Seelische Gesundheit zugewanderter Frauen erforscht

Beitrag vom 02. Dez.. 2024

Nach rund acht Monaten präsentierten die Mitforschenden im Projekt Nürnberg forscht im Oktober 2024 die Ergebnisse ihrer Citizen-Science-Studie „Seelische Gesundheit von zugewanderten Frauen in Nürnberg“.

Das Projekt Nürnberg forscht beteiligt Stadtbewohner*innen mit Zuwanderungsgeschichte an der Forschung über das Integrationsgeschehen in Nürnberg. In der Rolle als (ehrenamtliche) Wissenschaftlerìnnen untersuchen sie zum Teil selbst gestellte Fragestellungen und bringen ihre Lebens- und Zuwanderungserfahrungen in den gesamten Forschungsprozess mit ein. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen die Perspektiven Zugewanderter sichtbar machen, Vorurteile abbauen, Anregungen für die städtische Integrationspolitik geben und zu einer offenen sowie akzeptierenden Zuwanderungsgesellschaft beitragen.

Im Zeitraum von Februar bis Oktober untersuchten 18 Frauen unterschiedlicher Herkunft und Altersgruppen, welche Faktoren die seelische Gesundheit von zugewanderten Frauen beeinflussen, welche Bewältigungsstrategien sie nutzen und welche lokalen Gesundheitsangebote dabei relevant sind. Dabei arbeiteten sie mit qualitativen Methoden aus den Sozialwissenschaften wie Community-Mapping, Fokusgruppen und Expert*innen-Interview. Die Ergebnisse wurden qualitativ ausgewertet und praxisnahe Empfehlungen für kommunale Akteure abgeleitet.

Die an der Forschung beteiligten Frauen erläutern die wichtigsten Ergebnisse – zusammengefasst in einem übersichtlichen Schaubild, das während der Nürnberger Woche der seelischen Gesundheit in der Stadtbibliothek und im Caritas-Pirckheimer-Haus ausgestellt war.

Wesentliche Ergebnisse

Einflussfaktoren
Aus den Schilderungen der Frauen geht hervor, dass die seelische Gesundheit von Migrationserfahrungen, Integrationsschwierigkeiten und der Rolle der Frau im Familienleben stark beeinflusst wurde. Gerade integrationsbedingte Faktoren wie Sprachbarrieren, Diskriminierung und fehlende Anerkennung ihrer Qualifikationen können oft zu Stress und Isolation führen.

Bewältigungsstrategien
Um seelischen Stress zu bewältigen, nutzen die befragten Frauen sowohl problemorientierte Ansätze wie Informationsbeschaffung und soziale Unterstützung sowie emotionsorientierte Strategien wie aktives Verarbeiten und körperliche Aktivitäten. Soziale Treffpunkte wie migrantische Vereine oder Frauentreffen bieten nicht nur wichtige Informationen, sondern auch emotionale Unterstützung. Meist ist es eine Kombination verschiedener konstruktiver Strategien zur Stressbewältigung, die eine selbstermächtigende Wirkung haben und die seelische Gesundheit positiv beeinflussen.

Besondere Rolle des Ehrenamts
Ehrenamtliches Engagement wird als wertvolle Ressource für Stressbewältigung und seelisches Wohlbefinden gesehen. Es stärkt das Selbstvertrauen, ermöglicht soziale Vernetzung und vermittelt den Frauen neben neuen Kompetenzen auch ein Gefühl von Sinn und Zugehörigkeit. Beispiele für genannte ehrenamtliche Tätigkeiten sind Sprachmittlung, Begleitung zu Terminen sowie die Organisation von Frauentreffen. Das Ehrenamt erlaubt es den Frauen, ihre eigenen Erfahrungen zu nutzen, um anderen zu helfen und gleichzeitig ihre eigene Integration zu fördern.

Orte der Gesundheit
Die befragten Frauen bevorzugen Angebote in der Nähe ihres Wohnorts, z.B. sportliche Aktivitäten wie Schwimmen, Fahrradfahren und Yoga. Besonders migrantisch geführte Vereine oder interkulturelle Angebote in den städtischen Kulturläden, die Vertrauen schaffen und muttersprachliche Unterstützung bieten, sind zentrale Anlaufstellen.

Empfehlungen
Es besteht ein großer Bedarf an kultursensiblen, niedrigschwelligen und wohnortnahen Gesundheitsangeboten, die besser auf die Bedürfnisse von Frauen mit Zuwanderungsgeschichte zugeschnitten sind.

Besonders wichtig sind dabei flexible Angebotszeiten, da viele Frauen durch familiäre Verpflichtungen vor allem nachmittags eingeschränkt sind. Zum Beispiel könnten Abend- oder Wochenendkurse die Teilnahme erleichtern. Schließlich sollte auch eine bessere Abstimmung zwischen Vereinen und öffentlichen Institutionen erfolgen, um Überschneidungen in der Programmplanung zu vermeiden und ganzheitliche, koordinierte Angebote anzubieten.

Eine angebotene Kinderbetreuung, z.B. bei Sprach- und Gesundheitskursen oder Frauentreffen, wurde mehrfach als Voraussetzung für eine bessere Teilhabe genannt. Auch besteht der Wunsch nach speziellen Schwimm- oder Fahrradkursen für Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, die in geschützten Räumen stattfinden, wie etwa Frauenbadetage. Diese Kurse fördern sowohl die physische als auch die seelische Gesundheit und bieten gleichzeitig Raum für soziale Interaktion.

Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Vereinen von großer Bedeutung, da sie das Vertrauen der Zielgruppe genießen und kultursensible Angebote besser gestalten können. Ehrenamtliches Engagement sollte aufgrund seiner positiven Wirkungsweise ebenso gefördert werden wie Workshops zur mentalen Gesundheit, z.B. Stressbewältigung oder Achtsamkeit, um den besonderen Herausforderungen dieser Zielgruppe gerecht zu werden. Der Einsatz von interkulturellen Gesundheitslotsinnen könnte helfen, die Kluft zwischen Frauen mit Zuwanderungsgeschichte und dem Gesundheitssystem zu überbrücken.


Als gemeinsame Initiative des Bildungsbüros der Stadt Nürnberg und der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus wird das Projekt „Nürnberg forscht – Bürgerwissenschaften in der vielfältigen Stadtgesellschaft“ von 2023 bis 2025 von der Europäischen Union kofinanziert.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

Projektseite „Nürnberg forscht“

Ergebnisbericht


Titelbild und Beitragsbild: © Stadt Nürnberg, Bildungsbüro.

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