Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

Bildungsblog » Start » Schule » Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Städtischen und Staatlichen Wirtschaftsschule in Nürnberg

Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Städtischen und Staatlichen Wirtschaftsschule in Nürnberg

Beitrag vom 07. Feb. 2024

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist an allen Schularten ein Thema. So auch an den Wirtschaftsschulen. Das sind in Bayern berufliche Schulen, die neben Allgemeinbildung eine berufliche Grundbildung aus dem Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung vermitteln. In Nürnberg gibt es neben einer privaten Wirtschaftsschule eine öffentliche Wirtschaftsschule. Sie wird in Trägerschaft durch die Stadt Nürnberg geführt, einige staatliche Klassen sind dort angeschlossen. Im Schuljahr 2023/24 besuchen 670 Schülerinnen und Schüler 29 Klassen (Quelle: Wirtschaftsschule Nürnberg).

Die Städtische und Staatliche Wirtschaftsschule in Nürnberg beschäftigt sich seit einiger Zeit intensiver mit dem Thema BNE* und zählt nun zu den Modellschulen in diesem Bereich in Bayern. Wir sprachen mit der Schulleiterin, Uschi Trappe-Ruff, dem stellvertretenden Schulleiter, Christian Traub, sowie der für BNE verantwortlichen Lehrkraft, Theresa Hühnlein, und berichten im Folgenden über konkrete Projekte und die Rolle von BNE in der Schulentwicklung.

Wie die Wirtschaftsschule Modellschule für Bildung und nachhaltige Entwicklung wurde

Im Lehrerkollegium der Schule wurde vor einigen Jahren festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler immer weniger Bezug zur Natur zeigten. Einige engagierte Lehrkräfte planten im Rahmen des Projekts „Campus-N“ der Stiftung Bildungspakt Bayern daher mit  einer Ganztagsklasse der 8. Jahrgangsstufe Hochbeete auf dem Schulgelände und bepflanzten sie mit Obstbäumen und Gemüsepflanzen. Das Projekt wurde von der Schulfamilie so gut angenommen, dass durch eine Kooperation mit dem Bildungsprogramm GemüseAckerdemie von Acker e.V. und mithilfe einer Förderung durch die AOK Gesundheitskasse ein Schulgarten eingerichtet werden konnte. Das Gärtnern erreichte die breitere Schülerschaft, sorgte für Spaß und (teilweise erste) Naturerfahrungen.

Um sich langfristig in Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln, bewarb sich die Wirtschaftsschule in der Folge als Modellschule für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Projekt „Innolab-N“ der Stiftung Bildungspakt Bayern. Aus dem Kreis der Lehrkräfte fand sich dafür in kurzer Zeit ein engagiertes Team zusammen. Auch das Amt für Berufliche Schulen in Nürnberg befürwortete die Teilnahme am Schulversuch. Seit dem Schuljahr 2022/23 nimmt die Wirtschaftsschule als eine von zwölf Schulen in Bayern an dem auf drei Jahre ausgelegten Modellversuch teil und erhält z.B. Anrechnungsstunden und Fortbildungen für die Lehrkräfte. Die Schulleiterin Uschi Trappe-Ruff hält dies für den Weg in die richtige Richtung: „Das Thema Nachhaltigkeit ist einfach zu wichtig, als dass man es nicht angeht. Wir müssen es in die Schülerschaft hineinbringen, weil junge Menschen etwas verändern können“.

Wie Aktivitäten und Projekte im Rahmen des Modellversuchs entstehen und umgesetzt werden

Die befragten Lehrkräfte der Wirtschaftsschule schilderten verschiedene an der Schule verfolgte BNE-Aktivitäten. Die Ideen dafür stammen aus der Lehrerschaft, der Schülerschaft und aus dem Austausch mit anderen Modellschulen. Auch außerschulische Kooperationspartner z.B. aus der Sozialwirtschaft sind beteiligt. In einem Projekt mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) etwa engagieren sich Jugendliche der 9. Jahrgangsstufe für ältere Menschen aus einem Seniorenheim, indem sie ihnen beim Umgang mit dem Smartphone helfen. Gleichzeitig wird versucht, im Unterricht und im Schulalltag das Thema des respektvollen und nachhaltigen Umgangs mit Mensch und Natur einfließen zu lassen, etwa durch einen Besuch auf einem Bauernhof.

Die Mitarbeit von Schülerinnen und Schülern in der Schulcaféteria sorgt dafür, dass sie stärker für ihren Konsum sensibilisiert werden. Gleichzeitig ergeben sich daraus Impulse für Veränderungen in Richtung ökologischer, ökonomischer oder sozialer Nachhaltigkeit. Zur Einstimmung auf die Weihnachtszeit entwickelten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise unter Beteiligung von Personen aus Politik und Wirtschaft einen digitalen Adventskalender, der auch Bezug auf die 17 Sustainability Development Goals (SDGs) nahm. Sie haben dafür Inhalte u.a. zum Thema nachhaltiger Kleidungskonsum erarbeitet und sind auf die Spendenaktion „Weihnachten im Schuhkarton“ des Samaritans’s Purse e.V. eingegangen. Für die Umsetzung von BNE kommt es aus Sicht der Lehrkräfte vor allem darauf an, das Interesse der jungen Menschen zu wecken. So berichtet Theresa Hühnlein: „Wenn Interesse bei den Schülerinnen und Schülern besteht, dann kriegt man sie automatisch dazu [mitzumachen]. Also da muss man nicht sagen, »wir bilden jetzt ein extra Projekt«“.

Wie ein ganzheitlicher Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit gelebt wird

Abgesehen von Aktivitäten und Lerngelegenheiten spielt bei der BNE das Vorleben der verschiedenen Prinzipien in den unterschiedlichsten Bereichen einer Institution eine große Rolle. Im Bereich der Schulen hat sich hier der Begriff des Whole school approach etabliert. Der Impuls, sich verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, bezog sich an der Wirtschaftsschule zunächst auf den Bereich der Umweltbildung. In der Zwischenzeit, und insbesondere mit dem Antrag als Modellschule, werden die wirtschaftliche und die soziale Dimension ebenfalls berücksichtigt. Man versucht eine ganzheitliche Umsetzung durch unterschiedliche Aktivitäten in möglichst allen Fächern und den Einbezug der gesamten Schulfamilie zu erreichen. Hierfür unterstützend wurde für das gesamte Kollegium ein pädagogischer Tag zur thematischen Qualifizierung für BNE mit einer externen Referentin durchgeführt.

Lehrkräfte der Wirtschaftsschule setzen sich im Rahmen des pädagogischen Tages mit den SDGs auseinander.

Die Partizipation aller Beteiligten spielt bei BNE insgesamt eine große Rolle. An der Schule gibt es daher zum Beispiel einen Mensa-Rat, in dem die Schülerschaft, die Eltern und die Lehrkräfte das Angebot der Mensa evaluieren und Veränderungsmöglichkeiten anregen, wie die Verwendung von mehr saisonalen, regionalen Produkten. Hier werden auch wirtschaftliche und soziale Punkte, wie etwa die Bezahlbarkeit, berücksichtigt. Für die Schülerinnen und Schüler besteht daneben noch die Mitwirkung in der Schülermitverantwortung (SMV) vor allem in den 8. und 9. Jahrgangsstufen.

Verändertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Schülerschaft

Aus Sicht der beteiligten Lehrkräfte erleben die Schülerinnen und Schüler durch ihr eigenes Tun wie z.B. gärtnern, eigenes Brot backen und anderen Menschen helfen, dass sie etwas bewirken können. So berichtet Christian Traub, Fachlehrkraft für Betriebswirtschaftliche Steuerung und Kontrolle (BSK), im Interview: „Wir [Anm.: die Lehrkräfte] waren am Mittwoch eingeladen und haben eine selbstgemachte Kürbissuppe bekommen. Das machte die Schülerinnen und Schüler wahnsinnig stolz“.

Verkostung von selbst angebautem Gemüse und Kräutern beim Erntefest 2023

An verschiedenen Stellen bemerken die interviewten Lehrkräfte außerdem, dass die Schülerinnen und Schüler stärker über das Thema Nachhaltigkeit nachdenken und das Interesse daran gestiegen ist. Im Unterrichtsfach BSK werden zum Beispiel bei Übungen zum Einholen von Angeboten und Dienstleistungen explizit Gütesiegel, die auf Nachhaltigkeit schließen lassen, angefragt. Im Geografieunterricht interessieren sich Schülerinnen und Schüler besonders dafür, wo und unter welchen Bedingungen die für sie wichtigen Konsumgüter, z.B. Jeans, produziert werden. Dennoch begreift Theresa Hühnlein den Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Leben der Schülerinnen und Schüler eher als langfristige Entwicklung: „Ich glaube, man kann nicht einfach von einer Sekunde auf die nächste sagen: »Ich ändere jetzt meinen Charakter und ich ändere meine Handlungsweisen«. In manchen Punkten bestimmt, aber das dauert, glaube ich, auch einfach eine gewisse Zeit.“

Wie das Thema Nachhaltigkeit im Regelschulbetrieb auch ohne Modellschulförderung verankert werden kann

In den Lehrplänen nimmt das Thema BNE nach und nach mehr Raum ein. Aktuell werden die Lehrpläne überarbeitet und von Seiten der Wirtschaftsschule wurde angeregt, dass ein Augenmerk darauf gelegt wird. Wenn BNE in den Curricula strukturell verankert wäre, könnte man es aus Sicht der Schule grundsätzlich leichter umsetzen. Dazu meint Uschi Trappe-Ruff: „BNE muss in den Unterricht implementiert werden. Das ist das Ziel, dass das alltäglich wird“. Aus Sicht der Lehrkräfte versucht man wegzukommen von dem Projektgedanken und BNE scheinbar beiläufig Teil des gesamten Unterrichts- und Schulalltags werden zu lassen, damit nachhaltiges Denken und Handeln wirklich verinnerlicht wird. Im Kollegium gab es beispielsweise bedingt durch den pädagogischen Tag das Bestreben, dass nicht nur das BNE-Team zuständig ist, sondern das Thema im Kollegium breiter gestreut wird. BNE wird als Teil der Schulentwicklung gesehen.

Die Lehrkräfte benennen vor allem den Austausch mit anderen Schulen als sehr wertvoll für die Sammlung erster Ideen zur Umsetzung. Beispielsweise mit den Schulen des Netzwerks „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, da es auch ein Teilaspekt von BNE ist. An anderen Schulen gibt es ebenfalls BNE-Aktivitäten, die man nicht immer mitbekommt. Dabei gibt es auch sehr niedrigschwellige Möglichkeiten, BNE umzusetzen. So kann man beispielsweise im Rahmen des Deutschunterrichts eine Reportage zu einem BNE-Thema wie der Mülltrennung lesen und analysieren. Die Umsetzung von BNE geht so auch ohne viel Aufwand oder Kosten. Theresa Hühnlein kann daher nur ermuntern: „Einfach Mut haben und ausprobieren. Es muss nicht immer gleich perfekt sein.“


* Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) befähigt Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln. Sie ermöglicht jedem Einzelnen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen. Menschen und Staaten sollen sich nach dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung so weiterentwickeln, dass ein Leben in Frieden und ein dauerhaft tragfähiges Ökosystem ermöglicht wird. (Quelle: BNE-Portal)


Bildnachweis:

Titelbild (Blick in den entstandenen Schulgarten der Wirtschaftsschule) und Beitragsbilder: © Wirtschaftsschule Nürnberg.

0 Kommentare

Das könnte Sie auch interessieren:

Digitale Bildung im Schulbereich in Nürnberg

Zeitgemäße Schulbildung muss sich mit den Herausforderungen und Chancen einer digitalisierten Welt auseinandersetzen und dafür braucht es sowohl die technische Ausstattung als auch entsprechendes pädagogisches Know-how. In Nürnberg gibt es daher bereits seit 2017 eine...