Bildungsbüro Nürnberg – Bildungsblog

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„Nürnberg forscht – Bürgerwissenschaften in der vielfältigen Stadtgesellschaft“: Erste Ergebnisse

Beitrag vom 08. Jul. 2024

Im Citizen-Science-Projekt „Nürnberg forscht – Bürgerwissenschaften in der vielfältigen Stadtgesellschaft“ beteiligen sich Menschen mit Zuwanderungsgeschichte als ehrenamtliche Mitforschende an Forschungsthemen zu Migration und Integration in Nürnberg. In Kooperation mit der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus arbeitet das Projekt des Bildungsbüros in vier voneinander unabhängigen Gruppen an selbst gewählten Forschungsthemen.

Die erste Gruppe der Mitforschenden des Projekts untersuchte Verhaltensstrategien von Menschen, die in Nürnberg Rassismus erleben. Die Studie analysierte, wie Betroffene Rassismus wahrnehmen und welche kurz- und langfristigen Verhaltensstrategien sie anwenden, um mit den Erfahrungen umzugehen. Ferner ging sie der Frage nach, welche Unterstützung Betroffene bei der Bewältigung von Rassismuserfahrungen suchen und wo sie diese finden können. Während des gesamten Forschungsprozesses wurden die Mitforschenden vom Projektteam wissenschaftlich und pädagogisch begleitet.

Welche Verhaltensstrategien entwickeln Menschen in Nürnberg, die von Rassismus betroffen sind?

In der Vorbereitungsphase erhielten die insgesamt zwölf Mitforschenden Einblicke in die sozialwissenschaftliche Forschung, um gemeinsam ihre Forschungsfrage zu entwickeln: „Welche Verhaltensstrategien entwickeln Menschen in Nürnberg, die von Rassismus betroffen sind?“ In einem partizipativen Prozess entschied die Gruppe, leitfadengestützte Interviews als Methode zur Datenerhebung zu nutzen.

Zur Beantwortung der Forschungsfrage erfolgte im Anschluss eine qualitative Studie. Dazu führten die Mitforschenden sechs Interviews mit Betroffenen und fünf Interviews mit Expert*innen aus dem Bereich Migration und Integration in Nürnberg durch. Die Transkripte wurden mittels einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet, wobei die Mitforschenden die Transkripte hinsichtlich der wichtigsten Hauptkategorien zunächst selbst codierten und interpretierten. Ergänzend erstellte das Projektteam weitere Analysen.

Wesentliche Ergebnisse

Die Interviews spiegeln verschiedene bewusste und unbewusste Verhaltensstrategien von Betroffenen wider, die sich sowohl in kurzfristige situative, als auch in langfristige Verhaltensweisen unterteilen lassen. Die befragten Betroffenen äußern Konfrontation, Verteidigung, Aufklärung und Deeskalation sowie die Suche nach Hilfe als Verhaltensoptionen in einer akut rassistisch erlebten Situation. Besonders betonen sie Selbsthilfe und Aktivismus als entscheidende Aspekte für eine langfristige Bewältigung.

Aus den Schilderungen der Befragten lässt sich schließen, dass verschiedene Rahmenbedingungen das kurzfristige Verhalten von Betroffenen beeinflussen. Demnach waren vor allem das subjektive Sicherheitsgefühl, das Machtverhältnis und die allgemeine Lebenssituation ausschlaggebende Einflussfaktoren für das Verhalten der befragten Betroffenen gegenüber Verursacher*innen von Rassismus.

Im Gesprächsverlauf mit den Betroffenen zeigte sich, dass sie Rassismus zum Teil unterschiedlich wahrnehmen. Während sie auf abstrakter Ebene Rassismus eindeutig als ein unterdrückendes System definierten, das auf negativen Fremdzuschreibungen beruht, konnten persönliche Erfahrungen nicht immer eindeutig als Rassismus erkannt werden. Expert*innen berichteten von ähnlichen Erfahrungen und vermuteten dahinter die Verhaltensweise der Uminterpretation als Selbstschutz. Häufig nannten die Befragten Gefühle wie Wut, „Verletzt sein“, Traurigkeit und Angst.

Die Interviews verdeutlichten, dass Bildung einen wesentlichen Faktor für den Umgang mit Rassismus darstellt. Die befragten Betroffenen informierten und bildeten sich in den meisten Fällen eigeninitiativ über Rassismus und Diskriminierung. Diese Selbst-Bildung wirkt auf zweierlei Weise stärkend: Präventiv ermöglicht sie eine gestärkte Reaktion auf potenzielle rassistische Vorfälle in der Zukunft. Im Nachgang können gemachte Erfahrungen durch Bildung besser verarbeitet und vorhandene Verhaltensstrategien angepasst sowie erweitert werden. Die fehlende institutionelle Aufklärung über die Rechte von Betroffenen wurde von den Befragten angeprangert. Demnach sehen sie sich selbst in der Verantwortung, sich bilden zu müssen.

Mit Blick auf die Aussagen von Betroffenen und Expert*innen zeigte sich, dass Vertrauen die Basis für die Suche nach Hilfe bildet: Wenn sich Betroffene Unterstützung holen oder Beratungsangebote wahrnehmen, geschieht dies überwiegend im privaten Umfeld oder auf informeller Ebene, in ihrer Peer-Gruppe, Community oder im Freundeskreis. Einer der Gründe dafür dürfte darin liegen, dass Betroffene in diesem Umfeld aufgrund ähnlicher Erfahrungen und Lebenswelten gegenseitiges Vertrauen aufbauen können. Der Wunsch der Befragten nach einer verstärkten formellen Aufklärungsarbeit über Beratungsstellen und deren Angebote war groß, da bestehende städtische Stellen ihnen oft nicht bekannt sind.

Ausblick

Sowohl die Untersuchungsergebnisse wie auch Empfehlungen, die gemeinsam mit den Mitforschenden in einer abschließenden Gruppendiskussion entwickelt wurden, dienen als Diskussionsgrundlage und Anknüpfungspunkt, um die städtischen Maßnahmen und Beratungsangebote weiterzuentwickeln. Aktuell befasst sich die zweite Forschungsgruppe von „Nürnberg forscht“ mit dem Thema Frauengesundheit in Nürnberg und präsentiert ihre Ergebnisse im Herbst.


Initiiert vom Bildungsbüro der Stadt Nürnberg läuft das Projekt „Nürnberg forscht – Bürgerwissenschaften in der vielfältigen Stadtgesellschaft“ von 2023 bis 2025 und wird von der Europäischen Union kofinanziert.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

Projektseite „Nürnberg forscht“

Ergebnisbericht des ersten Forschungsmoduls


Bildnachweis:  © Stadt Nürnberg/Bildungsbüro.

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