Politische Bildung in Nürnberg im Fokus – DoKuPäd und laut!

Politische Bildung in Nürnberg im Fokus – DoKuPäd und laut!

Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Spaltungs- und politischer Radikalisierungstendenzen kommt der politischen Bildung eine hohe Bedeutung zu. Die Geschichte der Stadt Nürnberg, als Stadt der Reichsparteitage während des Nationalsozialismus, aber auch das aktuelle Verständnis als Stadt des Friedens und der Menschenrechte schaffen passende Bezüge für historische und politische Bildung in Nürnberg.

In der Online-Veranstaltung „BildungsDate“ am 21.10.2024 wurden zwei Beispiele etablierter Praxis der politischen Bildung in Nürnberg vorgestellt. Dr. Anja Prölß-Kammerer leitet mit DoKuPäd („Pädagogik rund um das Dokumentationszentrum“) eine der wichtigsten Einrichtungen der historisch-politischen Bildung. Yasmin Lemmermeier vertritt vonseiten des Jugendamts das Projekt laut!, das über die Jahre immer wieder neue Möglichkeiten der Jugendbeteiligung in der Stadtpolitik und -öffentlichkeit entwickelt hat. Sowohl DoKuPäd als auch laut! richten sich an junge Menschen, verfolgen in ihren Arbeitsweisen jedoch unterschiedliche Ansätze.

DoKuPäd – Historisch-politische Bildungsangebote speziell für junge Menschen

Als Einrichtung des Kreisjugendrings Nürnberg-Stadt macht DoKuPäd historisch-politische Bildungsangebote. Das Reichsparteitagsgelände und das Dokumentationszentrum dienen dabei als Grundlage und Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit. Zudem spielt der Gegenwartsbezug eine herausgehobene Rolle, wie sich z.B. an Workshops zum Thema Fake News zeigt. Die Zahl der Gesamtteilnahmen hat sich von 2003 bis 2023 mehr als verdoppelt (Abb. 1). Ein deutlicher Einbruch zeigte sich in den Jahren 2020 und 2021. Das Corona-Loch sei inzwischen aber im Wesentlichen überwunden, so Prölß-Kammerer.  Wichtig sei es, dass Schülerinnen und Schüler aller Schularten mit dem Angebot erreicht werden. Dies zeigt ein Blick in die Statistik: Mit 29,7 Prozent ist ein größerer Teil der Teilnehmenden an Haupt- und Mittelschulen als an Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen.

Abb. 1: Teilnehmende an Veranstaltungen politischer Bildung von DoKuPäd, 2003 bis 2023

Quelle: Kreisjugendring Nürnberg-Stadt; DoKuPäd.

Partizipationsmodell „laut!“ – Diskurs und Beteiligung für Jugendliche

Das Partizipationsmodell „laut!“ (Jugendamt Nürnberg, KJR Nürnberg-Stadt, Medienzentrum Parabol) bietet Diskursplattformen und Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche im kommunalpolitischen Kontext. Seit 2012 werden in diesem Rahmen immer neue Dialog- und Engagement-Formate entwickelt und erprobt, wie beispielsweise die stadtweite Jugendversammlung laut! Forum Live, bei der junge Menschen aus ganz Nürnberg mit dem Oberbürgermeister über ihre Anliegen und Ideen für die Stadt diskutieren. Durch die unterschiedlichen Formate, persönlichen Kontakte und vielfältigen Methoden wir den Jugendlichen mehr Mitsprache ermöglicht, so Lemmermeier. Auch laut! kann sich über steigende Teilnahmezahlen in den letzten Jahren freuen (Abb. 2). Während Corona gab es in erster Linie Sonderformate, wie die Corona-Impfkampagne, Politik-Talks, die live gestreamt wurden oder das gestreamte laut! Forum live. Wegen den Kontaktbeschränkungen fanden viel Einzeltermine statt.

Abb. 2: Teilnehmende an Veranstaltungen und Maßnahmen von laut!, 2015 bis 2023

Quelle: Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, Projekt laut!
Anmerkungen: laut! Vor Ort: Forum 2016 auf 2017 verschoben, seitdem neuer Turnus; Corona-bedingte Auswirkungen: 2020 hybrid, 2021 hybrid und 14 Tage Stream aktiv; Sonstige Veranstaltungen und Maßnahmen: 2021 und 2022 inkl. laut! Forum live

Herausforderungen in der politischen Bildung

Seit der Pandemie habe sich einiges verändert, wie Frau Dr. Prölß-Kammerer und Frau Lemmermeier  betonten. Streaming- und Onlineformate, wie sie damals oft notgedrungen entwickelt wurden, werden nicht mehr nachgefragt. Gleichzeitig macht sich politische Polarisierung in der Arbeit mit den jungen Menschen immer stärker bemerkbar – beispielsweise in Form von verschwörungstheoretischen Aussagen. Dem versuchen beide mit neuen Angeboten zu begegnen, teils in Kooperation.

Dazu gehören zum Beispiel Workshops zu Fake News sowie zum Thema Games & Rechtsextremismus. Beim Workshop „Lernort Rathaus“ wird Jugendlichen das Rathaus und der Stadtrat durch eine Führung sowie durch Videos nahegebracht. Darauf aufbauend sind die Gruppen angehalten, eigene Ideen zur Verbesserung ihres Lebens in Nürnberg zu entwickeln und zu diskutieren. Für die Umsetzung ist eine Förderung im Rahmen von „laut!cash“ bis zu 400€ möglich.

Angesichts des Drucks, unter dem die Demokratie zunehmend stehe, beschwerten sich beide Diskussionsteilnehmerinnen nicht über zu geringe Aufmerksamkeit für die politische Jugendbildung. Beide freuen sich über den hohen Stellenwert der politischen Bildung in Nürnberg. Prölß-Kammerer gab jedoch zu bedenken, dass es sich hier um eine Aufgabe handele, die dauerhaft zu leisten und zu fördern sei.


Titelbild: © Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, Projekt laut!

Werkstattgespräch „Politische Bildung & KI“ mit Isa Jahnke

Werkstattgespräch „Politische Bildung & KI“ mit Isa Jahnke

Prof. Dr. Isa Jahnke ist Gründungsvizepräsidentin für Studium, Lehre und Internationales und Professorin für Information Science and Learning Technologies an der Technischen Universität Nürnberg. Sie diskutiert bei der 15. Nürnberger Bildungskonferenz mit Dr. Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank und Martin Fehrensen, Gründer des Social Media Watchblogs, über politische Bildung in der digitalisierten Gesellschaft.

Auf dem Podium der Bildungskonferenz vertritt Jahnke die am 1. Januar 2021 gegründete University of Technology in Nuremberg (UTN). Mit der UTN hat es die erste Neugründung einer staatlichen Universität in Bayern seit 1978 gegeben. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Universität und das entwickelte Studienkonzept von anderen Hochschuleinrichtungen. Einen besonderen Modellcharakter erhält die neue Bildungsinstitution unter anderem durch ihre intensive interdisziplinäre Ausrichtung. Nach internationalem Vorbild wurden an der UTN anstelle von Fakultäten zunächst zwei Seed-Departments eingerichtet. Sie bilden unterschiedliche Forschungsfelder ab und stehen in enger Verbindung, um technologische, naturwissenschaftliche, geistes- und sozialwissenschaftliche Themen fächerübergreifend zu untersuchen. Die digitale Transformation wird in Lehre und Forschung im Hinblick auf gesellschaftliche Zukunftsfragen ganzheitlich betrachtet.

Jahnke nimmt als Gründungsvizepräsidentin und Professorin für Learning Technologies entscheidende Rollen bei der Entwicklung der UTN ein. Als interdisziplinäre Forscherin im Bereich Educational Technology liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf der Entwicklung und Erforschung von digitalen Lernumgebungen und der Integration von Technologie in den Bildungsprozess. Sie war u.a. in den USA als Professorin und Direktorin des Information Experience Labs an der University of Missouri (2015-2021) und in Schweden als Leiterin der Forschungsgruppe Interactive Media and Learning an der Umeå Universität (2011-2015) an vielen Forschungsarbeiten beteiligt. Zuvor war sie von 2008 bis 2011 Juniorprofessorin an der TU Dortmund.

Die Wissenschaftlerin hat das Konzept der „Digital Didactical Designs“ (DDD) entwickelt, das technologische, pädagogische und soziale Dimensionen integriert, um zu effektiven digitalen Lehr-Lernsettings und innovativen Lernumgebungen zu gelangen. An der UTN gestaltet sie einen kollaborativen und digital-aktivierenden Lernort, in dem Studierende individuell angepasste und damit effektive Lernerfahrungen sammeln können. Selbstgesteuertes Lernen wird angeregt, durch die Lehrenden begleitet, und durch entsprechende digitale Tools und Konzepte unterstützt. So wird auch der generativen künstlichen Intelligenz nicht nur in den Studieninhalten der UTN, sondern auch im Lernprozess eine wesentliche Rolle zugeschrieben.

Beim Werkstattgespräch der Bildungskonferenz liefert Prof. Dr. Isa Jahnke Ansätze, wie Digitalisierung und KI an der UTN in den Dienst der Bildung gestellt werden können. Digitalisierung zu verstehen und zu nutzen, um gesellschaftliche Themen innovativ zu bearbeiten, sind dabei wesentliche Ziele.


Titelbild: © Eye-D Fotodesign.

Werkstattgespräch „Politische Bildung & KI“ mit Deborah Schnabel

Werkstattgespräch „Politische Bildung & KI“ mit Deborah Schnabel

Im Werkstattgespräch der diesjährigen Nürnberger Bildungskonferenz wird Dr. Deborah Schnabel mit Prof. Dr. Isa Jahnke, Gründungsvizepräsidentin der Technischen Universität Nürnberg, und Martin Fehrensen, Mitgründer des Social Media Watchblogs, über politische Bildung in der digitalisierten Gesellschaft diskutieren. Die promovierte Psychologin ist Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank und die Weiterentwicklung politischer Bildung in einer digitalisierten Öffentlichkeit gehört zu ihren Kernthemen.

Die 1994 gegründete Bildungsstätte Anne Frank sensibilisiert bundesweit durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen der Menschenfeindlichkeit. Die Einrichtung unterstützt Schulen, Verbände und andere Institutionen im Umgang mit Rechtspopulismus und Radikalisierung. Dazu gehört unter anderem die Entwicklung eigener Bildungsangebote wie Workshops, Fortbildungen und interaktive Ausstellungen – sogenannte Lernlabore.

Vor ihrer Tätigkeit in der Bildungsstätte Anne Frank beschäftigte sich Schnabel sowohl praktisch als auch wissenschaftlich mit Fragen des interkulturellen Zusammenlebens.  Als Direktorin der Bildungsstätte Anne-Frank liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit im Bereich der sozialen Medien sowie – zuletzt immer mehr –  zur Wirkung Künstlicher Intelligenz. So schilderte sie im Mai 2024 in einem Interview, dass zunächst die „sozialen Medien als Möglichkeits- und auch Gefahrenräume der antisemitismus- und rassismuskritischen Bildungsarbeit“ betrachtet worden seien, nun aber die Künstliche Intelligenz eine immer wichtigere Rolle spiele. „Gerade im Superwahljahr 2024, in dem die KI stark auf Meinungsbildungsprozesse einwirkt und es um die Macht der Bilder geht, haben wir uns zum Ziel gesetzt, uns intensiv mit dem Thema KI zu befassen.“

Im Februar 2024 beschäftigen sich Schnabel und weitere Autor*innen im Sammelband „Code & Vorurteil“ unter anderem mit der Frage, welche Rolle Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus spielen kann. In ihrem Beitrag mit dem Titel „Frag doch mal das Hologramm“ zeigt sie die Notwendigkeit eines postdigitalen Zugangs zur politischen Bildung auf und erläutert, wie „eine Technologie nicht nur zum reinen Selbstzweck eingesetzt wird, sondern im besten Fall ein Problem löst“. In der Zusammenfassung des Bandes formuliert Schnabel Thesen zum Verhältnis von Künstlicher Intelligenz, Rassismus und Antisemitismus.

Mit ihrer Analyse zur politischen Meinungsbildung junger Menschen in sozialen Medien sowie ihren Erfahrungen, Künstliche Intelligenz in die politische Bildung einzubeziehen, wird Schnabel spannende Impulse in das Werkstattgespräch der Bildungskonferenz einbringen.


Quellen:

Adeoso, M./ Berendsen, E./ Fischer, L./ Schnabel, D. (2024, 20. Februar): Code & Vorurteil. Über Künstliche Intelligenz, Rassismus und Antisemitismus. Verbrecher Verlag.

Berins, L. (2024, 28. Mai):  Deborah Schnabel über den Band „Code und Vorurteil“: „Antisemitismus wird stark durch KI verbreitet“. Frankfurter Rundschau. Deborah Schnabel über den Band „Code und Vorurteil“: „Antisemitismus wird stark durch KI verbreitet“ (fr.de)

Bildungsstätte Anne Frank (2024, 19. August): Bildungsstätte Anne Frank: Dr. Deborah Schnabel (bs-anne-frank.de)


Titelbild: © Felix Schmitt.

15. Nürnberger Bildungskonferenz: Z-Bau – Haus für Gegenwartskultur

15. Nürnberger Bildungskonferenz: Z-Bau – Haus für Gegenwartskultur

Die Bildungskonferenz fand am 7. November 2024 im Z-Bau statt, einem Kulturhaus in Nürnbergs Süden. Der Z-Bau versteht sich als soziokulturelles und spartenübergreifendes Zentrum, das unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren eine Plattform und Gestaltungsräume bietet.

In seiner aktuellen Form stellt der Z-Bau seit Oktober 2015 ein neues Kulturzentrum mit verschiedenen Veranstaltungsräumen, Ateliers, Werkstätten, einem Biergarten und großem Außenareal dar. Bereits seit dem Jahr 2000 wurde die ehemalige Kaserne, errichtet in den 1930er Jahren und nach dem Krieg von den amerikanischen Streitkräften genutzt, von verschiedenen Kollektiven und Vereinen kulturell bespielt. Entsprechend eines neuen, umfassenden Nutzungskonzept erfolgte 2012 bis 2014 der Umbau des Gebäudes, das seitdem von einem neu gegründeten Betreiber, der „Gesellschaft für kulturelle Freiräume mbH“, bestehend aus dem Kunstverein Hintere Cramergasse e.V., der Musikzentrale Nürnberg e.V. und der Stadt Nürnberg betrieben wird.

Der Z-Bau ist heute als freies und offenes Kulturhaus für Gegenwartskultur konzipiert. Entsprechend breit ist die kulturelle Nutzung des Hauses: Neben Konzerten finden Veranstaltungen aus sämtlichen kulturellen Sparten wie Theater, Film, Literatur, Performance und Ausstellungen statt. Außerdem werden die Räumlichkeiten von Künstlerinnen und Künstler, Kollektiven und Kulturvereinen gemietet, die tagsüber in ihren Ateliers und Studioräumen arbeiten. Darüber hinaus finden Workshops, Seminare und Vorträge für alle Altersgruppen statt.

Mit dieser vielseitigen Ausrichtung bietet der Z-Bau allen Teilnehmenden der Bildungskonferenz einen besonderen Rahmen für fachlichen Austausch und neue Impulse.

Der Z-Bau befindet sich in der Frankenstraße 200 in 90461 Nürnberg. Eine Anfahrtsbeschreibung und  Informationen zur Barrierefreiheit finden Sie hier: Z-Bau – Haus für Gegenwartskultur

Weitere Informationen zum Programm der Bildungskonferenz, wie z.B. die Inhalte der Foren, finden Sie im Newsletter „Bildung im Blick“ Nr. 33.


Titelbild: © Z-Bau.

Beitragsbild: © Max Hässlein.

Nationaler Bildungsbericht 2024 – Ergebnisse im Überblick

Nationaler Bildungsbericht 2024 – Ergebnisse im Überblick

Im Juni erschien der 10. Nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2024“, der alle zwei Jahre veröffentlicht wird und Auskunft über die Gesamtentwicklung des deutschen Bildungswesens gibt. Erstellt wird er durch eine unabhängige Autor/-innengruppe auf Basis von amtlichen Statistiken sowie sozialwissenschaftlichen Daten und Studien. Im Bericht wird neben Grundinformationen zu den Ausgaben und dem Personal sowie zu Bildungsverläufen ein Überblick über die verschiedenen Bildungsbereiche gegeben. Bei der aktuellen Ausgabe liegt der Fokus auf der beruflichen Bildung (siehe auch Blogbeitrag „Der erste Schritt nach der Schulausbildung: Einmündung in das Berufsbildungssystem“). Der Bildungsbericht bietet damit eine datenbasierte Grundlage, um bildungspolitische Herausforderungen zu erkennen und eine sachorientierte Diskussion zu ermöglichen.

Expansion des Bildungssektors

Zu den wichtigsten Befunden zählt, dass sich der Bildungssektor vergrößert. Im Allgemeinen gibt es mehr Bildungsteilnehmende in mehr Bildungseinrichtungen mit mehr Beschäftigten. Ein Beispiel für die Expansion wäre der frühkindliche Bereich mit dem Ausbau der Kindertagesstätten. Im Berichtsjahr 2022 waren dort etwa 700.000 pädagogisch tätige Personen beschäftigt, ein Anstieg von 54 % innerhalb von zehn Jahren. Die Anzahl der Kindertageseinrichtungen stieg in diesem Zeitraum um 14 %.  Entsprechend haben sich die gesamten Bildungsausgaben in absoluten Zahlen erhöht. Sie stiegen in dem genannten Zeitraum um 46 % auf 264 Milliarden Euro. Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft zeigt sich allerdings kaum eine Erhöhung. Im Jahr 2022 entsprachen die Ausgaben 6,8 % des Bruttoinlandprodukts und somit lediglich 0,2 Prozentpunkte mehr als zehn Jahre zuvor.

In verschiedenen Bildungsbereichen wird eine wachsende Heterogenität der Bildungsteilnehmenden festgestellt. Dies hat unterschiedliche Dimensionen. Die Zuzüge von Menschen aus dem Ausland nach Deutschland sind in den vergangenen zehn Jahren angestiegen. So lag das Zuwanderungssaldo bei den unter 20-Jährigen im Jahr 2012 bei 87.567 Personen, im Jahr 2022 waren dies 506.503 Personen. Auch verlassen mehr junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Lag der Anteil 2021 noch bei 5,9 %, stieg er im Jahr 2021 leicht auf 6,2 % und im Jahr 2022 auf 6,9 %. Im Bereich der Hochschulbildung steigt die Heterogenität der Studierenden ebenfalls. Jede/r vierte Studierende an öffentlichen Hochschulen hat bereits einen beruflichen Abschluss.

Soziale Disparitäten bestehen fort

Ein Befund aus vorherigen Berichten zeigt sich erneut, Bildungserfolg und -teilnahme sind weiterhin stark abhängig von der sozioökonomischen Herkunft. Beispielsweise werden Kindertageseinrichtungen trotz ähnlicher Bedarfe der Eltern wahrscheinlicher von Kindern ohne Migrationshintergrund besucht. Insbesondere bei den 3- bis unter 6-jährigen nahm die Besuchsquote bei den Kindern mit Migrationshintergrund sogar ab. Unterrepräsentiert sind ebenfalls Kinder, die mit ihren Müttern aus der Ukraine fliehen mussten.

Unterschiede aufgrund von Herkunftsmerkmalen zeigen sich auch beim Übergang nach der Grundschule: so hatten im Jahr 2021 über drei Viertel der Kinder aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status eine Gymnasialempfehlung, wohingegen für Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status dies für weniger als ein Drittel zutraf. Ein Unterschied zwischen Kindern aus akademisch gebildeten und nicht akademisch gebildeten Elternhäusern zeigt sich bei der Teilnahme an hochschulischer Bildung. Bei erstgenannter Gruppe nehmen 78 von 100 ein Studium auf, bei der zweiten Gruppe sind es lediglich 25 von 100 Kindern.

Zwar gibt es grundsätzliche eine hohe Weiterbildungsbeteiligung in der Bevölkerung (83 % der Erwachsenen haben laut Selbstangabe ein non-formales oder formales Bildungsangebot in den vorangegangenen 12 Monaten wahrgenommen), Unterschiede lassen sich aber je nach vorhandenem Bildungsabschluss ausmachen. Ohne bzw. mit erstem Schulabschluss lag die Quote 2022 bei 70,1 %, mit mittlerem Schulabschluss bei 81,8 % und mit Fach- oder Hochschulreife sogar bei 92,9 %.

Fachkräftemangel vor allem im frühkindlichen und schulischen Bereich

Der Fachkräftemangel ist bei der quantitativen und qualitativen Ausgestaltung von Bildungsangeboten eine große Herausforderung. Er zeigt sich besonders im frühkindlichen und im Schulbereich. Durch die steigende Zahl der Kindertageseinrichtungen wuchs der Bedarf an pädagogisch Tätigen. Hier sind in Deutschland rund 700.000 Menschen beschäftigt, was einem Anstieg um 54 % innerhalb von zehn Jahren entspricht. Momentan wird in Westdeutschland bis ins Jahr 2035 ein Personalmangel prognostiziert.

Im Schulwesen versucht man sich mit Lehrkräften im Rentenalter oder aus dem Ausland, mit Seiteneinsteiger/-innen (kein Lehramtsstudium und kein Referendariat) und Quereinsteiger/-innen (kein Lehramtsstudium, aber Pflicht eines Referendariats) zu behelfen. Die Regelungen und Möglichkeiten unterscheiden sich dabei zwischen den Bundesländern. Im Schuljahr 2022/23 waren an allgemeinbildenden Schulen in Bayern 690 Lehrkräfte im Rentenalter, die ihren Schuldienst verlängerten oder aus dem Ruhestand zurückkehrten, tätig (Kuhn, 2023). Im Vergleich zu anderen Bundesländern spielen die 54 neueingestellte Seiteneinsteiger/-innen im Jahr 2023 (dies entspricht einem Anteil von 1,3 %) eine geringere Rolle.

Konkrete politische und pädagogische Handlungsempfehlungen formuliert die Autor/-innengruppe nicht, verweist aber auf die Bedeutung der identifizierten Handlungsfelder für die qualitätsvolle Weiterentwicklung des Bildungssystems. Die Bildungsexpert/-innen betonen noch dazu den Vorteil von strukturell verankerten Konzepten im Vergleich zu Förderprogrammen. Außerdem sind sie dafür, möglichst früh in der Bildungsbiographie Kompetenzdefizite zu adressieren, am besten bereits im frühkindlichen Bereich.


Quellen:

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung, Bielefeld 2024. Abrufbar unter Bildung in Deutschland 2024 — Bildungsbericht.

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung, Tabellenanhang, Bielefeld 2024. Abrufbar unter Daten 2024 — Bildungsbericht.

Bundesministerium für Bildung und Forschung 2024, Bildung in Deutschland. Nationaler Bildungsbericht erschienen. Abrufbar unter Nationaler Bildungsbericht erschienen – BMBF.

Das Deutsche Schulportal 2024, Mehrheit der Länder wirbt gezielt um Lehrkräfte im Pensionsalter. Abrufbar unter Fast alle Bundesländer werben gezielt um pensionierte Lehrer (deutsches-schulportal.de) [letzter Zugriff: 26.07.2024]       


                 

Titelbild: © Bildung in Deutschland 2024 (Bildausschnitt).