Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

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Der Deutschspracherwerb für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen in Nürnberg muss systematisch gefördert werden

Beitrag vom 17. Jan.. 2024

Im Rahmen des Kommunalen Programms Deutschspracherwerb führte das Bildungsbüro auf eine Anfrage des Stadtrats eine Praxisforschung durch (Veröffentlichung siehe Kommission für Integration vom 07.12.2023). Gefragt war, wie es in der Stadt Nürnberg um die Bedarfssituation und das Angebot an Deutschkursen für Zugewanderte mit Beeinträchtigungen steht.

Mit einem Methodenmix aus quantitativen (Sekundär-)Analysen, (Online-)Befragungen und qualitativen Interviews wurde die aktuelle Situation beleuchtet. Der Dank gilt allen Partnerinnen und Partnern aus den verschiedenen Bereichen, die die Praxisforschung mit ihrer Expertise bereichert haben: Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung, Fachkräfte von Sprachkursträgern und Vereinen, Anbietern von Sprachlernangeboten sowie Beratende im Kontext Flucht, Integration und Migration.

Die Untersuchung bestätigte die allgemeine Studienlage in Deutschland: Auch in Nürnberg sind zugewanderte Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen aus Drittstaaten aber auch aus der EU „unsichtbar“ und werden im Bereich der Sprachlernangebote nicht systematisch berücksichtigt. Um ihre gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern und damit auch den Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention nachzukommen, muss das Angebot deutlich ausgebaut werden. Dabei kann zum einen an bestehenden Sprachangeboten angesetzt werden, zum anderen müssen neue Formate entwickelt werden. Wichtig ist es zudem, die Schnittstelle zwischen „Spracherwerb“ und „Inklusion“ stärker auszuleuchten und die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppe zu sensibilisieren.

Inklusive Teilnahme von Menschen mit Beeinträchtigung ermöglichen

In Nürnberg sind zugewanderte Menschen mit Beeinträchtigungen nur in Einzelfällen in regelhaften Sprachlernangeboten vertreten und finden meist kein geeignetes Sprachkursangebot vor. Notwendig ist deswegen zum einen die gezielte Unterstützung von Menschen mit (zum Beispiel Sinnes- oder Mobilitäts-) Behinderungen, damit sie an bestehenden Sprachkursen teilnehmen könnten. Dies kann beispielsweise die Bereitstellung von notwendigen technischen Hilfsmitteln oder eine dauerhafte Begleitung durch eine Kursassistenz sein. Um mehr inklusive Teilnahmen an bestehenden Sprachkursen zu ermöglichen, sind aber vor allem Mut und kreative Lösungen gefragt.

Spezielles Kursangebot für Menschen mit Sprachlernbarrieren bereitstellen

Außerdem müssen spezielle passgenaue Sprachkursangebote für Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen etabliert werden, zum Beispiel mit kognitiven Behinderungen oder Lernbeeinträchtigungen, für Lernentwöhnte sowie insbesondere auch für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, beispielsweise posttraumatischen Belastungsstörungen und/oder Depressionen. Diese Sprachkursangebote müssen ein geeignetes Lernsetting bieten: Beispielsweise eine Lehrkraft mit der Doppelqualifikation für „Deutsch als Zweitsprache“ und Sonderpädagogik, eine angepasste Methodik, ein langsames Lerntempo, eine sozial- oder heilpädagogische Begleitung im Kurs, ein niedrigschwellig erreichbarer Kursort oder eine niedrige Teilnehmendenzahl. Die Inhalte müssen sich an lebensweltlich relevanten Themen orientieren. Dabei sind für diese Zielgruppe die Gesundheitsbildung bzw. Psychoedukation besonders relevant, um ihre Chancen auf eine korrekte Diagnosestellung, Behandlung oder Therapie zu steigern.

Wichtig ist zudem die Schaffung von Transparenz über das Angebot und den Bedarf an der Schnittstelle von „Spracherwerb“ und „Inklusion“ sowohl für die Zielgruppe als auch für alle beratenden bzw. unterstützenden Personen.

Multiplikatorinnen und Lehrkräfte sensibilisieren

Mitarbeitende und Lehrpersonal der Sprachkursträger haben im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit oft kaum Erfahrung im direkten Kontakt mit beeinträchtigten Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und damit keine Kenntnis über den grundsätzlichen Bedarf sowie notwendige und machbare Anpassungsmaßnahmen zur Kursdurchführung. 

Damit inklusives Denken und Handeln im Bereich des Deutschspracherwerbs systematisch verankert werden kann, braucht es Maßnahmen zur Sensibilisierung der Akteure. Für den Kompetenz- und Erfahrungsaufbau müssen Fortbildungsangebote für Lehrpersonal zu besonderen Bedarfen von Menschen mit unterschiedlichen Arten von Beeinträchtigungen und Behinderungen beim Sprachenlernen in Nürnberg etabliert und bestehende Weiterbildungsmöglichkeiten (zum Beispiel des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge) beworben werden.

Austausch an der Schnittstelle Inklusion & Spracherwerb ermöglichen

Für einen Austausch der Akteure an der Schnittstelle zwischen „Spracherwerb“ und „Inklusion“ lädt das Bildungsbüro im Rahmen des Kommunalen Programms Deutschspracherwerb und des Förderprogramms Bildungskommune zu einem Fachtag ein. Unter dem Motto „Wie kann Integration inklusiver werden und wie kann Inklusion integrativer werden?“ sind Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus beiden Bereichen herzlich eingeladen sich kennenzulernen, zu informieren und ihre Expertise auszutauschen. Der Fachtag findet am 12. März 2024 im Caritas-Pirckheimer-Haus statt. Am Vormittag wird Jessica Schröder, Handicap International, in ihrem Fachvortrag die Bedarfe geflüchteter Menschen mit Behinderung in den Blick nehmen und Saskia Rieger, Bildungsbüro, die Ergebnisse der Praxisforschung vorstellen. Am Nachmittag ist ein intensiver Austausch der Teilnehmenden geplant.

Nach dem Fachtag plant das Bildungsbüro, gemeinsam mit verschiedenen verwaltungsinternen und -externen Partnern, neue Kursformate sowie die inklusive Teilnahme an bestehenden Angeboten zu erproben. Anhand dieser Erfahrungen werden Gelingensbedingungen festgehalten, die bestenfalls in den Regelangeboten berücksichtigt werden.


Bildnachweis: © Giulia Iannicelli/Stadt Nürnberg

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