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Bildungsintegration vulnerabler Gruppen: Zur Situation der Kinder und Eltern in Gemeinschaftsunterkünften

Beitrag vom 24. Mrz. 2021

In ihrem Orientierungsrahmen widmet das Referat für Jugend, Familie und Soziales die neunte Leitlinie dem Themenfeld „Zuwanderung gestalten, interkulturelle Vielfalt leben“. Unter anderem wird dort als Handlungsfeld definiert, durch eine stabile und koordinierte Unterstützung von Geflüchteten „die Integrationsarbeit bereits in den Gemeinschaftsunterkünften“ beginnen zu lassen und „Zugänge zu Beschäftigung und Bildung“ zu ermöglichen.

In diesem Rahmen führt die Regiestelle für Flucht und Integration halbjährliche Monitoring-Gespräche mit den Sozialdiensten der Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete durch. Diese Datengrundlage ermöglicht den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern einen empirisch fundierten Einblick in die Situation der Nürnberger Gemeinschaftsunterkünfte und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Anlass genug, im Rahmen dieses Blogs einige der gewonnenen Erkenntnisse zur Bildungssituation der Menschen in den Unterkünften vorzustellen. In diesem Artikel widmen wir uns zunächst dem Bereich der Frühkindlichen Bildung.

Wie sehr verschiedene Bildungs- und Lebensbereiche sich gegenseitig bedingen, hat der bisherige Pandemieverlauf deutlich vor Augen geführt. Dabei kann der Frühkindlichen Bildung eine Art Schlüsselfunktion zugeschrieben werden, da sie Eltern vorübergehend der Betreuungspflicht enthebt und ihnen dadurch erst ermöglicht, selbst an Bildungsangeboten und am Erwerbsleben teilzuhaben. Aus den Monitoring-Gesprächen ergibt sich, dass „Beschäftigung mit Kinderbetreuung“ die häufigste Ursache dafür ist, warum Sprachkurse und andere Bildungsangebote nicht wahrgenommen werden. In der aktuellsten Befragungsrunde wurde zudem Kinderbetreuung von den betroffenen Eltern noch häufiger als Grund genannt, warum sie nicht an tagestrukturierenden Maßnahmen wie beispielsweise Sprachkursen oder anderen Bildungsangeboten teilnehmen (Abbildung 1). Es ist zu vermuten, dass die infektionsschutzbedingten Einschränkungen in der Frühkindlichen Bildung für diesen Anstieg ursächlich sind. Neben der Betreuung von Kindern spielen vor allem gesundheitliche Gründe eine wichtige Rolle, warum Geflüchtete nicht an tagesstrukturierenden Aktivitäten und Bildungsangeboten teilnehmen.

Abbildung 1: Gründe für Nichtteilnahme an tagesstrukturierenden Aktivitäten im Zeitverlauf, Befragungen 2. Halbjahr 2019, 1. Halbjahr und 2. Halbjahr 2020
Anmerkung: Mehrfachnennungen waren möglich; n=2-2019: 831; 1-2020: 884; 2-2020: 944 Personen zwischen 16 und 64 Jahren ohne tagesstrukturierende Aktivitäten; Zusätzlich wurden in der Befragung einige Nennungen angegeben, in denen die konkrete Anzahl der Personen nicht bekannt war. Diese sind hier nicht dargestellt.
Quelle: Stadt Nürnberg; Referat für Jugend, Familie und Soziales, Regiestelle Flucht und Integration

Aus den Gesprächen mit den Sozialdiensten ergab sich für die zweite Hälfte des Jahres 2020 eine Gesamtzahl von 85 Kindern mit einem Krippen- und 236 mit einem Kindergartenplatz (Abbildung 2). Bezogen auf die Gesamtzahl der in Gemeinschaftsunterkünften wohnenden Kinder entspricht das einem Anteil von etwa einem Drittel bei den Kleinsten und damit etwa dem Verhältnis unter allen Kindern in Nürnberg. Im Kindergartenalter von drei bis sechs Jahren besuchten etwa zwei Drittel der in Gemeinschaftsunterkünften lebenden Kinder eine Betreuungseinrichtung. Hier lag der Schnitt für Gesamt-Nürnberg mit 88,3 Prozent deutlich höher.

Abbildung 2: Kinder in frühkindlichen Bildungseinrichtungen in städtischen und staatlichen Gemeinschaftsunterkünften, Befragung 2. Halbjahr 2020
Anmerkung: Für die Gesamtzahl zum Krippenalter wurden  0- bis unter 3-Jährige angegeben und für die Kindergärten 3- bis unter 6-jährige Kinder. Die Darstellung stellt die Situation insofern nur Näherungsweise dar, da im Kindergarten je nach Einschulungstermin auch 6-jährige Kinder betreut werden.
Quelle: Stadt Nürnberg; Referat für Jugend, Familie und Soziales, Regiestelle Flucht und Integration

Insgesamt ist der Anteil der Kinder in Institutionen Frühkindlicher Bildung etwas geringer als in der Gesamtbevölkerung und im Laufe des vergangenen Jahres leicht gesunken. Dabei leistet die Frühkindliche Bildung und Betreuung nicht nur einen wichtigen Beitrag zur sprachlichen Entwicklung der Kinder, sondern ermöglicht es auch den Eltern an Bildungs- und Sprachbildungsangeboten teilzunehmen. Hinzu kommen die positiven Nebeneffekte, die sich aus der Nutzung von Kindertagesstätten für den Integrationsprozess der Eltern ergibt, wie beispielsweise der häufigere Kontakt zu anderen Familien (vgl. Gambaro et al. 2019). Die infektionsschutzbedingten Einschränkungen in der Frühkindlichen Bildung und Betreuung erweisen sich somit oft als Hemmschuh für die Bildungsintegration der ganzen Familie. Sollten diese Einschränkungen im Verlauf der Pandemie weiter verschärft werden müssen, sollte daher die Gewichtung der Bildungsbedarfe von Menschen in Gemeinschaftsunterkünften besonders geprüft werden, etwa wenn es um den Zugang zu Notbetreuungsplätzen geht.


Quellen:

DIW Wochenbericht, Nr. 44, 2019, Ludovica Gambaro, Guido Neidhöfer und C. Katharina Spieß: Kita-Besuch von Kindern aus nach Deutschland geflüchteten Familien verbessert Integration ihrer Mütter.

Stadt Nürnberg, Referat für Jugend, Familie und Soziales, 2016: Orientierungsrahmen für eine nachhaltige Jugend-, Familien-, Bildungs- und Sozialpolitik; https://www.nuernberg.de/internet/sozialreferat/referat.html

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