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Aktuelle Studie über politische Teilhabe junger Menschen mit Migrationsgeschichte

Beitrag vom 23. Apr.. 2025

Nach der Bundestagswahl sind Menschen mit Migrationshintergrund mit 11,6 Prozent der Abgeordneten weiterhin unterrepräsentiert. Auch jenseits von Wahlen zeigen sich Lücken; besonders junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind seltener politisch aktiv als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte. Eine neue Studie des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) hat die Teilhabechancen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zwischen 15 und 35 Jahren untersucht.

In einer Online-Veranstaltung des Projekts „Nürnberg forscht“, das derzeit die kommunalpolitische Partizipation der migrantischen Stadtbevölkerung untersucht, stellte Dr. Jan Schneider, Mitautor der SVR-Studie und Leiter des Bereichs Forschung in der SVR-Geschäftsstelle, die wichtigsten Ergebnisse vor. Foto: © SVR/Setzpfandt
Das Recht auf politische Teilhabe aller Menschen hierzulande gehört zum Grundverständnis der Demokratie. Doch insbesondere junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sehen sich mit verschiedenen Hindernissen konfrontiert, die ihre Chance auf politische Partizipation schmälern. Dazu gehören Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen. Gleichzeitig gelingt es einigen, sich wirkungsvoll politisch zu engagieren. Die Studie erkennt und analysiert sowohl bestehende Hürden als auch verschiedene Faktoren, die eine politische Partizipation von jungen migrantisch wahrgenommenen Menschen in Deutschland stärken. Die quantitativen Daten zeigen, dass junge migrantisch wahrgenommene Menschen weniger politisch partizipieren (11% sind aktiv) als die Vergleichsgruppe ohne Zuwanderungsgeschichte (40% sind aktiv); auch ihr politisches Interesse ist geringer ausgeprägt. Qualitativ zeigt sich, dass die Einbindung in eine Peergroup, mit der man gemeinsam aktiv wird, politische Teilhabe fördern kann. Auch Selbstwirksamkeit, also das Gefühl, mit einer Aktivität etwas verändern zu können, kann entscheidend sein. Letzteres wird durch die quantitativen Daten bestätigt. Die Befragten berichten aber auch von Frustrationen mit dem politischen Engagement sowie von Hinderungsgründen für die politische Partizipation. Die quantitativen Daten verweisen hier insbesondere auf drei Faktoren: fehlende Kontakte, mangelnde Repräsentation und Angst vor Diskriminierung.
Ergebnisse in einem Erklärvideo

Auch nehmen viele Befragte die Parteien als nicht-diverse Räume wahr, die weder ihre Erfahrungen noch Perspektiven anerkennen. Dabei würden Parteien von der Diversifizierung profitieren. Indem sie die Interessen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berücksichtigen und ihnen attraktive Angebote machen. So könnten sich laut Dr. Schneider auch neue Mitglieder und Wählerstimmen gewinnen.

Die politische Bildungsarbeit sollte den Befragten zufolge, Wissen über politische Prozesse, Themen und Beteiligungsmöglichkeiten stärker und schulübergreifend vermitteln, um die politische Partizipation junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu fördern. Darüber hinaus wünschen sie sich, dass an Orten, die verstärkt von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte frequentiert werden, z.B. in benachteiligten Stadtteilen oder an Schulen, mehr über Zugänge zur Politik informiert wird. Damit lässt sich nach Ansicht der Studienteilnehmenden u. a. der Dialog zwischen der Politik und migrantisch wahrgenommenen Menschen fördern.

Eine erhöhte Sichtbarkeit von (jungen) Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die bereits in Parlamenten sitzen, können als wichtige Vorbilder für mehr Engagement motivieren.

Rassismuserfahrungen werden in allen qualitativen Interviews thematisiert, die junge migrantisch wahrgenommene Menschen davon abhalten können, sich aktiv politisch zu beteiligen. Es zeigt sich aber auch, dass Rassismuserfahrungen bei Befragten, die interne Selbstwirksamkeit verspüren, mit einem hohen Maß an politischer Aktivität einhergehen können. Dieser Befund wird durch die quantitativen Daten gestützt.

Gefragt sind Schulen, Vereinen und Parteien

Aus der Studie lassen sich Handlungsansätze ableiten, die für verschiedene Bereiche greifen. So sollte die politische Bildung an allen Schulformen und bereits in jungen Jahren erfolgen. Sozialarbeit kann dies durch niedrigschwellige, inklusive politische Jugendarbeit unterstützen. Aber auch Vereine, Migrantenorganisationen und sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft sind gefordert, vermehrt politische Bildungsarbeit anzubieten. Gerade Parteien oder Stiftungen sollten Projekte zur politischen Teilhabe niederschwellig bewerben, mehr Diversität in der in der Politik fördern und Vorbilder sichtbar machen. Nicht zuletzt sollten Parteimitarbeitenden, Lehrenden und Sozialarbeitenden antirassistische Schulungen angeboten werden.

 

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Methodische Angaben zur Studie

Der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) hat zwischen Juli 2023 und April 2025 das Forschungsprojekt „Rahmenbedingungen, Chancen und Herausforderungen der politischen Teilhabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Einwanderungsgeschichte“ durchgeführt. Gefördert wird das Projekt von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und zugleich Beauftragten.

Die Befunde des Forschungsprojekts sind im März 2025 in der SVR-Studie „Jung und vielfältig, aber noch nicht politisch beteiligt? Wege zu mehr Partizipation für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ (Storz/Mayr 2025) veröffentlicht worden.

Die Studie entstand begleitend zum Praxisprojekt YoungUP!, das spezifisch junge BIPoC1 (aus dem Englischen: Black, Indigenous and People of Color) anspricht, und vom Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) durchgeführt wird.

Für die Studie wurden zum einen quantitative Daten aus dem SVR-Integrationsbarometer 2024, einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage unter Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland, analysiert. Zum anderen wurden 15 qualitative Interviews mit jungen migrantisch wahrgenommenen Menschen aus dem Praxisprojekt YoungUP! und mit Teilnehmenden aus dem SVR-Integrationsbarometer 2024 im Alter von 17 bis 35 Jahren durchgeführt.

Quelle. Methodenbericht-zur-Studie-YoungUP.pdf

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