Bildung als Schlüssel für einen selbstbestimmten Lebensweg

Bildung als Schlüssel für einen selbstbestimmten Lebensweg

Tuğçe Kadan (29) ist Mitglied im Vorstand des Global Elternvereins und Lehrerin für die Fächer Englisch und Geschichte an einer städtischen Realschule. Wir haben mit ihr über die Arbeit des Global Elternvereins und die Erfahrungen in den vergangenen Monaten gesprochen, in denen unter anderem ein Corona-Crash-Kurs für Schulkinder angeboten wurde.

Frau Kadan, wer und was verbirgt sich hinter dem Verein „Global Elternverein“?

Der Verein wurde 2004 ursprünglich als eine Elterninitiative gegründet – in erster Linie um qualitativ hochwertige, aber günstige Nachhilfe für sozial benachteiligte Kinder anzubieten. Diese Leitidee wird nun auch vom neuen – seit 2017 aktiven – Vorstand fortgeführt. Inzwischen haben wir neben bezahlbarer (bzw. mit BuT-Gutscheinen kostenloser) Nachhilfe auch weitere kostenfreie Angebote im Programm.

Welche Zielsetzung verfolgen Sie bei Ihrer Arbeit und welche Angebote gibt es hierfür?

Unser größtes Ziel ist es, den Kindern zu verdeutlichen, dass jedes von ihnen seine Träume verwirklichen kann und dass Bildung der Schlüssel hierfür ist.

Regel Nr. 1: Die Kinder müssen daran glauben. Dafür sind wir aber gut gerüstet! Wir alle im Team waren oder sind Studierende über den zweiten Bildungsweg. Die Kinder können sich mit uns identifizieren, weil wir es im Leben auch nicht leicht hatten und für den Status, den wir jetzt haben, hart kämpfen mussten.

Eddie Kayiira, unser Vorstandsvorsitzender, kam als Flüchtlingskind nach Deutschland – jetzt leitet er internationale Projekte, um Kindern in armen Verhältnissen eine Perspektive zu geben.

Unsere Angebote umfassen auch Sprachkurse für Erwachsene, zu unseren vielen erfolgreichen Projekten zählen Ferienworkshops sowie das Antiradikalisierungsprojekt. Hier vermitteln wir sowohl demokratische Werte und ein Toleranzbewusstsein für verschiedene Meinungen als auch die Bedeutung des Ehrenamtes durch den Einsatz von TutorInnen. Der Projektleiter Mehmet Yilmaz hat selbst von diesem Ansatz profitiert. Er kam als Mittelschüler zu uns, arbeitete sich „hoch“, fing das Studieren an, wurde Nachhilfelehrer und schließlich Projektleiter, um wiederum Kindern in ähnlicher Situation, in der er früher war, zu helfen.

Ich selbst kam erst mit 10 Jahren nach Deutschland. Als Hauptschülerin habe ich mich immer geweigert, eine Ausbildungsstelle zu suchen, weil ich studieren wollte. Meine Lehrkräfte haben nicht wirklich daran geglaubt. Ich war hartnäckig, vor allem um ihnen das Gegenteil zu beweisen! Nun bin ich Lehrerin und sage meinen Schülerinnen und Schülern immer, dass sie alles schaffen können, wenn sie es wirklich wollen und dass ich sie stets dabei unterstützen werde.

Der „Corona-Crash-Kurs“ als spezielles Programm für die Sommerferien, um Lernrückstände aufzuholen – wie wurde es aufgesetzt und angenommen?

In den Sommerferien haben wir Schulkindern einen kostenlosen Corona-Crashkurs angeboten. Hierfür haben wir ein Rundschreiben an alle Nürnberger Schulen (mit Ausnahme der Grundschulen) geschickt. Unsere vorrangige Absicht war es, ihnen ihre Ängste vor dem kommenden Schuljahr zu nehmen und mit ihnen den bis dahin erarbeiteten und den aufgrund des Lockdowns fehlenden Schulstoff zu üben. Zu unserer Überraschung haben wir auf Anhieb über 40 Anmeldungen erhalten. Die Kinder und Eltern waren aufgrund ihrer Unsicherheit, was auf sie zukommt, sehr dankbar für das Angebot.

Wie liefen diese Kurse und wie geht´s nun weiter?

Als nächstes werden wir das Projekt „Schule 2.0 umsetzen, um die Kinder auch im laufenden Schuljahr weiter zu unterstützen. Anlass hierfür war, dass wir im Kurs festgestellt haben, dass einige Themen aufgrund des fehlenden Präsenzunterrichts bei vielen Kindern noch „nicht saßen“. Durch viel Übung haben wir versucht, diese Lücken ansatzweise zu schließen. Die Ergebnisse der durchgeführten Tests haben gezeigt, dass sich die Kinder im Allgemeinen verbessert haben. Sie haben auch einen Feedbackbogen von uns mitbekommen, der noch einmal aufzeigt, welche Themenbereiche geübt wurden, welche Noten sie im gesamten Kurs bekommen haben, wo noch Übungsbedarf vorliegt, etc.

Welche positiven Erfahrungen wurden in der Corona-Zeit gemacht und wo liegen die Probleme?

Unsere erste Maßnahme war die Skype-Nachhilfe, die wir sehr flexibel gleich am ersten Lockdown-Tag umsetzen konnten. Insgesamt kam sie sehr gut bei unseren TeilnehmerInnen und deren Eltern an. Sie waren dankbar, dass ihnen jemand bei den Wochenplänen helfend zur Seite stand. Auch da haben wir festgestellt, dass viele aus finanziellen Gründen nicht die Möglichkeit hatten, die Wochenpläne auszudrucken oder am PC zu erarbeiten. Die Schulen boten zwar an, an Bedürftige Laptops auszuleihen, doch in Brennpunktvierteln gibt es leider mehr Bedarf an Laptops als die Schulen zur Verfügung stellen können.

Ihre Wünsche an Politik und Verwaltung?

Wir sind uns bewusst, dass die städtische Verwaltung sowie alle PolitikerInnen ihr Bestes tun, um den Kindern entgegenzukommen. Hier wünschen wir uns (auch weiterhin) organisatorische und finanzielle Unterstützung und vor allem die Offenheit von anderen Bildungseinrichtungen für Kooperationen, um alle Kinder, die unsere Hilfe brauchen, zu erreichen.


Weitere Informationen zum Global Elternverein finden Sie unter www.global-elternverein.de

Titelfoto: © Tuğçe Kadan.