Der Bedarf für ein inklusives frühkindliches Bildungssystem hat sich in den letzten Jahren in besonderer Weise erhöht. Dies zeigt sich deutlich im Bericht „Inklusion in der frühkindlichen Bildung“, den das Bildungsbüro im November 2024 veröffentlicht hat. Anhand verschiedener Daten zur Inklusion von Kindern bis zum Einschulungsalter in formalen und non-formalen Bildungsangeboten werden die Entwicklungen für Nürnberg beschrieben.
Abbildung 1: Kinder im Vorschulalter mit bestehender oder drohender Behinderung in Kindertageseinrichtungen, 2018 bis 2023
Im Jahr 2023 besuchten insgesamt 755 Kinder im Alter von 0 Jahren bis zum Schuleintrittsalter mit einer (drohenden) Behinderung eine Kindertageseinrichtung in Nürnberg. Davon waren 50 Kinder im Alter unter drei Jahren und 705 Kinder zwischen drei und sechs Jahren (Abb. 1). Die Zahl der Kinder mit (drohender) Behinderung hat sich dabei von 2015 bis 2023 sukzessive erhöht. Insgesamt hat die Anzahl der betreuten Kinder mit (drohender) Behinderung den Kindertageseinrichtungen um 443 Kinder (142 %) zugenommen. Gleichzeitig hat sich auch der Anteil an allen betreuten Kindern von 1,8 % im Jahr 2015 auf 3,9 % im Jahr 2023 erhöht und so mehr als verdoppelt. Immer mehr Kinder in den Kindertageseinrichtungen in Nürnberg haben eine (drohende) Behinderung.
Abb. 2: Kindertageseinrichtungen mit Einzelintegration und integrative Kindertageseinrichtungen in Nürnberg, Betriebsjahre 2015, 2019 und 2023; Summe der Kitas mit Einzelintegration und der integrativen Kitas sowie Anteil an allen Kindertageseinrichtungen
Entsprechend des Anstiegs der Kinder mit (drohender) Behinderung stieg die Anzahl der integrativen Einrichtungen sowie der Einrichtungen, in denen Kinder im Rahmen einer Einzelintegration betreut werden (Abb. 2). Integrative Kindertageseinrichtungen werden von bis zu einem Drittel, mindestens aber von drei Kindern mit (drohender) Behinderung besucht. Ihre Zahl ist von 41 Einrichtungen im Jahr 2015 auf 73 im Jahr 2023 (+32) gestiegen. Die Anzahl der Einrichtungen mit Einzelintegration, d.h. mit regelhafter Betreuung von bis zu zwei Kindern mit (drohender) Behinderung, hat in diesem Zeitraum von 88 auf 144 Einrichtungen (+56) zugenommen (Stadt Nürnberg, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien – Jugendamt).
Der Anteil aller Einrichtungen in Nürnberg, die Kinder mit (drohender) Behinderung betreuen und in diesem Sinne integrativ arbeiten, lag 2015 bei 33 Prozent. Bis 2023 hat sich dieser Anteil auf 54 Prozent (+88 Einrichtungen) gesteigert. Damit betreuten mehr als die Hälfte aller 402 Kindertageseinrichtungen in Nürnberg Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung.
Blick in die Praxis: Erfahrungen zur Inklusion in der frühkindlichen Bildung
In der Online-Veranstaltung „BildungsDate“ am 28. November 2024 wurden die aktuellen Daten zur Inklusion in Kindertageseinrichtungen in den Blick genommen. Alice Götz und Sebahat Cankural, Leiterin und stellvertretende Leiterin des Familienzentrums und Kindergartens Vordere Bleiweißstraße 2, berichteten dazu über ihre vielfältigen Erfahrungen zur Inklusion im Kita-Alltag. Michaela Pohl, eine der Leiterinnen des Fachdienst Inklusion der Stadt Nürnberg, spiegelte ebenfalls ihre Erfahrungen aus der Arbeit mit den Kindertageseinrichtungen in Nürnberg.
Alice Götz und Sebahat Cankural berichteten auch für ihren Kindergarten von einer spürbaren Zunahme an Kindern mit (drohenden) Behinderungen und Entwicklungsauffälligkeiten. In der Einrichtung werden aktuell 75 Kinder betreut. Um den verschiedenen Bedarfen der Kinder nachzukommen, hat sich im Familienzentrum und Kindergarten ein breites Netzwerk an Unterstützungsstrukturen gebildet. Einen Tag in der Woche unterstützt eine Heilpädagogin vor Ort. Hinzu kommen Logopädie, Ergotherapie und die Frühförderung, welche ebenfalls in der Einrichtung mit den betreffenden Kindern stattfinden.
Aufgrund des gestiegenen Bedarfs von Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten in Kindertageseinrichtungen hat die Stadt Nürnberg im Jahr 2020 den Fachdienst Inklusion eingerichtet. Michaela Pohl erklärte, dass es darum ginge, die Einrichtungen und die Eltern zu unterstützen, um zu verhindern, dass Kindern der Besuch der Kindertageseinrichtung verwehrt wird. In der Regel meldeten sich die Kitas, wenn sie Schwierigkeiten im Umgang mit sozial-emotional auffälligen Kindern feststellten und nicht mehr weiterkämen. Der Fachdienst betreute in den Jahren 2020 bis 2023 rund 40 Kinder. Die Begleitung der Einrichtungen und Familien sei sehr zeitintensiv und dauere mehrere Monate.
Positive Grundhaltung zum Thema Inklusion
Für eine integrative Arbeitsweise komme es aus Sicht von Alice Götz und Sebahat Cankural in erster Linie auf eine positive Grundhaltung zum Thema Inklusion an. Dies bedeute, jeden Menschen in der Einrichtung willkommen zu heißen, auf Augenhöhe zu begegnen und zu respektieren. Sebahat Cankural, die angehende Inklusionsfachkraft im Kindergarten ist, schilderte, dass Inklusion eine fortwährende Anpassung des Kita-Alltags bedeute. Konkret heißt dies z.B. Räumlichkeiten umzugestalten, geeignetes Fördermaterial zu beschaffen, sich fortzubilden und viel Austausch und Reflexion mit allen Beteiligten des Teams und externen Fachkräften und Institutionen zu betreiben. Durch das angelagerte Familienzentrum ergeben sich für das Thema Inklusion weitere Spielräume, erklärte Alice Götz. Sie führte einen höheren Anstellungsschlüssel und mehr zusätzliche Unterstützung an, auf die zurückgegriffen werden könne. Für eine integrative Arbeitsweise brauche es neben der Haltung vor allem mehr Zeit, um der dahinterliegenden Organisation (z.B. von Testungen, externen Fachkräften, Elternberatungen) gerecht zu werden.
Aus Sicht von Michaela Pohl vom Fachdienst Inklusion sei es am wichtigsten, sich als Einrichtung auf die Bedürfnisse der Kinder einzustellen. Eine positive Grundhaltung zur Inklusion und ein stärkerer Wille, dass jedes Kind in den Einrichtungen gut zurechtkommt, sei mehr und mehr spürbar.
Michaela Pohl sieht ebenfalls, dass es mehr Ressourcen sowie auch Wertschätzung für die Arbeit in den Einrichtungen brauche. Es gebe gute Ansätze, aber das Ziel der Inklusion in der frühkindlichen Bildung sei noch nicht überall erreicht. Inklusion müsse dazu aus ihrer Sicht vor allem stärker in der Ausbildung verankert werden und entsprechende Fortbildungen, insbesondere für Quereinsteiger/-innen, ermöglicht werden. Die Teams in den Kindertageseinrichtungen brauchten zudem genügend Zeit, um sich weiterentwickeln und dem Anspruch auf Inklusion bedarfsgerecht nachkommen zu können.
Weitere Informationen zum Thema „Inklusion in der frühkindlichen Bildung“ finden Sie im Bericht „Inklusion in der frühkindlichen Bildung“.
Titelbild: © AdobeStock, 63615993.
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