Wer schon einmal am Ausdruck eines Online-Freibad-Tickets, einer Online-Buchung beim Arzt oder bei der Aktivierung des digitalen Personalausweises gescheitert ist, der weiß: Fehlende digitale Kompetenzen führen immer häufiger dazu, dass Menschen Dienstleistungen nicht wahrnehmen können und Gefahr laufen, sozial ausgeschlossen zu werden. Dr. Juliane Stiller vom Verein Grenzenlos Digital e.V. lieferte im Rahmen des Fachtags digitale Grundbildung am 27. Juni 2025 einen pointierten Impulsvortrag zur digitalen Kluft und dazu, wie Bildungsangebote helfen können, diese Kluft zu überwinden.
Sie benannte vier zentrale Faktoren für den Ausschluss an digitaler Teilhabe: Die Kosten z.B. für Endgeräte und Verträge, digitale Kompetenzen, fehlende Barrierefreiheit etwa im Webdesign von Online-Anwendungen und fehlendes Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer in digitale Dienste. Diese Hürden beträfen unterschiedliche Personengruppen in unterschiedlicher Art und Weise, so Stiller. Zu diesen digital vulnerablen Gruppen zählte sie unter anderem ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, mit Zuwanderungsgeschichte oder aus einkommensschwachen Verhältnissen, Frauen sowie Menschen im ländlichen Raum.
Betrachtet man den Aspekt der digitalen Kompetenzen genauer, so habe sich in den Jahrzehnten seit der Etablierung der Digitalisierung im Alltag etwas verändert: „Klassische Offliner gibt es heutzutage kaum noch“, so Stiller. „Stattdessen beschränken sich die Kenntnisse digital benachteiligter Gruppen verstärkt auf bestimmte Endgerätetypen, Betriebssysteme und andere Technologien.“
Ängste abbauen und praktischen Nutzen aufzeigen
Stiller plädierte für eine Vielfalt an Lernformaten, um dieser Bedarfslage gerecht zu werden. Neben der Bereitstellung digitaler Infrastruktur und digitaler Hilfen brauche es strukturierte Kurse, aber auch offenere Konzepte wie Mentoring-Programme. Wichtig sei, dass die Angebote die unterschiedlichen Zielgruppen da abholen, wo sich diese ohnehin aufhalten. Außerdem sei es wichtig, Ängste durch das Lernsetting abzubauen und an den konkreten Bedarfen der Teilnehmenden anzusetzen, um nach Möglichkeit schnell positive Ergebnisse zu erzeugen, die den praktischen Nutzen sichtbar machen.

Juliane Stillers Input führt zu der Frage, wie es in Nürnberg mit entsprechenden Angeboten für digital vulnerable Gruppen aussieht. Aus der themenbezogenen Netzwerkarbeit des Bildungsbüros der letzten Jahre ergibt sich der Eindruck als entstehe hier nach und nach ein Netz aus unterschiedlichen Akteuren, das mehreren digital vulnerable Zielgruppen Angebote macht – auch wenn das Netz sicher noch nicht flächendeckend und ausreichend aufeinander abgestimmt ist.
Lots/-innen, Begleiter/-innen, Coaches: Ehrenamtliche spielen eine wichtige Rolle bei Nürnberger Angeboten
Seit über 20 Jahren bereits bietet der Computer Club Nürnberg 50plus klassische Kursformate zum Thema für Ältere an. 175 dieser kostenpflichtigen Kurse wurden 2024 von 913 Seniorinnen und Senioren besucht.[1] Hinzu kommen kostenfreie Vorträge, die sich häufig mit aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung beschäftigen.[2] Das Seniorenamt der Stadt Nürnberg entwickelte mit „Wege in die digitale Welt für Ältere“ außerdem ein Programm, das verschiedene niedrigschwellige Formate verbindet und diese an 20 Seniorennetzwerken in der Stadt andockt. In den 1:1-Tandems vermitteln ehrenamtliche Digitallotsinnen und -lotsen Grundkenntnisse zu Smartphone und Tablet. 218 Seniorinnen und Senioren wurden zwischen September 2021 und Dezember 2024 durch das Seniorenamt in ein solches Tandem vermittelt werden.[3] Wer bereits etwas geübter mit digitalen Technologien ist, bekommt in Digital-Sprechstunden weitere Kenntnisse durch Ehrenamtliche vermittelt oder kann sich in Digital-Cafés oder-Treffs mit anderen austauschen und so dazu lernen.
An Jugendliche und Erwachsene mit Zuwanderungsgeschichte wendet sich das Projekt Digi iQ – Digitale Grundbildung im Quartier. Auch hier vermitteln ehrenamtliche Peers mit dem Namen Digi-Coaches in curricular strukturierten Einsätzen digitales Grundwissen. Dafür gehen sie an verschiedene Bildungsorte in der Stadt wie beispielsweise Horte, Stadtteilzentren, Gemeinschaftsunterkünfte oder Migrantenvereine. Ergänzend gibt es digitale Sprechstunden mit den Schwerpunkten Technikprobleme und Online-Dienste. Außerdem versucht das Projekt bestehende Bedarfe und Angebote digitaler Grundbildung stadtteilorientiert aufeinander abzustimmen. Im ersten Projektjahr konnten 11 erwachsene und 14 jugendliche Digi-Coaches ausgebildet werden, die bereits 114 Einsätze absolvierten.[4]
Für Menschen mit Behinderung gibt es seit April 2024 die Digitale Werkstatt in der Boxdorfer Wohnanlage vom Verein für Menschen. Neben Workshops und digitalen Sprechstunden wird auch hier mit Tandems gearbeitet, in denen speziell geschulte Digitalbegleiter/-innen bei den ersten digitalen Schritten unterstützen.[5] Eine „Zockerbude“ ermöglicht außerdem das gemeinsame Spielen mit Konsolen oder an einem speziell an die Bedarfe der Zielgruppe angepassten Gaming-Tisch. Bisher haben insgesamt etwa 100 Personen teilgenommen, darunter vor allem Menschen mit Behinderungen aus der Wohnanlage, sowie externe Teilnehmende, darunter Angehörige, Betreuer, Mitarbeitende und Freizeitassistenten.[6]
Vernetzen und sichtbar machen
„Es macht Mut, dass in Nürnberg so viele zielgruppengerechte Angebote entstehen“, freut sich Juliane Stiller und mahnt an: „Es ist wichtig, diese Angebote und die vielen kleineren und größeren Initiativen, die es zu diesem Thema vielleicht noch in der Stadt gibt, miteinander zu vernetzen und sichtbar zu machen, damit möglichst alle das für sie passende Angebot finden.“
Die gesamte Dokumentation des Fachtags Digitale Grundbildung finden Sie hier zum Download: Dokumentation Fachtag Digitale Grundbildung
[1] Quelle: Computer Club Nürnberg 50plus e.V.
[2] Quelle: Computer Club Nürnberg 50plus e.V. (2025): Kurse und Vorträge. Programm März bis Juli 2025, Ausgabe 54, https://www.ccn50plus.de/ccnweb5/images/Texte/kursprogramm.pdf (zuletzt geprüft am 22.7.2025), S. 35ff.
[3] Quelle: Stadt Nürnberg, Seniorenamt.
[4] Quelle: Stadt Nürnberg, Bildungsbüro
[5] Quelle: https://www.verein-fuer-menschen.de/news/2025/04/1614.php (zuletzt geprüft am 22.7.2025).
[6] Quelle: BBW gemeinnützige GmbH – Boxdorfer Wohnanlage.
Titelbild: Fatima Hourch.
Beitragsbild (Digi-Coaches im Einsatz): Stadt Nürnberg/Rudi Ott.
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