes musikpädagogisches Niveau bei den multiprofessionellen Tandems sowie ein hohes Niveau musikpraktischer Kompetenz bei den teilnehmenden Kindern festgestellt werden. Dies sei ein Hinweis für den Erfolg der Professionalisierung des Musikunterrichts durch die Teilnahme an MUBIKIN, so Lehmann-Wermser. Andererseits formulierte er konkrete Handlungsempfehlungen für MUBIKIN, deren Umsetzung in der neuen Phase des Programms ab diesem Schuljahr ansteht.
Die Qualität des Unterrichts in multiprofessionellen Tandems von Musikpädagogen/-innen und Erzieher/-innen in Kindertagesstäten und von Musik- und Grundschullehrkräften in Schulen hat sich seit 2014 gebessert und sollte laut Evaluation weiterhin im Fokus bleiben. Bei der Zusammenarbeit von Kindertagesstätten mit der jeweiligen Grundschule im Sprengel sieht die Studie noch Verbesserungsbedarf. Einen positiven Ansatz stellen hier die Sprengelkoordinatoren/-innen dar, die im MUBIKIN-Programm eigens vorgesehen sind. Positiv beurteilt wurden die Arbeitsbedingungen der Akteure und die sozialräumliche Perspektive von MUBIKIN, indem das Programm in Schulsprengeln stattfindet, die nach dem Sozialindex als benachteiligt gelten. Durch die Kostenfreiheit und den systematischen Ansatz der Beteiligung ausnahmslos aller Kinder im Sprengel leistet MUBIKIN einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit in Nürnberg.
Das Forscherteam um Prof. Lehmann-Wermser erarbeitete die Evaluation auf Basis einer quantitativen Befragung aller beteiligter Lehrkräfte, ergänzt durch eine qualitative Erhebung (Gespräche, Besuche) an allen MUBIKIN-Schulen und -Kitas.
Ungeachtet der positiven Einschätzung von MUBIKIN war das Programm im letzten Schuljahr stark von den Corona-bedingten Schulschließungen betroffen und wird im laufenden Schuljahr 2020/21 im „Regelbetrieb“ von Kindertagesstätten und Schulen weiter fortgesetzt. In den Grundschulen ergibt sich in der neuen Phase des Programms (auch auf Vorschlag von Prof. Lehmann-Wermser) die Änderung, dass die Kinder im ersten und zweiten Jahr künftig zwar nur alle zwei Wochen MUBIKIN-Musikunterricht bekommen, dieser dafür auf die gesamte Grundschulzeit bis zum Ende der vierten Klasse ausgedehnt wird.
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