Der Kulturbetrieb ist von den Auswirkungen der Pandemie besonders betroffen und mit ihr die kulturelle Bildung. Anja Sparberg leitet die kulturpädagogische Abteilung des Staatstheaters Nürnberg. Im Interview mit dem Nürnberger Bildungsbüro äußert sie sich zu spannenden Erfahrungen, veränderten Formaten und zur Hoffnung auf die Rückkehr der Kulturarbeit in Präsenz.
Frau Sparberg, wie ist die Abteilung Theaterpädagogik in den großen Komplex Staatstheater eingebunden und was heißt das für Ihre Arbeit?
Theaterpädagogik ist Querschnittsaufgabe. Wir sind zuständig für die Vermittlung aller Sparten. Bei der Gestaltung der Projekte und Kooperationen in der Stadt sind wir sehr frei und da vertraut man mir, dass das eine logische Verbindung zur Arbeit des Staatstheaters hat.
Dabei arbeiten Sie ja mit unterschiedlichen Partnern zusammen. Was sind das für Kooperationen?
Zunächst einmal haben wir alle Schularten in Nürnberg und Umgebung als Kooperationspartner sowie Vorschulen, Kindergärten sowie bestimmte Studiengänge, die Musikschule und das Bildungszentrum. Das sind teilweise eher kurze Impulse, die wir da geben, teils längere Kooperationen. Dazu kommt dann der Fortbildungsbereich, das Institut für Pädagogik und Schulpsychologie (IPSN) oder die Akademie für Schultheater und performative Bildung der Uni Erlangen-Nürnberg.
Außerdem haben wir unsere Klubs, das ist für die Teilnehmenden Freizeit, ein Hobby. Die Jugendlichen verfolgen das zum Teil mit großem Ernst, weil einige von ihnen auch Schauspielerinnen oder Schauspieler werden wollen. Dann gibt es die Gruppe Plus Minus 50, das ist ja eine schöne Zeit, in der man sich vielleicht nochmal ausprobieren möchte. Daneben haben wir den inklusiven Klub und den Samstagsklub. Ab 2015 haben wir spezielle Formate für Geflüchtete angeboten, die dann im Samstagsklub bis letzte Spielzeit weitergeführt wurden.
Manches ist also eher rezeptiv, andere Angebote eher partizipativ?
Ja, wir machen zum Beispiel viele Führungen oder Besuche mit Vor- und Nachbereitung, die sind eher rezeptiv. W-Seminare in der Oberstufe des Gymnasiums finden eher in Gesprächszusammenhängen statt. Wir machen aber auch ein bis zwei P-Seminare (ebenfalls an Gymnasien) pro Spielzeit. Zu Hans Litten gab es ein Projekt, zu ihm haben wir ein Theaterstück und eine eigene Inszenierung auf die Beine gestellt.
Kann es sein, dass man den Namen aus der TV-Serie Babylon Berlin kennt?
(lacht) Ja, das ist der junge Anwalt, der sich Adolf Hitler zum persönlichen Feind gemacht hat. Die Schülerinnen und Schüler des Peter-Vischer-Gymnasiums haben selbständig dazu recherchiert und haben lang mit Patricia Litten gesprochen. Patricia Litten – selbst Schauspielerin – hat in dem Theaterstück ihre eigene Großmutter gespielt, sie lebt hier in Nürnberg.
Inwiefern mussten oder konnten Sie Ihre Arbeit an die schwierigen Bedingungen anpassen, die sich Ihnen durch die Pandemie stellen?
Nun ja, beispielsweise haben wir bei einem Projekt, das eigentlich als Theaterstück geplant gewesen war, auf das Format des Hörspiels gewechselt, das mit filmischen Momenten ergänzt wird. Dabei ging es um eine Arbeit im Kontext der Kulturhauptstadt mit der Veit-Stoß-Realschule. Als klar wurde, dass wir das nicht wie geplant aufführen können, war die Enttäuschung zunächst groß. Und um einen Weg zu finden, das gut zu Ende zu bringen, sind wir auf das Format Hörspiel umgeschwenkt. Mein Kollege wird unter relativ komplizierten Bedingungen die Aufnahmen mit den Jugendlichen durchführen, weil das ja an den Schulen getrennt voneinander passieren muss.
Wir machen auch Digitalchorarbeit im Rahmen unseres Klublebens. Wie wir uns im März, April abgemüht haben, auf unterschiedlichsten Plattformen, um Sound herzukriegen! Die Lösung war dann, die Noten zu verteilen, mein Kollege spielt am Klavier und die Chormitglieder singen stummgeschaltet. Das macht denen total Spaß, weil sie zuhause singen können, wie sie wollen. Und weil er ein sehr guter Gesangslehrer ist, sieht er auch ohne sie zu hören, wo die sich hinbewegen und wo Probleme bestehen. Falls nötig gibt es auch die Möglichkeit, dass mal jemand alleine singt und man daran arbeitet.
Wir haben in der Corona-Situation eine starke Trennung zwischen Beruf auf der einen und Freizeit und Hobby auf der anderen Seite, wenn es um Infektionsschutzregelungen geht. Inwiefern hat sich das in Ihrer Arbeit niedergeschlagen?
Das hat eine große Rolle gespielt, wir haben hier einen strengen Arbeitsschutz. Im März, April und im Mai haben wir tatsächlich nur digital gearbeitet. Im Juni und Juli konnten wir uns wieder treffen, weil unsere Angebote unter Erwachsenenbildung laufen konnten. Die Premiere des Stücks vom Jugendklub im Juli hier draußen auf dem Vorplatz, da durften immer nur vier Leute von insgesamt 14 gleichzeitig auf der Bühne sein und das haben wir auch super geschafft.
Und wie war das bei den Proben? Man darf sich dann ja auch nicht zu nahekommen. Liebesszenen sind damit schon mal schwierig.
Genau! Hatten wir aber so nicht. Interessanterweise liegt beim Theaterspielen die Spannung auch im Abstand. Bei den Proben haben wir ja auch draußen gearbeitet und dabei habe ich mich auf theaterpädagogische Übungen konzentriert, die sehr lustvoll auf Abstand gingen. Und man konnte deutlich sehen, wie wichtig es den Jugendlichen war, wieder miteinander zu spielen, sich zu sehen. Dieser Hunger nach Zusammensein war mehr als spürbar.
Der ruckartige Digitalisierungsschritt im Frühjahr hat verschiedensten Bildungsanbietern viel abverlangt und teilweise gab es auch das Problem, dass Leute bei diesem Schritt ins Digitale verloren gegangen sind. Wie sind Sie im Staatstheater und persönlich damit umgegangen?
Sagen wir so: Für mich war das auch ein Crashkurs im März. Ich gehöre noch zu der Generation, die von der Schreibmaschine auf den Computer umgestiegen ist. Aber die Jugendlichen haben mir bei diesem Umstieg total geholfen. Da habe ich viel gelernt für die anderen Kurse und Klubs. Um nicht Einzelne zu verlieren, habe ich dort, wo ich gemerkt habe, es wird schwierig, viel telefoniert; wir haben dann teilweise parallel über verschiedene Plattformen gearbeitet und kreative Aufgaben ausgetauscht. Damit niemand verloren geht, war es aber auch wichtig, ein Ziel vor Augen zu haben. Wir haben uns gesagt, wir haben das Stück jetzt bis hierhin entwickelt und wir werden daraus entweder einen Film machen oder das Stück zeigen. Ich kann sagen, wir haben niemanden verloren. Allerdings haben wir in den Klubs natürlich auch nicht die Menge an Leuten wie beispielsweise das Bildungszentrum, bei uns ist ja alles viel überschaubarer.
Erwarten Sie bleibende Schäden für die Kultur und die Kulturpädagogik in Nürnberg?
Nun ja, zum Teil haben wir das ja schon. Der Konzertsaal wird erst mal nicht gebaut. Ich glaube, wir werden das schon sehr massiv spüren. Wir haben beispielsweise einen Kollegen, der arbeitet „halb frei“ und dem bricht alles aus seiner freien Tätigkeit weg.
Es gibt auch die jungen Leute, die jetzt gerade durchstarten und denen man immer gesagt hat: „Euch nimmt man doch mit Kusshand!“ Und dann kommt diese große Kränkung, dass sie ein halbes oder ganzes Jahr so überhaupt nicht dürfen. Dazu kommt dann noch diese Diskussion um diese Systemrelevanz. Ich glaube schon, dass manche dann sagen, ich such‘ mir jetzt etwas, wo mir das nicht mehr passieren kann.
Wäre es auch möglich, dass Kultur danach einen anderen Stellenwert bekommen wird?
Klar. Trotz aller Euphorie über die Digitalisierung konnten wir jetzt im Schnellversuch sehen, was geht und was uns frustriert. Und ich glaube, wir haben schon auch gemerkt, dass der Mensch den persönlichen Kontakt braucht, auch die Anwesenheit, das Körperliche, die Wahrnehmung im Raum. Ich denke, daraus kann man schon seine Schlüsse ziehen und dass die Leute unsere Angebote wieder sehr gern in Anspruch nehmen werden.
Dieser Hoffnung schließen wir uns an und danken herzlich für das Interview.
Titelfoto: © Pedro Malinowski.
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