Wie im kürzlich erschienen Blogbeitrag „Der erste Schritt nach der Schulausbildung: Einmündung in das Berufsbildungssystem in Nürnberg“ beschrieben, ist die Duale Berufsausbildung (in Betrieb und Berufsschule) für immer weniger Schüler/-innen der erste Schritt nach der Schulausbildung.
Dabei zeigt sich aber der Ausbildungsmarkt in Nürnberg – genauso wie im Bundestrend (Bundesagentur für Arbeit 2023a) – wieder stabiler: Der Rückgang der Nachfrage (d.h. der gemeldeten Bewerber/-innen) scheint zumindest zunächst gestoppt, auch wenn dieser Zuwachs auf sehr geringen Fallzahlen (+33 auf 3.037) beruht. Gleichzeitig liegt das Niveau der gemeldeten Ausbildungsstellen (4.330) immer noch unterhalb des „Vor-Corona-Stands“ 2018/19 (vgl. Abb.1).
Die Ausbildungsquote (Anteil der sozialversicherungspflichtigen Auszubildenden an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt) in der Stadt Nürnberg sank dagegen weiter auf 4,1% im Jahr 2022, mit 2.865 Betrieben bilden wiederum weniger Betriebe aus als in den Vorjahren. Das ist der niedrigste Stand seit 2011 (Bundesagentur für Arbeit 2024).
Auch der Indikator „erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation“ (eANR für den gesamten Agenturbezirk, Definition siehe: Bildung in Nürnberg. 2022. Sechster Bildungsbericht der Stadt Nürnberg, 2022, S.191) von 106,6 zeigt den rechnerischen Überhang von Ausbildungsangeboten deutlich: lag dieser vor 2017 noch unter 100, kommen heute bereits 106,6 Angebote auf 100 Bewerber/-innen. Im Vorjahr 2021/22 waren dies 105,6. In Bayern insgesamt liegt die Relation sogar bei 116,7 (Bundesinstitut für Berufsbildung 2023) Im Bereich der Stadt Nürnberg kamen 2022/23 rechnerisch auf 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen 73 Bewerber/-innen (Bundesagentur für Arbeit 2023b).
Abb. 1: Seit Beginn des Berichtsjahrs gemeldete Berufsausbildungsstellen und
Bewerber/-innen für Berufsausbildungsstellen in der Stadt Nürnberg, Berichtsjahre 2017/18 bis 2022/23
Anmerkung: Ein Berichtsjahr bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres. Datenrevisionen können zu Abweichungen gegenüber Auswertungen mit früherem Erstellungsdatum führen. Die Zahlen für die gemeldeten Ausbildungsstellen 2020/21 wurden noch nach oben korrigiert.
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Bewerber und Berufsausbildungsstellen, September 2017 bis 2022; eigene Darstellung.
Damit würden theoretisch jeder und jedem Ausbildungsplatzsuchenden auch eine Ausbildungsstelle zur Verfügung stehen. Der Blick auf die „unversorgten Bewerber/-innen“ und die „unbesetzten Ausbildungsplätze“ zeigt aber, dass in der Praxis der Ausgleich nicht ausreichend stattfindet:
Weiterhin Mismatch: Bewerber/-innen finden keine Stelle, Betriebe können nicht besetzen
Wie bundesweit blieben auch in Nürnberg 2023 zahlreiche Ausbildungsstellen unbesetzt: 2023 waren dies 678, d.h. 15,7% aller gemeldeten Berufsausbildungsstellen (eine Steigerung von 11,3% zum Vorjahr; bundesweit betrug diese 14%). Abbildung 2 zeigt diese fortschreitende Entwicklung: auch relativ zur Gesamtzahl steigen die unbesetzten Stellen stetig an. Besonders viele unbesetzte Stellen zeigt die BA-Statistik u.a. in Berufen wie Handel (44) und Verkauf (140) sowie Arzt- und Praxishilfe (54) (Bundesagentur für Arbeit 2023b).
Gleichzeitig fanden 184 Ausbildungssuchende keine Ausbildungsstelle. Diese Zahl der sog. „erfolglosen Bewerber/-innen“, d.h. derjenigen jungen Menschen, die am 30. 9. des Jahres noch ausbildungssuchend gemeldet sind, ist im Vorjahresvergleich sowohl absolut wie relativ leicht angestiegen.
Der Indikator „unversorgte Bewerber/innen auf 100 unbesetzte Ausbildungsstellen“ zeigt dieses Mismatch, dessen Größenordnung in den letzten drei Jahren gleichblieb: 2023 waren dies 27 „unversorgte“ Bewerberinnen auf 100 unbesetzte Plätze. Besonders hoch liegt das Mismatch 2023 in Nürnberg z.B. bei den Berufsbereichen „Informatik“ (144 unversorgte Bewerber auf 100 unbesetzte Stellen) und Softwareentwicklung (133), Energietechnik (80) und Maschinenbau- und Betriebstechnik (75) ((Bundesagentur für Arbeit 2023b)).
Bezieht man die 235 „Personen mit Alternative“ in die Betrachtung ein, standen zum 30. 9.2023 den 678 freien Ausbildungsplätzen insgesamt 419 ausbildungssuchende junge Menschen gegenüber. Die Anzahl derer, die über eine solche „Alternative“ (wie z.B. die Fortführung der Schulausbildung) verfügten, sank zum Vorjahr leicht (Abb. 2).
Die Gründe für das nicht ausbalancierte Verhältnis werden seit Jahren in regionalen, berufsfachlichen und qualifikatorischen Disparitäten gesehen. Die Bundesagentur für Arbeit weist auf weitere Einflussgrößen wie das Image von Ausbildungsberufen und -betrieben, die Arbeitszeiten, die Vergütung oder die Perspektiven nach dem Abschluss der Ausbildung (auf der Seite der Betriebe) oder die Schulnoten und Sozialkompetenzen (auf der Seite der Schulabsolvent/-innen) hin. Häufig spiele auch die Erreichbarkeit einer Ausbildungsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Entfernung zur Berufsschule eine Rolle. Gleichzeitig signalisieren die Zahlen laut Bundesagentur für Arbeit auch die Möglichkeit zur Offenheit des Ausbildungsmarkts über den 30.9. hinaus (Besetzungen im sog. „5. Quartal“) (Bundesagentur für Arbeit 2023a).
Auch die IHK-Herbstumfrage zur Ausbildungsstellensituation (in gesamt Mittelfranken) bestätigt diese Einschätzung: hier sind die Besetzungsquote im Vergleich zu 2021 um 2,2% zurückgegangen und es bleibt „gut jeder fünfte Ausbildungsplatz unbesetzt“. Gleichzeitig würden 100 der befragten Betriebe kurzfristig noch bis zu 245 Auszubildende einstellen (IHK Nürnberg für Mittelfranken 2024).
Abbildung 2: Bewerber/-innen mit Alternative oder unversorgt sowie unbesetzte Ausbildungsstellen, 2021 bis 2023
Anmerkung: Stand jeweils 30.9. des Jahres.
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berufsausbildungsstellen und Bewerber für Berufsausbildungsstellen, jeweils September.
Maßnahmen brauchen System und ein aktives Netzwerk
Die Daten zeigen: die Gewinnung von Jugendlichen für eine duale Berufsausbildung ist „eine der zentralen Herausforderungen zur künftigen Fachkräftesicherung“ (Oeynhausen et al. 2023). Dabei spielt die Demografie eine eher untergeordnete Rolle, sondern es sollte nach Meinung von Expert/-innen der Fokus auf die Ressource derjenigen jungen Menschen gelegt werden, die bisher keinen Ausbildungsplatz finden (vgl. u.a. Dohmen et al. 2024).
Weil die Zielgruppe der dualen Ausbildung zunehmend heterogener wird (von Studienaussteiger/-innen bis zu Personen ohne Schulabschluss), müssen Betriebe eine noch höhere Flexibilität bei ihrer Auswahlpraxis und während der Ausbildung zeigen (Allianz für Aus- und Weiterbildung 2023-2026).Gut begleitete und reflektierte Schülerpraktika (nach den Standards des „Qualifizierten Praktikum Nürnberg – Mittelschule“) bieten Schüler/-innen und Betrieben eine gute Möglichkeit sich kennenzulernen und in der Praxis auszuprobieren.
Mit dem Gesamtsystem des Nürnberger Modells Übergang Schule-Beruf (www.uebergangsmanagement.nuernberg.de) verfügt die Stadt Nürnberg über eine gute Struktur in der Berufsorientierung für Mittelschüler/-innen, die allerdings immer wieder neu kalibriert und stabilisiert werden muss, um nachhaltig wirken zu können.
Das von den Akteuren im Netzwerk gemeinsam getragene System für die strukturierte Berufsorientierung in den Nürnberger Mittelschulen könnte auch vorbildhaft für geforderte BO-Konzepte in Gymnasien (Allianz für Aus- und Weiterbildung 2023-2026) sein, um mehr Schüler/-innen mit höheren Schulabschlüssen für die duale Ausbildung zu gewinnen.
Quellen:
Allianz für Aus- und Weiterbildung 2023-2026, Gemeinsame Erklärung vom 24.5.2023, S.3 (Gemeinsame Erklärung zur Gründungsoffensive (aus-und-weiterbildungsallianz.de)).
Bundesinstitut für Berufsbildung, „Angebots-Nachfrage-Relation nach Arbeitsagenturbezirk“, 2023.
Dohmen, D./ Bayreuther, T., Sandau, M.: Monitor Ausbildungschancen 2023, Gütersloh, Bertelsmann-Stiftung, 2024, S.41.
IHK Nürnberg für Mittelfranken: Umfrage zur Ausbildungsstellensituation 2023 (ihk-nuernberg.de),letzter Zugriff am 18.4.2024.
Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berichte: Arbeitsmarkt kompakt – Situation am Ausbildungsmarkt, Nürnberg, Oktober 2023 (a).
Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Der Ausbildungsmarkt, Nürnberg, 2023 (b).
Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik, Betriebe und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort, 2024. Auswertung für die Stadt Nürnberg.
Oeynhausen S./Christ, A./Schuß, E./Milde,B./Granath, R.: Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2023, Bonn, Bundesinstitut für Berufsbildung (Hg.), 2023, S.28.
Titelbild: © Maksim Shmeljov, shutterstock 2067685916.
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