Nationaler Bildungsbericht 2022 zieht über alle Bildungsbereiche hinweg Bilanz
Im neunten nationalen Bildungsbericht analysiert die Autor/-innengruppe Bildungsberichterstattung die Bildungssituation in Deutschland. Der Bericht „Bildung in Deutschland 2022“ bietet eine voll umfassende Bestandsaufnahme des Bildungssystems, die Indikatoren basieren dabei im Wesentlichen auf Daten der amtlichen Statistik und aus sozialwissenschaftlichen Erhebungen. In diesem Berichtsjahr liegt der Schwerpunkt auf empirischen Befunden zum Bildungspersonal und ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie. Im Folgenden werden einige ausgewählte zentrale Befunde aus dem Bericht zusammengefasst.
Mehr Kinder in Kindertageseinrichtungen und Schulen
Deutschlandweit ist die Anzahl der betreuten Kinder in Kindertageseinrichtungen zwischen 2010 und 2020 um 21 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen um fünf Prozent. Insgesamt stieg die Zahl der unter Sechsjährigen in Deutschland von 4,1 Millionen Kindern im Jahr 2010 auf 4,75 Millionen Kinder im Jahr 2020. Es gibt schon jetzt einen Mehrbedarf an Schulplätzen, der sich zunächst vor allem auf Grundschulen und in den nächsten Jahren auch auf die weiterführenden Schulen auswirkt.
Mit der steigenden Kinderzahl nimmt auch die Anzahl an Bildungseinrichtungen zu. Zwischen 2010 und 2020 hat sich die Anzahl der Einrichtungen deutschlandweit um 4.000 erhöht (+ 4 Prozent), insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung und der Hochschulen. Die Anzahl der allgemeinbildenden Schulen nahm im betrachteten Zeitraum ab. Das Bildungsangebot in Deutschland wird überwiegend von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft bereitgestellt, der Anteil liegt bei 55 %. Seit 2010 nahm der Anteil der Einrichtungen in freier Trägerschaft um 3 Prozentpunkte auf 45 % zu (Abbildung B1-1).
Personalmangel in Bildungseinrichtungen
Dem Bericht zufolge ist der Personalstand in der frühkindlichen Bildung, an allgemeinbildenden Schulen, an Hochschulen und in Teilen des Weiterbildungsbereichs in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allein im vorschulischen Bereich lag der Anstieg der Beschäftigten bei 75 %. Gleichzeitig verbringen mittlerweile wesentlich mehr Kinder durchschnittlich mehr Zeit in Kindertagesstätten und Schulen. Trotz des größeren Personalbestands zeigen sich laut Nationalem Bildungsbericht nur geringe Verbesserungen in den Personalschlüsseln und Betreuungsrelationen.
Die Expertengruppe Bildungsberichterstattung betont, dass die Bedarfe an qualifiziertem Bildungspersonal weiterhin zunehmen werden – insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung, wo offiziellen Bedarfsschätzungen zufolge bis 2025 bis zu 72.500 Fachkräfte fehlen werden. In den Schulen könnten bis 2030 etwa 30.000 Fachkräfte fehlen. Mit dem gesetzlich verankerten Anspruch auf ein Ganztagsangebot für Grundschulkinder wird bis 2030 mit einem Zusatzbedarf von bis zu 65.600 Fachkräften gerechnet.
Entwicklungen und Problemlagen im Zuge der Corona-Pandemie
Laut Nationalem Bildungsbericht hat die Corona-Pandemie bereits zuvor bestehende Problemlagen wie den Fachkräftemangel, den Digitalisierungsbedarf oder die sozialen Ungleichheiten im Bildungssystem weiter verschärft. Die Folgen von pandemiebedingten Einschränkungen im Bildungsangebot waren je nach Bildungsbereich sehr unterschiedlich. Auch wenn der Ausbau digitaler Bildungsangebote in vielen Bereichen durch die Pandemie deutlich beschleunigt wurde, konnten weggefallene Präsenzangebote nicht vollständig durch digitale Aktivitäten kompensiert werden.
Die Pandemie scheint auch Unsicherheiten bei Entscheidungen über die weiteren Bildungswege ausgelöst zu haben, so die Expertengruppe. Dabei zeichnen sich insbesondere Veränderungen am Ende der allgemeinbildenden Schullaufbahn ab; sinkende Zahlen der Schulabgänge ohne Abschluss deuten auf einen längeren Schulbesuch hin. Damit zusammen hängt die rückläufige Nachfrage nach Ausbildungsplätzen, die den Fachleuten zufolge auch „als Resultat von wahrgenommenen Einschränkungen im Ausbildungszugang und Unsicherheiten in Bezug auf den Ausbildungsverlauf gesehen werden muss“ (Nationaler Bildungsbericht 2022, S. 20).
Erste Kompetenzstudien deuteten auf Rückgänge bei den Lesekompetenzen von Grundschüler/-innen zwischen 2016 und 2021 hin. Aufgrund von fehlenden Daten sei jedoch noch unklar, ob dies nur auf die Pandemie zurückgeführt werden könne. Erste Befunde deuteten jedoch darauf hin, dass (speziell) Jungen, leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sowie Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien in den letzten zwei Jahren besonders von negativen Folgen in der Lernentwicklung betroffen sein könnten.
Der Nationale Bildungsbericht wird alle zwei Jahre unter der Federführung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) erstellt. Er bietet eine ausführliche datengestützte Übersicht über Bildung im gesamten Lebensverlauf: von Kindertageseinrichtungen über Schulen, von der beruflichen (Aus-)Bildung über Hochschulen bis hin zur Weiterbildung.
Quellen:
Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal, Bielefeld 2022. Abrufbar unter https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2022
Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland kompakt 2022. Zentrale Befunde des Bildungsberichts, Bielefeld 2022. Abrufbar unter https://www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2022
Das Deutsche Schulportal 2022, Nationaler Bildungsbericht – Die wichtigsten Fakten zur Bildung in Deutschland 2022. Abrufbar unter https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/nationaler-bildungsbericht-die-wichtigsten-fakten-zur-bildung-in-deutschland-2022
Titelbild: © Bildung in Deutschland 2022 (Bildausschnitt).