Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

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Sprachkurszugang: Strukturell verbessert, pandemiebedingt erschwert

Beitrag vom 08. Jun. 2021

Als stark von Migration geprägte Stadt spielt für Nürnberg die Sprachbildung eine besondere Rolle für das Gelingen der Bildungsbiographien seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Aus den Monitoring-Gesprächen zwischen der Regiestelle Flucht und Integration und den Sozialdiensten der Gemeinschaftsunterkünfte ergeben sich Hinweise darauf, dass sich der Zugang zu Sprachkursen für Geflüchtete zuletzt verbessert hat. So meldeten die Sozialdienste im zweiten Halbjahr 2019 noch 53 Personen mit Bedarf an einem Sprachkurs und davon 21, für die kein passendes Angebot gefunden werden konnte. Die beiden Kennzahlen sanken auf 12 Personen mit Sprachkursbedarf und nur noch drei Personen ohne passendes Angebot im zweiten Halbjahr 2020 (Quelle: Stadt Nürnberg; Referat für Jugend, Familie und Soziales, Regiestelle Flucht und Integration). Obwohl sich schwer interpretieren lässt, welchen Einfluss Faktoren wie beispielsweise Zeitkonkurrenz mit Kinderbetreuung und andere Hürden haben, welche sich aus der Pandemie ergeben, ist dieser Befund ein Grund zur Freude. Und es gibt Gründe, die diese Entwicklung plausibel erscheinen lassen.

Verbesserter Zugang zu Sprachkursen

Der erste Grund für den verbesserten Zugang zu Sprachkursen sind einige Änderungen vonseiten des Bundes. So wurde mit dem Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz vom 1. August 2019 beispielsweise für Menschen mit sogenannter unklarer Bleibeperspektive das Recht geschaffen, an einem Integrationskurs teilzunehmen – sofern sie vor dem 1. August 2019 nach Deutschland eingereist waren. Die Information, dass sie nun an einem Integrationskurs teilnehmen dürfen, erreichte die Gruppe der (Neu-)Berechtigten, die zum Teil ja bereits seit Langem in Deutschland respektive Nürnberg wohnten, allerdings nicht flächendeckend.

Ähnlich gestaltet sich die Situation für Geduldete, wenn auf sie das ebenfalls neu geschaffene Unterscheidungskriterium der Arbeitsmarktnähe zutrifft. Sie erhielten Zugang zu den berufsbezogenen Deutschkursen (DeuFöV) des Bundesamts. Auch diese Information und das Verständnis darüber, was Arbeitsmarktnähe bedeutet und wie diese nachzuweisen ist, gelangte nicht automatisch zu den Betroffenen.

Weiterhin großer Beratungsbedarf

In Nürnberg trägt seit Beginn 2020 das kommunale Programm Deutschspracherwerb dazu bei, diesen Beratungsbedarf zu decken. Die Zentrale Anlaufstelle Migration (ZAM)-Beratung unterstützt die Ratsuchenden dabei, einen Sprachkurs des BAMF zu bekommen und kann Personen, die kein solches Anrecht haben, in städtisch finanzierte Sprachkurse zulassen. Durch die schnell gestiegene Bekanntheit dieses Beratungsangebots konnte das Programm wesentlich dazu beitragen, die Informations- und Angebotslücken zu stopfen.

Ein Beispiel, das die Kleinteiligkeit dieser Lücken verdeutlicht, bildet der neu geschaffene DeuFöV-Zugang für „arbeitsmarktnahe“ Geduldete: Spezialformen dieser Kurse sind passend für Menschen, die bereits mindestens auf dem Niveau A1 („Anfänger“) sprechen. Es handelt sich dabei um die erste Stufe einer sechsstufigen Einteilung von Sprachkompetenzen gemäß des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER). Wer jedoch noch gar keine nennenswerten Deutschkenntnisse vorweisen kann, dem fehlt quasi die erste Sprosse auf der Leiter. Diesen ersten Schritt bieten nur die Integrationskurse, auf die Geduldete jedoch nach wie vor keinen Anspruch haben. Das städtische Programm bietet dieser sehr spezifischen Zielgruppe die Möglichkeit, kommunal finanziert das A1-Niveau zu erreichen, um dann in den berufsbezogenen Deutschkursen des BAMF weiter zu lernen.

Warten auf die Rückkehr zum Präsenzunterricht

Von den infektionsschutzbedingten Einschränkungen der Erwachsenenbildung sind jedoch Sprachkurse insgesamt stark betroffen. Nachdem im Sommer und Herbst 2020 die vor der Pandemie begonnenen Kurse weitergeführt, neue Einstufungstests und Kurse geplant und durchgeführt wurden, musste im Winter der gesamte Sprachbildungsbetrieb wieder stillgelegt werden. Bis vor kurzem war Präsenzunterricht in Nürnberg unmöglich, egal ob es sich um Kurse des Bundesamts handelt, um Kurse für selbst zahlende Teilnehmer*innen oder für Teilnehmende des kommunalen Programms. Einzige Ausnahme bilden digitale Angebote, die von vielen Teilnehmenden aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt werden.

Auch hier konnte kleinteilige Beratungsarbeit helfen. Wie bereits nach dem ersten Lockdown riefen die Mitarbeiter*innen der ZAM-Beratung die im kommunalen Programm Deutschspracherwerb angemeldeten Personen einzeln an, um sie über neue Sprachbildungsangebote und -formate zu informieren. Während im Spätherbst des vergangenen Jahres die digitalen Angebote noch weitgehend abgelehnt wurden, konnten zwei Telefonaktionen im ersten und zweiten Quartal 2021 einen Teil der bereits 2020 getesteten Teilnehmenden in die virtuellen Angebote bringen. Diese sind aber vor allem für die Zielgruppe der Geflüchteten häufig mit besonderen Hürden wie fehlenden digitalen Grundkenntnissen, fehlenden Endgeräten und fehlendem Internetzugang behaftet.

Die aktive Aufklärung über bestehende Sprachbildungsmöglichkeiten spielt eine wesentliche Rolle im kommunalen Programm Deutschspracherwerb und nimmt auch andere Gruppen in den Blick. Mit einer Veranstaltung wendete sich die Stadt am 28. September 2020 im Heilig-Geist-Haus an Zugewanderte aus Rumänien, um über Sprach- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren. Eine umfangreiche Befragung unter Bürgerinnen und Bürgern wird demnächst empirische Ergebnisse zu den Bedarfslagen im Bereich Bildung und Bildungsberatung liefern. Weitere ethnische Communities in Nürnberg sollen in Zukunft angesprochen werden.

Mit der Aussicht, dass die Infektionsschutzmaßnahmen wieder Präsenzunterricht erlauben, haben die städtischen Akteure mit aller Kraft zusammengearbeitet und neben einer weiteren Telefonaktion bereits am 1. Juni 2021 wieder einen Testtag durchgeführt, um Menschen mit Sprachbildungsbedarf schnell in die passenden Angebote zu lotsen. „Wir freuen uns, dass wir wieder persönlich beraten dürfen und ab sofort auch wieder Menschen mit Sprachbildungsbedarf in das kommunale Programm Deutschspracherwerb aufnehmen können, der nächste Testtag ist schon in Planung“, sagt Tamara Morro von der ZAM-Beratung.


Quellen:

Stadt Nürnberg, Bürgermeisteramt/Bildungsbüro: Sachverhalt – Pilotvorhaben Kommunales Programm Deutschspracherwerb in Nürnberg, Stand 16.9.2019.

Stadt Nürnberg, Referat für Jugend, Familie und Soziales, Regiestelle Flucht und Integration.


Titelbild: © Bildungsbüro/Stadt Nürnberg.

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