Der aktuelle Nationale Bildungsbericht informiert über die strukturellen Entwicklungen im Bildungswesen und befasst sich in diesem Jahr in einem eigenen Schwerpunktkapitel mit der Digitalisierung – ein Thema, was in den vergangenen Monaten mit der zeitweisen Schließung nahezu aller Bildungseinrichtungen viele Personengruppen, in besonderer Weise aber Lehrkräfte, Eltern und Schüler/-innen, intensiv beschäftigte. Digitale Technologien sind in den vergangenen Jahrzeiten zu einem festen Bestandteil des alltäglichen Lebens geworden. Auch verändern sie die Art, wie wir uns bilden, so die Expertinnen und Experten des Nationalen Bildungsberichts. Besonders während der Covid19-Pandemie wurde die Bedeutung digitaler Technologien sichtbar, als viele Bildungseinrichtungen auf zeit- und ortsunabhängige Lehr- und Lernmittel angewiesen waren.
Digitale Medien im Einsatz
Das Lernen mit und über digitale Medien war laut Nationalem Bildungsbericht gerade in allgemeinbildenden Schulen bislang eher die Ausnahme. So gaben im Jahr 2018 mehr als drei Viertel aller Achtklässlerinnen und Achtklässler im Rahmen der Schulleistungserhebung ICILS an, in der Schule weniger als einmal in der Woche digitale Medien für schulbezogene Zwecke zu verwenden, ein Sechstel sogar nie (Nationaler Bildungsbericht 2020, S. 255).
Durchlässigkeit des Bildungssystems nimmt weiter zu
Der Nationale Bildungsbericht kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass das Bildungssystem gerade in den letzten Jahren auf Grund struktureller Reformen noch durchlässiger geworden ist. So nutzen Jugendliche und junge Erwachsene häufiger die Optionen, die die höhere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung eröffnet (z.B. Erwerb von Studienberechtigungen an Fachoberschulen). Auch Erwachsene haben mehr Möglichkeiten als früher, sich beruflich weiter zu qualifizieren, beispielsweise indem sie über den Zweiten Bildungsweg einen Schulabschluss nachholen oder als beruflich Qualifizierte unabhängig vom Erwerb einer Hochschulreife auf dem Dritten Bildungsweg ein Studium aufnehmen.
Grenzen des Trends zu höherer Bildung
Der langfristige Trend zur Erlangung höherer Abschlüsse macht sich am Bildungsstand der Bevölkerung bemerkbar: Junge Menschen haben häufiger eine Hochschulzugangsberechtigung und einen Hochschulabschluss als die Generation ihrer Eltern. Gleichzeitig – auch das sagt der Nationale Bildungsbericht – sind in Deutschland Grenzen der Bildungsexpansion erreicht. Dies zeigt sich zum einen in den jüngsten Abschlussjahrgängen einerseits an rückläufigen Abschlussquoten mit mittlerem Abschluss und Hochschulzugangsberechtigung.
Mehr Jugendliche ohne Schulabschluss
Zum anderen verlassen wieder mehr Jugendliche die Schule, ohne mindestens einen Hauptschulabschluss erlangt zu haben (Nationaler Bildungsbericht 2020, S. 18). Wie die Abbildung zeigt, stieg die Anzahl der Jugendlichen in Deutschland, die ganz ohne Schulabschluss bleiben, in den vergangenen Jahren von 5,7 % im Jahr 2013 auf 6,8 % im Jahr 2018 (Nationaler Bildungsbericht 2020, S. 144f.). Obwohl Schulabgänge ohne Haupt-/Mittelschulabschluss häufig mit Haupt-/Mittelschülerinnen und -schülern gleichgesetzt werden, sind 44 % der Abgänge auf Förderschülerinnen und -schüler zurückzuführen. Dieser Anteil an den Abgängern/-innen ohne Abschluss ist laut Nationalem Bildungsbericht jedoch in den letzten Jahren sukzessive gesunken.
Soziale Herkunft entscheidet noch immer über Bildungserfolg
Insgesamt bestätigt der Expertenbericht frühere Befunde: Bildungserfolg hängt in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab. Gerade im internationalen Vergleich weist der Bericht für Deutschland einen engen Zusammenhang zwischen familialen Lebensverhältnissen, Bildungsbeteiligung sowie Zertifikats- und Kompetenzerwerb nach (Nationaler Bildungsbericht 2020, S. 40f.). Neue Längsschnittanalysen anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels zeigen, dass beim Übergang nach der Grundschule an weiterführende erhebliche soziale Disparitäten bestehen. Gegenüber Gleichaltrigen aus eher schwachen sozialen Lebenslagen schlagen statushohe Schülerinnen und Schüler mit 79% fast 3 Mal so häufig die Gymnasiallaufbahn ein. Die anfänglichen sozialen Unterschiede werden aber auch durch spätere Schulartwechsel kaum ausgeglichen. Gleichzeitig werden Bildungsentscheidungen bei Kindern und Jugendlichen aus eher schwachen sozialen Lebenslagen häufig durch Wechsel revidiert und dies geschieht überdurchschnittlich oft in Richtung höherer Bildung (Nationaler Bildungsbericht, S. 115).
Der Nationale Bildungsbericht wird alle zwei Jahre unter der Federführung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) erstellt und kann hier abgerufen werden. Er bietet eine ausführliche datengestützte Übersicht über Bildung im gesamten Lebensverlauf: von Kindertageseinrichtungen über Schulen, von der beruflichen (Aus-)Bildung über Hochschulen bis hin zur Weiterbildung. Damit bietet der Bericht eine fundierte Grundlage für Bildungspolitik, Verwaltung, Praxis und Öffentlichkeit.
0 Kommentare