Die vergangenen knapp drei Jahre brachten pandemiebedingt große Herausforderungen für die non-formale Bildungspraxis in Nürnberg mit sich, nicht zuletzt für die Museen und die Museumspädagogik. Das umfassendste museumspädagogische Angebot in der Stadt Nürnberg hat das Kunst- und Kulturpädagogische Zentrum der Museen in Nürnberg (KPZ). Es bietet einen methodisch-didaktischen Zugang zu den Sammlungen und den Ausstellungen des Germanischen Nationalmuseums, der Museen der Stadt Nürnberg und den Ausstellungshäusern des KunstKulturQuartiers. Die Angebote des KPZ tragen wesentlich zu den hohen Besuchszahlen dieser Museen bei.
Eingeschränktes Angebot während der Corona-Pandemie
Während der sogenannten Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021 war eine personelle Vermittlung jedoch nicht möglich, was sich deutlich auf die Teilnehmendenzahlen des KPZ auswirkte (Abbildung 1). Bildungsangebote für Schülerinnen und Schüler sowie für Erwachsene in Museen waren in den Bestimmungen zu Infektionsschutzmaßnahmen lange Zeit kaum oder nicht vorgesehen. Museumsführungen wurden zunächst als Freizeitangebote eingeordnet und konnten in der Zeit, als sich die Pandemielage wieder entspannte und Maßnahmen wieder gelockert wurden, nur sehr eingeschränkt stattfinden. Aufgrund der sich ändernden gesetzlichen Regelungen für den Museumszutritt, für die Kontakterfassung von Teilnehmenden oder Personenobergrenzen mussten die Hygienekonzepte des KPZ in Abstimmung mit den Museen und den dortigen Schutzkonzepten mehrfach angepasst werden.
Abbildung 1: Teilnehmende an Angeboten des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen in Nürnberg (KPZ) nach Zielgruppen, 2016 bis 2021
Deutlicher Rückgang der Besucherzahlen bei museumspädagogischen Angeboten seit 2019
In den Jahren vor der Corona-Pandemie verzeichnete das KPZ zwischen 2016 und 2019 in der Abteilung „Schulen und Jugendliche“ durchschnittlich etwa 30.000 Teilnehmende. Im Jahr 2020 sank die Zahl der Teilnehmenden aufgrund der pandemiebedingten Schließungen der Museen auf 5.116 in 290 Veranstaltungen. Im darauffolgenden Jahr waren erst ab September wieder Schulführungen möglich, Klassen mussten wegen der geltenden Abstandsregelungen geteilt werden. 2021 lag die Anzahl der Teilnehmenden bei insgesamt 2.470 (179 Veranstaltungen). Das Museumscurriculum für Grundschulen, das aufgrund des Lockdowns im Schuljahr 2019/20 vorzeitig abgebrochen werden musste, konnte 2021 mit 31 von ursprünglich 48 angemeldeten Lehrkräften aus dem Schuljahr 2019/20 wieder starten.
In der Abteilung „Erwachsene und Familien“ sanken die Teilnehmendenzahlen zwischen 2019 und 2020 von 39.825 auf 9.695 Personen und im Folgejahr auf 6.482 Personen. Mit insgesamt 803 Veranstaltungen im Jahr 2021 konnte nur etwa ein Viertel (28,3 %; 2.843 Veranstaltungen) der Veranstaltungen aus dem Jahr 2019 durchgeführt werden.
Verstärkter Einsatz digitaler Formate
Das KPZ intensivierte insbesondere während den Schließzeiten die digitale Kommunikation und reagierte auf die pandemiebedingten Einschränkungen mit neuen Onlineformaten wie z.B. einer Telefonsprechstunde im Germanischen Nationalmuseum und im Fembo-Haus (2020: 104 Termine) oder Online-Museumsgesprächen (2020: 16, 2021: 101). Bereits im Jahr 2020 hatte das KPZ ein Angebot an Online-Programmen für Schulen entwickelt und 2021 ausgebaut. Neben den buchbaren digitalen Angeboten für Schulklassen und Erwachsenengruppen wurden Online-Führungen im Videokonferenz-Format gut vom Publikum angenommen.
Steigende Nachfrage nach Museumsführungen zu verzeichnen
Im Jahr 2022 erholte sich die Nachfrage nach Führungen in den Museen zwar ab dem zweiten Quartal schnell und konstant, doch bewegt sich die Gesamtzahl der Buchungen auf insgesamt ca. 2/3 der vorpandemischen Zeit. Erfolgreiche Formate wie insbesondere das Museumscurriculum für Grundschulen konnten wieder starten. Im aktuellen Schuljahr 2022/2023 nehmen 35 Schulklassen teil. Die Buchungen von Schulklassen liegen insgesamt etwa bei der Hälfte der Buchungen von 2019. Hier ist zu beachten, dass die Nachfrage durchaus größer war, doch mussten im Herbst 2022 viele Führungen krankheitsbedingt storniert werden oder es konnten aus Kapazitätsgründen nicht alle Nachfragen erfüllt werden. Dies liege unter anderem daran, dass auch im Bereich der Museumsvermittlung Fachkräfte fehlten und das KPZ aktuell neue freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sucht, so Dr. Jessica Mack-Andrick, Leiterin des KPZ. Der Mangel an freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei eine unmittelbare Folge der Pandemie, deren Aufarbeitung das KPZ noch längere Zeit beschäftigen werde.
Die promovierte Kunsthistorikerin beobachtet nach den Corona-Jahren steigende Besucherzahlen, auch wenn diese noch nicht dem Vor-Corona-Niveau entsprechen: “Generell erreicht der Kulturbereich noch nicht wieder das Publikum wie vor Corona, so dass die Lage bei uns im KPZ hier durchaus den Erfahrungen anderer Kulturanbieter entspricht. Positiv ist der Wunsch vieler Kundinnen und Kunden, wieder in Präsenz in die Museen gehen und Kunst und Kultur live erleben zu können. Hier ist ein echter Nachholbedarf zu spüren, der auch der Museumspädagogik Auftrieb gibt. Digitale Formate werden als Option im Programmangebot des KPZ bleiben und langfristig als wertvoller Kompetenzzuwachs Früchte tragen, doch die Begegnung mit den Besuchenden vor Ort im Museum in unmittelbarer Betrachtung der Exponate nimmt erfreulicherweise wieder den wichtigsten Rang in der museumspädagogischen Arbeit des KPZ ein.“
Weitere Informationen und datengestützte Angaben zur non-formalen Bildung in Nürnberg und weiteren Bildungsbereichen finden sich im neuen Bildungsbericht.
Quellen:
Stadt Nürnberg, Bürgermeisteramt/Bildungsbüro (2022): Bildung in Nürnberg. Sechster Bildungsbericht der Stadt Nürnberg.
Stadt Nürnberg, Kunst- und Kulturpädagogisches Zentrum der Museen in Nürnberg: Arbeitsbericht 2021.
Im neunten nationalen Bildungsbericht analysiert die Autor/-innengruppe Bildungsberichterstattung die Bildungssituation in Deutschland. Der Bericht „Bildung in Deutschland 2022“ bietet eine voll umfassende Bestandsaufnahme des Bildungssystems, die Indikatoren basieren dabei im Wesentlichen auf Daten der amtlichen Statistik und aus sozialwissenschaftlichen Erhebungen. In diesem Berichtsjahr liegt der Schwerpunkt auf empirischen Befunden zum Bildungspersonal und ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie. Im Folgenden werden einige ausgewählte zentrale Befunde aus dem Bericht zusammengefasst.
Mehr Kinder in Kindertageseinrichtungen und Schulen
Deutschlandweit ist die Anzahl der betreuten Kinder in Kindertageseinrichtungen zwischen 2010 und 2020 um 21 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen um fünf Prozent. Insgesamt stieg die Zahl der unter Sechsjährigen in Deutschland von 4,1 Millionen Kindern im Jahr 2010 auf 4,75 Millionen Kinder im Jahr 2020. Es gibt schon jetzt einen Mehrbedarf an Schulplätzen, der sich zunächst vor allem auf Grundschulen und in den nächsten Jahren auch auf die weiterführenden Schulen auswirkt.
Mit der steigenden Kinderzahl nimmt auch die Anzahl an Bildungseinrichtungen zu. Zwischen 2010 und 2020 hat sich die Anzahl der Einrichtungen deutschlandweit um 4.000 erhöht (+ 4 Prozent), insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung und der Hochschulen. Die Anzahl der allgemeinbildenden Schulen nahm im betrachteten Zeitraum ab. Das Bildungsangebot in Deutschland wird überwiegend von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft bereitgestellt, der Anteil liegt bei 55 %. Seit 2010 nahm der Anteil der Einrichtungen in freier Trägerschaft um 3 Prozentpunkte auf 45 % zu (Abbildung B1-1).
Personalmangel in Bildungseinrichtungen
Dem Bericht zufolge ist der Personalstand in der frühkindlichen Bildung, an allgemeinbildenden Schulen, an Hochschulen und in Teilen des Weiterbildungsbereichs in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allein im vorschulischen Bereich lag der Anstieg der Beschäftigten bei 75 %. Gleichzeitig verbringen mittlerweile wesentlich mehr Kinder durchschnittlich mehr Zeit in Kindertagesstätten und Schulen. Trotz des größeren Personalbestands zeigen sich laut Nationalem Bildungsbericht nur geringe Verbesserungen in den Personalschlüsseln und Betreuungsrelationen.
Die Expertengruppe Bildungsberichterstattung betont, dass die Bedarfe an qualifiziertem Bildungspersonal weiterhin zunehmen werden – insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung, wo offiziellen Bedarfsschätzungen zufolge bis 2025 bis zu 72.500 Fachkräfte fehlen werden. In den Schulen könnten bis 2030 etwa 30.000 Fachkräfte fehlen. Mit dem gesetzlich verankerten Anspruch auf ein Ganztagsangebot für Grundschulkinder wird bis 2030 mit einem Zusatzbedarf von bis zu 65.600 Fachkräften gerechnet.
Entwicklungen und Problemlagen im Zuge der Corona-Pandemie
Laut Nationalem Bildungsbericht hat die Corona-Pandemie bereits zuvor bestehende Problemlagen wie den Fachkräftemangel, den Digitalisierungsbedarf oder die sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem weiter verschärft. Die Folgen von pandemiebedingten Einschränkungen im Bildungsangebot waren je nach Bildungsbereich sehr unterschiedlich. Auch wenn der Ausbau digitaler Bildungsangebote in vielen Bereichen durch die Pandemie deutlich beschleunigt wurde, konnten weggefallene Präsenzangebote nicht vollständig durch digitale Aktivitäten kompensiert werden.
Die Pandemie scheint auch Unsicherheiten bei Entscheidungen über die weiteren Bildungswege ausgelöst zu haben, so die Expertengruppe. Dabei zeichnen sich insbesondere Veränderungen am Ende der allgemeinbildenden Schullaufbahn ab; sinkende Zahlen der Schulabgänge ohne Abschluss deuten auf einen längeren Schulbesuch hin. Damit zusammen hängt die rückläufige Nachfrage nach Ausbildungsplätzen, die den Fachleuten zufolge auch „als Resultat von wahrgenommenen Einschränkungen im Ausbildungszugang und Unsicherheiten in Bezug auf den Ausbildungsverlauf gesehen werden muss“ (Nationaler Bildungsbericht 2022, S. 20).
Erste Kompetenzstudien deuteten auf Rückgänge bei den Lesekompetenzen von Grundschüler/-innen zwischen 2016 und 2021 hin. Aufgrund von fehlenden Daten sei jedoch noch unklar, ob dies nur auf die Pandemie zurückgeführt werden könne. Erste Befunde deuteten jedoch darauf hin, dass (speziell) Jungen, leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sowie Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien in den letzten zwei Jahren besonders von negativen Folgen in der Lernentwicklung betroffen sein könnten.
Der Nationale Bildungsbericht wird alle zwei Jahre unter der Federführung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) erstellt. Er bietet eine ausführliche datengestützte Übersicht über Bildung im gesamten Lebensverlauf: von Kindertageseinrichtungen über Schulen, von der beruflichen (Aus-)Bildung über Hochschulen bis hin zur Weiterbildung.
Ilse Weiß ist seit 2002 leitende Redakteurin beim Straßenkreuzer e.V. Im Gespräch geht es um die Bildungsarbeit des Vereins, mit der Menschen erreicht werden, die meist lange nicht mehr mit Bildungsangeboten in Berührung kamen.
Frau Weiß, Sie bezeichnen den Straßenkreuzer e.V. als soziales Projekt, welche Rolle spielt dabei die Bildungsarbeit?
Der Straßenkreuzer bietet seit 1994 Hilfe zur Selbsthilfe für Menschen mit wenig Geld, für Menschen ohne Obdach oder in prekären Wohnverhältnissen, für Langzeitarbeitslose. Bald war klar, und das ist ja erstmal keine neue Erkenntnis, dass der Zugang zu Bildung zum großen Teil von unseren Lebenserfahrungen und –umständen bestimmt wird. Wir haben daher möglichst schwellenfreie Bildungsprojekte, wie die „Schicht-Wechsel“-Führungen und die Straßenkreuzer Uni, aufgebaut. Das Besondere an ihnen ist, dass sie in alle Richtungen, in alle sozialen Schichten wirken und Begegnungen schaffen können.
Können Sie anhand der Straßenkreuzer Uni genauer schildern, wie dies gelingt?
Die Straßenkreuzer Uni ist mit dem Ziel gestartet, allen, die Freude an Bildung haben, ein Angebot zu machen. In erster Linie hat sich unser Angebot zuerst an arme, wohnungslose, langzeitarbeitslose Frauen und Männer gerichtet, auch an Menschen, die sich von herkömmlichen Angeboten nicht gemeint fühlen. Aber wir haben immer alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, wollten nie ein Nischenangebot. Die Themen der Vorlesungsreihen sind wissenschaftlich fundiert, haben aber auch immer etwas mit dem Leben zu tun. Es geht beispielweise um die Börse, das Glück und viel über juristische Themen. Für die Vorlesungen lädt die Uni Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, Politik oder Wirtschaft ein. Die Angefragten kommen seit Jahren gerne, darunter waren beispielsweise Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Heinrich Bedford-Strohm. Wir freuen uns über die hohe Nachfrage, so kann die Uni je Semester etwa 13 Vorlesungen anbieten. Hier kommen Menschen zusammen, deren Wege sich im Alltag nicht kreuzen. Um diese Schwellenüberschreitung ging es uns von Beginn an. Die Hörerinnen und Hörer wissen nicht, neben wem sie sitzen werden. In einem können sie sich allerdings alle sicher sein: Es kommen nur Menschen, die das Thema interessiert. Es gibt oft keine andere Verbindung und das kann dann doch eine sehr starke Verbindung sein. Das Interesse ist unabhängig, davon, ob man eine schicke Wohnung hat oder ob man das Zimmer mit zwei anderen teilt.
Die Straßenkreuzer Uni erreicht Menschen, die sonst nicht mit akademischer Bildung in Berührung kommen. Welche Aspekte sind dafür ausschlaggebend?
Wir lassen die Vorlesungen in Räumen stattfinden, die für die, die wir als allererstes meinen, ein Gewohnheitsort sind: Räume der Heilsarmee, Notschlafstelle, Wärmestube oder bei der Stadtmission. Zudem sind wir anfangs in Wohnungslosenpensionen gegangen, haben mit Sozialarbeitern geredet und Bewohner informiert. Das war ganz wichtig, damit die Menschen wussten, dass sie wie jeder andere eigeladen sind. Darüber hinaus legen wir Wert auf eine gut verständliche Vortragssprache. Das hat nichts mit einem simpleren Inhalt zu tun, sondern mit dem Anspruch, dass möglichst viele Menschen erreicht werden. Nach dem meist halbstündigen Vortrag ist es zudem wichtig, Zeit für Fragen und Diskussionen zu lassen. Viele Menschen aus den Unterkünften können Wissen aus ihrem früheren Berufsleben einbringen. Zu Semesterende erhalten alle Teilnehmenden beim Abschlussfest eine Urkunde als Zeichen der Anerkennung, wenn sie eine Vorlesungsreihe besucht haben.
Bei den „Schicht-Wechsel“-Führungen bieten von Armut, Obdachlosigkeit und Drogensucht betroffene Menschen selbst neue Einblicke für Bürger und Bürgerinnen. Welche gesellschaftliche Bedeutung hat dies aus Ihrer Sicht?
Bei den „Schicht-Wechsel“-Stadtführungen geht es uns darum, die Sichtweise auf soziale Schichten, Armut und Behinderung, Sucht und Ausgrenzung zu prüfen. Ich will nicht sagen ändern, prüfen ist schon ganz gut. Die Touren führen Frauen und Männer, die selbst auf der Straße gelebt haben, Drogenprobleme hatten oder wissen wie es ist arm zu sein. Als Expertinnen und Experten berichten sie über persönliche Erfahrungen und leisten somit Aufklärung. Führungen in dieser Art gibt es in vielen Städten. Wir waren jedoch die ersten, die sich dafür entschieden, auf der Tour in Einrichtungen zu gehen. Mittlerweile beteiligen sich über 40 Einrichtungen und so konnten wir fünf Touren mit unterschiedlichen Schwerpunkten konzipieren, die verschiedene Orte der Hilfe und Armut aufsuchen. Dabei kommt es zu Schwellenüberschreitungen, weil die Menschen im normalbürgerlichen Leben nicht in Austausch mit Betroffenen kommen oder diese Einrichtungen betreten. Daher sind die Führungen sehr gefragt, besonders von Gruppen, wie Schulklassen, FSJler, Studenten, Betrieben und angehenden Polizisten.
Sie haben bereits anklingen lassen, dass sich mit der Corona-Pandemie viel für den Straßenkreuzer verändert hat. Wie sieht die Situation bei Ihnen aus?
Die Pandemie hat vieles verändert. Für den „Schicht-Wechsel“ haben wir neue Formate, wie Außenführungen oder virtuelle Führungen, gefunden. Doch die Uni ist just seit unserem 10. Jahr ein Brachland und bereitet Sorgen. Wir haben mehrere Anläufe gemacht. Das ist mittlerweile auch keine Option mehr, weil es wirklich keine Räume gibt und es auch niemand verantworten kann. Online ist für uns keine Alternative, weil wir direkten Kontakt zu den Menschen brauchen. Bei der Uni geht es um Wertschätzung, Wahrnehmen, in Austausch treten. Hier braucht man mehr als nur die Möglichkeit Worte zu sagen.
Die Situation an den Schulen ist seit dem vergangenen Jahr durch massive Veränderungen geprägt, insbesondere aufgrund von fehlender Präsenz in den Klassenräumen und an anderen Ausbildungsorten. Dadurch musste von gewohnten Abläufen abgewichen und improvisiert werden. Zahlreiche pädagogische Konzepte wurden auch für die beruflichen Schulen entwickelt oder angepasst. Hier soll nun anhand von Beispielen aus der Beruflichen Oberschule Nürnberg (BON) gezeigt werden, welche Ideen für den Distanzunterricht an einer Fachoberschule umgesetzt wurden.
Einführung „virtueller Unterrichtsgänge“
In der Fachrichtung Agrarwirtschaft, Bio- und Umwelttechnologie, die an der Fachoberschule der BON seit dem Schuljahr 2018/19 angeboten wird, ist neben einem Praktikum in einem einschlägigen Betrieb auch ein begleitender Unterricht in Form der fachpraktischen Anleitung zu besuchen. Diese praktischen Ausbildungsbestandteile konnten aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen im vergangenen Schuljahr nicht durchgeführt werden. Der praktische Bezug der Ausbildung sollte aber nicht komplett vernachlässigt werden. So wurden „virtuelle Unterrichtsgänge“ aus Erklärvideos und pädagogischer Einbettung unter Verwendung von Informationsbroschüren und Internetrecherchen durchgeführt. Obwohl die Vor-Ort-Erfahrung wegfiel, boten sie den Vorteil, dass man nicht auf die Betriebe in der Nähe beschränkt war, sondern sich auch mit agrarwirtschaftlichen Bereichen wie beispielsweise verschiedene Arten der Kuhhaltung in der Milchwirtschaft oder der Herstellung von Fairtrade-Schokolade auseinandersetzen konnte, die in unserer Gegend nicht üblich sind. Dadurch konnte ein breiteres Spektrum der Fachrichtung vermittelt werden.
Umgestaltung des praktikumsbegleitenden Unterrichts
Auch wurde der praktikumsbegleitende Unterricht umgestaltet. Durch praxisbezogene Arbeitsaufträge waren die Schülerinnen und Schüler auf unterschiedliche Art gefordert. Bei der „Klopapieranalyse“ (siehe Abbildung 1) wurde zu einem aktuellen Thema recherchiert und prognostiziert, beim Bau von Insektenhotels (siehe Abbildung 2) kam es auf handwerkliche Fähigkeiten an. Hierbei wurde auch die biologische Vielfalt und deren Einfluss auf das ökologische Gleichgewicht angesprochen. Diese Projekte trugen neben den Arbeiten aus den anderen Fachrichtungen dazu bei, dass die Berufliche Oberschule Nürnberg im vergangenen Jahr trotz unterrichtlicher Einschränkungen die Auszeichnungen „Fairtrade-School“ und „Umweltschule in Europa/Internationale Nachhaltigkeitsschule“ erhalten hat.
Mehr Zeit für Kernfächer
Zeit für zusätzlichen Unterricht in den Prüfungsfächern Mathe, Deutsch, Englisch und Biologie blieb darüber hinaus ebenfalls. Dieser erweiterte Zeitrahmen für die Kernfächer eröffnete beispielsweise im Englischunterricht die Möglichkeit vom herkömmlichen Lehrplan abzuweichen, der für Fachoberschulen eher die Behandlung von Sachtexten vorsieht, häufig unter Verwendung von Lückentexten. Monika Mundel, Englischlehrkraft in der 11. Jahrgangsstufe, nutzte die Gelegenheit für eine Portfolioarbeit zu literarischen Werken. Die Wahl fiel neben Shakespeares Romeo und Julia in einer Klasse auch auf eine Reihe von Kurzgeschichten in der Parallelklasse. Die gemeinsam im Online-Unterricht besprochene Aufgabenstellung sah die künstlerische Befassung mit diesen Klassikern vor, so konnte beispielsweise ein Gedicht verfasst werden oder ein Brief an eine der Figuren oder an den Autor geschrieben werden. Gerne genutzt wurde auch die Möglichkeit einen Comic zu erstellen. Die Aufgaben konnten in einem Zeitraum von drei Wochen bearbeitet werden. Selbstorganisation war dabei gefragt, wobei die Möglichkeit für Rückfragen bei der Lehrkraft bestand. Die Ergebnisse waren durchaus kreativ (siehe Titelbild). Ähnlich war ein Projekt im Deutschunterricht der 12. Klasse im Bereich Technik (Klasse T 12 a) von Corinna Beckstein konzipiert. Hierbei ging es um die Zeitströmung des Expressionismus. In Videokonferenzen wurden Gedichte aus dieser Epoche vorgestellt und die Besonderheiten gemeinsam erarbeitet. Die sich anschließende Projektarbeit wurde bewusst offen gehaltene und die Aufgabenstellung an die Schülerinnen und Schüler sah vor, diese Besonderheiten in die Jetztzeit zu übertragen. Es wurden moderne Medien gestaltet, was im gewöhnlichen Unterricht nicht vorgesehen ist, so wurden Instagram-Accounts erstellt, Videos gedreht oder auch ein Computerspiel (siehe Abbildung 3) programmiert.
Chancen für ein erweitertes Bildungsverständnis
Die durchführenden Lehrkräfte Monika Mundel und Corinna Beckstein und auch die Schulleitung Gertraud Steub kommen einstimmig zu dem Ergebnis, dass die zusätzliche Unterrichtszeit und der Freiraum, der den Schülerinnen und Schülern gegeben werden konnte, sehr positive Effekte mit sich brachte. Um die ungewohnten Aufgaben zu bewältigen, mussten die jungen Menschen selbstorganisiert vorgehen. Auch konnten sie sich ausprobieren und von einer anderen Seite zeigen. Die Ergebnisse sprechen dabei für sich. Aufgrund der positiven Erfahrungen wäre eine Übertragung dieser pädagogischen Ansätze in eine Zeit mit regulärem Präsenzunterricht wünschenswert.
Dr. Volker Titel, Kultur- und Medienwissenschaftler an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und wissenschaftlicher Leiter der Akademie für Ganztagsschulpädagogik, hat eine Einordnung der erläuterten Beispiele aus fachwissenschaftlicher Perspektive vorgenommen und sieht Chancen für ein erweitertes Bildungsverständnis: „Eigentlich gibt es die Einsicht schon länger: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Schulpädagogik – weniger Wissens-, mehr Kompetenzvermittlung, weniger spezifische Fachkenntnisse, mehr Persönlichkeitsentwicklung. In den Präambeln der Lehrpläne findet sich diese Einsicht wieder, schwierig jedoch ist die Umsetzung, wenn sich Rahmenbedingungen kaum ändern. Insbesondere die eng getakteten Stundenpläne bieten kaum Platz für neue Wege. Der Blogbeitrag zeigt eindrucksvoll, welch positive Effekte die (wenn auch durch die Corona-Pandemie erzwungenen) Freiräume für Schülerinnen und Schüler ergeben können. Daher: Das projektbezogene Arbeiten sollte auch künftig stärker ermöglicht werden, durchaus nicht nur in Ergänzung, sondern auch mit und in den Kernfächern.“
Am 8. September hat die Schule in Bayern wieder begonnen und auch das neue Kita-Jahr 2020/21 ist mittlerweile angelaufen. Wie viele Kinder sind in Nürnberg erstmals in Kindertageseinrichtungen gekommen und wie viele wurden eingeschult? Und unter welchen Rahmenbedingungen kann die Bildung und Betreuung in Kitas und der Schulunterricht aktuell stattfinden?
Start in das neue Kita-Jahr 2020/21
In den rund 480 Nürnberger Kindertageseinrichtungen stehen circa 29.000 Plätze zur Verfügung. In den nächsten Wochen kommen insgesamt rund 6.600 Mädchen und Jungen erstmals in Kindertageseinrichtungen in Nürnberg. Davon werden etwa 1.400 Kinder in Kinderkrippen aufgenommen, 3.200 in Kindergärten und 2.000 in Horten.
Die Kindertageseinrichtungen in Nürnberg arbeiten aufgrund des aktuellen lokalen Infektionsgeschehens im sogenannten Regelbetrieb. Das bedeutet, dass alle unter Vertrag stehenden Kinder wieder Zugang zu ihrer Kita haben. Nach vielen Wochen findet die Kinderbetreuung nun wieder regelmäßig statt.
Welche Rahmenbedingungen gelten für die Kitas?
Seit 1. September gilt der neue Rahmen-Hygieneplan für die bayerische Kindertagesbetreuung. Es gibt die folgenden drei Stufen, die auch für den Schulbetrieb gelten:
1. Stufe – Regelbetrieb
2. Stufe – eingeschränkter Regelbetrieb
3. Stufe – eingeschränkte Notbetreuung.
Das Gesundheitsamt legt die jeweilige Stufe abhängig vom lokalen Infektionsgeschehen fest. So ist beispielsweise in Stufe 1 eine Organisation in festen Gruppen nicht mehr erforderlich, bei Stufe 2 und 3 müssen die Kinder wieder in festen Gruppen betreut werden.
Es gibt keine Maskenpflicht für die Kinder in Kindertageseinrichtungen, jedoch für Eltern und Besucher. Ab Stufe 2 sind grundsätzlich alle erwachsenen Personen in der Kita verpflichtet, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Elisabeth Ries, Nürnbergs Referentin für Jugend, Familie und Soziales, hofft, dass die Wiederaufnahme des Regelbetriebs möglichst ungetrübt durch neue Einschränkungen ablaufen kann: „Corona hat uns allen auf sehr schmerzhafte Weise gezeigt, dass Kindertageseinrichtungen unverzichtbare Angebote der Bildung und Familienunterstützung sind. Deren Schließung hat sehr viele Eltern vor enorme Probleme gestellt, die aber auch für die Kinder einen großen Einschnitt darstellten, weil sie von heute auf morgen auf ihre sozialen Kontakte zu Freundinnen und Freunden verzichten mussten, den Kita-Alltag vermisst haben und weil wichtige Bildungs- und Förderangebote weggefallen sind. Das Gleiche gilt auch für die Ganztagsangebote in Schule und Hort für Grundschulkinder.“
Präsenzunterricht findet wieder statt
Vor drei Wochen sind auch die Schulen in Nürnberg wieder zum Regelbetrieb, das heißt zum Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen, zurückgekehrt. Am 8. September kamen in Nürnberg 4.346 Schulanfängerinnen und Schulanfänger neu in die Grundschulen. Insgesamt werden nun an Nürnberger Grundschulen 17.108 Kinder unterrichtet. Aus den Grundschulen wechselten 704 Kinder in die 5. Klassen der Realschulen, 1.412 in die 5. Klassen der Gymnasien.
Doch unter welchen Rahmenbedingungen findet der Präsenzunterricht statt? In den ersten neun Schultagen war das Tragen einer Maske außerhalb des Unterrichts für die Jahrgangsstufe 1 bis 4 der Grundschulen und Grundschulstufen der Förderzentren verpflichtend. Ab der 5. Jahrgangsstufe galt für den gleichen Zeitraum für alle Personen auf dem Schulgelände und im Unterricht die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. „Dennoch sind wir froh, dass Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler wieder in die Klassenzimmer zurückkehren“, betont Cornelia Trinkl, die neue Referentin der Stadt Nürnberg für Schule und Sport.
Seit letzter Woche müssen Schülerinnen und Schüler in Bayern keine Maske mehr im Unterricht tragen, jedoch weiterhin auf dem Schulgelände. Im Unterricht ist die Maske nur an den Schulen zu tragen, für die das jeweils zuständige Gesundheitsamt dies aufgrund erhöhter Infektionszahlen anordnet.
Die gemeinsame Empfehlung der Stadt Nürnberg und des Staatlichen Schulamts Nürnberg lautete, in den ersten neun Schultagen auf den Sportunterricht zu verzichten. Weitere Entscheidungen dazu sollen abhängig von der aktuellen Lage getroffen werden, wobei die letzte Entscheidung bei der jeweiligen Schulleitung liegt.
Quellen:
Stadt Nürnberg, Presse- und Informationsamt, Pressemitteilung Nr. 853 / 4.9.2020.
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Rahmen-Hygieneplan Corona für die Kindertagesbetreuung und Heilpädagogische Tagesstätten, Stand 12.8.2020, gültig ab 1.9.2020.
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Drei-Stufen-Plan zum Unterrichtsbetrieb im Schuljahr 2020/2021, Stand 7.9.2020; https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7047/faq-zum-unterrichtsbetrieb-an-bayerns-schulen.html (letzter Zugriff am 21.9.2020).
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