Klassenstärken in Nürnberg
Ein fester Bestandteil der bildungspolitischen Diskussion über Schule ist die Klassengröße. Oft wird angenommen, dass die Unterrichtsqualität und damit auch die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in kleineren Klassen besser seien. Wissenschaftliche Studien für die europäischen Schulsysteme bestätigen dies jedoch nicht (vgl. Hanushek und Wößmann 2011). In der Pandemie erlangte der Faktor „Klassenstärke“ jedoch schnell erneut an Bedeutung. Denn bei Einhaltung der Abstandsregeln benötigen große Klassen mehr Schulraum und müssen eher geteilt werden. Alternierend besucht dann eine Hälfte der Klasse vor Ort den Präsenzunterricht, während sich die andere Hälfte zuhause im Distanzunterricht befindet, wie in der Zeit der partiellen Schulschließungen zwischen den Pfingstferien und den Sommerferien 2020. Die Einführung dieses Wechselunterrichts wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Die eine Seite betont die pädagogische Wichtigkeit eines durchgängigen Präsenzunterrichts, währenddessen die andere Seite in dieser Unterrichtsform ein flexibles Instrument sieht, um Infektionen zu verringern und damit komplette Schulschließungen zu vermeiden. Die Klassengröße ist beim Modell des Wechselunterrichts ein entscheidender Faktor, da sie sich mitunter auf die Form und gegebenenfalls auf die Qualität der Unterrichtung auswirkt.
Laut OECD-Bericht liegt die durchschnittliche Klassengröße in öffentlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland bei 21 Schulkindern pro Klasse, im Sekundarbereich I bei 23 Schülerinnen und Schülern. Hier gibt es in den Nürnberger Klassen keine Abweichungen zum OECD-Durchschnitt. Für das Schuljahr 2018/19 war die durchschnittliche Klassenstärke in den öffentlichen und privaten Grundschulen 21,3 Schülerinnen und Schüler. In den weiteren allgemeinbildenden Schulen lag sie an den Förderzentrum bei 11,2 Schülerinnen und Schüler, an den Mittelschulen bei 20,7, an den Realschulen bei 25,6 und an den Gymnasien bis einschließlich der 10. Jahrgangsstufe bei 24,8.
Klassenstärke nach Schulart in Nürnberg, Schuljahr 2018/19
An den öffentlichen Grund- und Mittelschulen sind in Bayern zudem die Deutschklassen angesiedelt. Dort soll Kindern und Jugendlichen ohne ausreichende Deutschkenntnisse, die neu im deutschen Schulsystem sind, eine intensive Sprachförderung ermöglicht, und sie somit auf den Besuch der Regelklassen vorbereitet werden. In Nürnberg besuchten an den Grundschulen durchschnittlich jeweils 14 Schülerinnen und Schüler eine Deutschklasse, an den Mittelschulen waren es 19 (Stand Ende Oktober). An der Dr.-Theo-Schöller-Mittelschule, eine von sechs Mittelschulen mit diesem Angebot in Nürnberg, könnten aktuell zwei von acht Deutschklassen bei einer erneuten Teilschließung der Schulen aufgrund der noch geringen Klassenstärke vollständig weitergeführt werden. Da aber in diese Klassen unterjährig stetig neu zugewanderte Kinder und Jugendliche aufgenommen werden, ist zu erwarten, dass auch diese Klassen spätestens im Frühjahr eine Größe erreichen, die eine Aufteilung in Präsenz- und Distanzgruppe erfordern würde.
Aber auch permanent kleinere Klassen, wie etwa an den Förderzentren, ermöglichen nicht zwangsläufig durchgängigen Unterricht während einer partiellen Schulschließung. So sind beispielsweise die räumlichen Gegebenheiten an der Nürnberger Jakob-Muth-Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bereits für eine geringere Anzahl von Schülerinnen und Schülern bemessen. Auch gilt es zu beachten, dass an den Förderzentren neben den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften auch pflegerisches Personal und Schulbegleitungen anwesend sind. Eine kleine Klassengröße ist also kein Garant dafür, dass Klassenteilungen vermieden werden können, sollten sich die Abstandsregeln verschärfen. Unterrichtsqualität ist jedoch in erster Linie davon abhängig, dass sich Lehrkräfte mit bedarfsgerechter Fortbildung und unterstützenden Rahmenbedingungen für einen guten Unterricht engagieren können.
Quellen:
Hanushek, Eric A. und Ludger Wößmann (2011), Klassengröße: Ist sie wichtig? Policy Brief 2/2011 des Europäisches Expertennetzwerk Bildungsökonomik (EENEE): http://www.eenee.de/de/eeneeHome/EENEE/Policy-Briefs.html
OECD (2020): https://www.oecd.org/publications/bildung-auf-einen-blick-19991509.htm
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Deutschförderung an bayerischen Grund- und Mittelschulen: https://www.km.bayern.de/ministerium/schule-und-ausbildung/foerderung/sprachfoerderung.html
Titelfoto: © Verena Knoblauch.